Linz/Wien (bmvit) - Was international bereits weit verbreitet ist, wird nun erstmals auch in Österreich
getestet: Ab 2019 soll es Autofahrern und Radfahrern vorerst an drei ausgewählten Kreuzungen in Linz möglich
sein, trotz roter Ampel rechts abzubiegen. Die juristischen Weichen werden mittels Novellierung der Straßenverkehrsordnung
StVO im Herbst 2018 gestellt. „USA, Kanada, Australien, Frankreich, Thailand, Tschechien, Polen und Teile Deutschlands
– all diese Länder haben dieses Modell seit Jahrzehnten in Anwendung und dadurch einen flüssigeren Verkehr
an ihren Kreuzungen. Ich denke, dass das auch in Österreich funktionieren kann“, gibt sich Verkehrsminister
Norbert Hofer anlässlich der Präsentation des Projekts im Rahmen am 21. August einer Pressekonferenz
mit dem Linzer Verkehrsstadtrat Markus Hein und DI Dr.techn. Harald Frey von der TU Wien zuversichtlich
Als Testregion hat sich die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz zur Verfügung gestellt. „Das tägliche
Stau-Chaos auf den Straßen, gepaart mit den negativen gesundheitlichen Folgen durch die erhöhte Feinstaubbelastung,
ist der Linzer Bevölkerung ein Dorn im Auge. Uns sind deshalb alle Maßnahmen willkommen, die der Reduktion
von Feinstaubemissionen dienen und gleichzeitig den Verkehr möglichst flüssig gestalten bzw. unnötige
Steh- und Stauzeiten vermeiden“, erklärt der Linzer Infrastrukturstadtrat Markus Hein, der auch gleich Gegenargumente
entkräftet, dass dadurch angeblich ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für Fußgänger entstehe:
„Jedes einzelne Fahrzeug muss trotzdem an der Haltelinie anhalten und sich vergewissern, dass andere Verkehrsteilnehmer
nicht behindert oder gefährdet werden. Zudem wird jede Kreuzung, bevor sie mit einem Grünpfeil ausgestattet
wird, auf die entsprechende Tauglichkeit untersucht.“
TU Wien als Projektpartner
Das Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität Wien wurde mit der wissenschaftlichen
Begleitung des Pilotversuchs „Rechtsabbiegen bei Rot“ beauftragt. Basierend auf Erfahrungen aus Deutschland, wo
„Rechtsabbiegen bei Rot“ bereits seit längerem in Verwendung ist und entsprechende Erfahrungen und Studien
zu Einsatzkriterien und Auswirkungen vorliegen, wurde für die Anwendung in Österreich ein Kriterienkatalog
erarbeitet. Dieser dient zur Auswahl der Pilotkreuzungen und ist gegliedert in Ausschlusskriterien und Abwägungskriterien.
„Im Rahmen von Pilotversuchen wird „Rechtsabbiegen bei Rot“ in einer ersten Phase bei drei Kreuzungen in der Stadt
Linz untersucht. An jedem Standort erfolgen eine Vorher- und eine Nachher-Erhebung an unterschiedlichen Wochentagen
und Tageszeiten. Ergänzend zur Videoerhebung wird eine Reisezeitmessung durchgeführt, um mögliche
Auswirkungen im Straßennetz zu berücksichtigen. Dazu werden Nutzungshäufigkeit, Anhalte-Bereitschaft,
Ausweichverhalten sowie potenzielle Konfliktsituationen zwischen den Verkehrsteilnehmenden analysiert und ausgewertet.
Besonderes Augenmerk liegt auf den Aspekten der Verkehrssicherheit“, erklärt DI Dr.techn. Harald Frey vom
Institut für Verkehrswissenschaften an der TU Wien.
Der Projektfahrplan
- Die StVO-Novelle wird am 22.08.2018 in Begutachtung geschickt.
- Ende September 2018 wird die StVO-Novelle in den Ministerrat
eingebracht und im Anschluss an das Parlament übermittelt.
- Mit einer Beschlussfassung im Nationalrat ist im Oktober
2018 zu rechnen.
- Beginn für Pilotprojekt „Rechts abbiegen bei Rot“ mit
1. Jänner 2019
- Laufzeit des Pilotversuchs: ein Jahr
Die Kreuzungen für den Pilotversuch in der Landeshauptstadt Linz
- Weißenwolffstraße / Garnisonstraße / Derfflingerstraße
/ Nietzschestraße (Kaplanhofviertel)
- Wiener Straße / Ennsfeldstraße (Stadtteil Ebelsberg)
- Dornacher Straße / Johann-Wolhelm-Klein-Straße
(Stadtteil St. Magdalena)
Der Kriterienkatalog
Der vorgeschlagene Kriterienkatalog baut auf Vorschriften und Erkenntnissen aus Deutschland auf (VwV-StVO, BASt)
und dient als Rahmen für den Pilotversuch. Er ist gegliedert in Ausschlusskriterien, deren Erfüllung
ein Ausscheiden aus dem Kreuzungspool nach sich zieht, und Abwägungskriterien, bei deren Erfüllung eine
genaue Prüfung der Für und Wider zu erfolgen hat. Im Rahmen des Pilotversuchs erfolgt eine Evaluierung
und eventuell Anpassung der Kriterien.
Ausschlusskriterien
[1] Wenn von der Haltelinie der Rechtsabbieger keine ausreichende Einsehbarkeit der freigegebenen Verkehrsrichtungen
gegeben is
[2] Wenn einem Linksabbieger im Gegenverkehr durch ein 3-Kammer-Signal bzw. durch einen grünen Pfeil ein konfliktfreies
Abbiegen nach links signalisiert wird
[3] Wenn Pfeile in den für den Rechtsabbieger gültigen Lichtzeichen die Fahrtrichtung vorschreiben
[4] Wenn für das Rechtsabbiegen mehrere markierte Fahrstreifen zur Verfügung stehen
[5] Wenn beim Rechtsabbiegen Gleise von Schienenfahrzeugen gekreuzt oder befahren werden müssen
[6] Wenn der freigegebene Fahrradverkehr auf dem zu kreuzenden Radweg für beide Richtungen zugelassen ist
oder der Fahrradverkehr trotz Verbotes in der Gegenrichtung in erheblichem Umfang stattfindet und durch geeignete
Maßnahmen nicht ausreichend eingeschränkt werden kann
[7] Bei abgesetzten Radfahrerüberfahrten
[8] Wenn beim Rechtsabbiegen bei Rot eine vorgezogene Haltelinie (Bikebox) für geradeaus fahrende bzw. links
abbiegende Radfahrer überfahren werden muss
[9] Wenn die Verkehrslichtsignalanlage überwiegend der Schulwegsicherung dient
[10] Wenn Kreuzungen oder Einmündungen häufig von Blinden oder Sehbehinderten überquert werden und
nicht mit akustischen oder anderen geeigneten Zusatzeinrichtungen ausgestattet sind
[11] Wenn die erlaubte Höchstgeschwindigkeit größer als 50 km/h ist
Abwägungskriterien
[1] Wenn keine eigene Rechtsabbiegespur vorhanden ist
[2] Wenn zu erwarten ist, dass viele Fahrspuren und Fahrbeziehungen zur Überforderung der Rechtsabbieger bei
Rot führen
[3] Wenn Kreuzungen und Einmündungen häufig von mobilitätseingeschränkten Personen überquert
werden
[4] Wenn Linienbusse als entgegenkommende Linksabbieger durch die Rechtsabbieger bei Rot mit Grünpfeil behindert
werden können
[5] Wenn in der übergeordneten Fahrtrichtung von rechts regelmäßig Wendefahrten auftreten
[6] Wenn die Fahrgeschwindigkeit (v85) mehr als 10% über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit (max. 50
km/h) liegt
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