Alte Landsorten auf dem Vormarsch – Schwieriges Jahr für Getreideanbau in Tirol, heimisches
Getreide stark nachgefragt
Innsbruck (lk) - Die Getreideernte in Tirol ist weitgehend abgeschlossen. Für den Getreideanbau war
das heurige Jahr aufgrund der Trockenheit ein schwieriges. Die Qualität ist in Ordnung, die Erntemenge liegt
aber deutlich unter dem Durchschnitt. Dies gilt auch für die in Tirol stark vertretenen alten Landsorten aus
der Genbank des Landes Tirol. Nichtsdestotrotz bieten diese Sorten auch hinsichtlich veränderter klimatischer
Verhältnisse interessante Möglichkeiten.
„Wir bekennen uns in Tirol zu unverfälschten, natürlichen Lebensmitteln und damit zur gentechnikfreien
Produktion. Die Tiroler Landwirtschaft geht sogar noch einen Schritt weiter und setzt stark auf alte Landsorten,
also Saatgut und Pflanzen, die seit jeher bei uns heimisch sind“, bekräftigt LHStv Josef Geisler einmal mehr
den Tiroler Weg in der Lebensmittelproduktion. Keinen Handlungsbedarf hat Tirol aufgrund des Urteils des Europäischen
Gerichtshofes. Dieser hatte Ende Juli entschieden, dass die „Genschere“, eine moderne Methode zur Veränderung
des Erbgutes von Pflanzen ohne das Einfügen artfremder Gene, unter die Gentechnik-Richtlinien fällt.
„Tirol war 2005 eines der ersten Bundesländer mit einem eigenen Gentechnik-Vorsorgesetz. Gesetzliche Regelungen
und strenge Kontrollen gewährleisten, dass bei uns keine gentechnisch veränderten Organismen angebaut
werden. Wer Gentechnikfreiheit will, greift deshalb am besten zu regionalen Lebensmitteln“, so Geisler.
Zuwachs bei Getreideanbauflächen
Dass der Weg der Gentechnikfreiheit und die Rückbesinnung auf alte Landsorten bei den KonsumentInnen ankommen,
zeigt die stetig steigende Nachfrage nach regionalem Getreide. Wurde in Tirol 2014 auf knapp über 600 Hektar
Getreide angebaut, waren es im vergangenen Jahr bereits um 100 Hektar mehr. Die größte Steigerung gab
es beim Sommergetreide im Bereich der Gerste. Hier stieg die Anbaufläche innerhalb nur eines Jahres um 20
Prozent. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die „Fisser Gerste“ oder „Tiroler Imperialgerste“, einer
alten Landsorte, die jetzt verstärkt zum Bierbrauen verwendet wird. Aber auch heimisches Brotgetreide wie
zum Beispiel der „Rote Tiroler Kolbendinkel“, der Sommerroggen „Tiroler“ und zwei Tiroler Binkelweizen sind stark
nachgefragt.
Alte Landsorten in der Hand der Allgemeinheit
Das Saatgut für die heute in Tirol angebauten alten Landsorten stammt aus der Genbank und wird auf Vermehrungsflächen
des Landes Tirol teils in Kooperation mit der Tiroler Saatbaugenossenschaft produziert. In der Genbank lagert keimfähiges
Material von rund 1.000 verschiedenen Landsorten – davon über 700 verschiedene Getreidesorten. Diese Arche
dient der Erhaltung der genetischen Vielfalt der landwirtschaftlichen Nutzpflanzen. „Die Genbank ist aber auch
eine Zukunftsaktie für die Landwirtschaft und die regionale Wirtschaft. Das in der Genbank des Landes lagernde
Saatgut gehört keinem Konzern, sondern der Allgemeinheit“, verweist Geisler auf das Potenzial und die Verfügbarkeit
des Saatgutes. „Wir betreiben seitens des Landes Erhaltungszüchtung und haben gutes, kontrolliertes Vorstufenmaterial
für die Saatgutproduktion“, erklärt Klaus Wallnöfer, Vorstand der Abteilung landwirtschaftliches
Schulwesen, Jagd und Fischerei.
Alte Sorten, neue Chancen
Auch die heute in der Genbank des Landes lagernden alten Landsorten wurden zum Teil schon züchterisch bearbeitet.
Auslesezüchtung wird seit etwa 10.000 Jahren, also seit der Jungsteinzeit, betrieben. Gentechnisch verändert
wurden die alten Landsorten dabei aber nicht. „Der Mensch greift seit langem in das Erbgut von Pflanzen ein. Das
ist an sich nichts Schlechtes“, wissen Christian Partl und Andreas Tschöll vom Fachbereich Versuchswesen und
Genbank des Landes. Die Vielfalt der Eigenschaften alter Landsorten kann durch klassische Züchtungsmethoden
nutzbar gemacht werden. „Einige Sorten trotzen der Trockenheit, andere sind resistent gegen gewisse Pflanzenkrankheiten“,
wissen die Fachleute. In einigen Bereichen – etwa beim Ertrag – haben die alten Landsorten aber auch Schwächen.
- Fisser = Tiroler Imperial: Anbau 2018 auf ca. 80 ha, wird
in Tirol vornehmlich zum Bierbrauen verwendet; erlebt eine echte Renaissance
- Sommerroggen „Tiroler“: veredelte Landsorte (Kreuzungszüchtung);
Verwendung als Brotgetreide, langes Stroh, anspruchslos und gesund; seit 1958 in der österreichischen Sortenliste
als einziger Sommerroggen; Vermehrungsflächen in Tirol, Anbauflächen im Waldviertel
- Roter Tiroler Kolbendinkel: alte Tiroler Landsorte ohne
Weizeneinkreuzung; Verwendung als Brotgetreide, Ertrag und Qualität sehr gut, beim Gelbrost (wichtige Getreidekrankheit)
die gesündeste Sorte; seit 2016 in Österreich als moderne Hochzuchtsorte zugelassen; Vermehrung 2018
auf 8 Hektar
- Zwei Tiroler Binkelweizen werden aktuell auf Back- und Brauqualität
geprüft
- Obernberger Schwarzhafer im Sortiment von Bio vom Berg
|