Vortrag beim Forum Alpbach über die Prioritäten der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft
Alpbach/Wien (bka) - "Österreich hat den EU-Ratsvorsitz in einer international herausfordernden
Zeit übernommen. Die Spannungen mit Russland sind nach wie vor ungelöst, wir erleben die immer stärkere
Unberechenbarkeit der USA, aber auch die Spannungen innerhalb der Union. Das wahrscheinlich wichtigste Ziel für
unseren Ratsvorsitz ist aber: Wir müssen sicherstellen, dass die Europäische Union auch nach dem Brexit
ein starker und verlässlicher Partner ist", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz am 27. August beim
Forum Alpbach zum Thema "Die Zukunft der EU: Prioritäten der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft".
Angesichts der schwierigen internationalen Herausforderungen erscheine die EU nämlich manchmal als zu langsam,
zu zerstritten und zu schwach, um wettbewerbsfähig zu sein, den Großmächten die Stirn bieten zu
können und um "ein solcher globaler Player zu sein, wie wir uns das wünschen würden".
Trotz aller Herausforderungen dürfe man aber nicht vergessen, dass die Europäische Union das "größte
Erfolgsprojekt des 20. Jahrhunderts" sei, das rund 500 Millionen Menschen Friede, Freiheit und einen zumindest
bescheidenen Wohlstand garantiere. "Wir leisten die größten Beiträge im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit,
um die Lebensbedingungen außerhalb von Europa zu verbessern", so Kurz, der das Europäische Lebensmodell,
den European Way of Life, als positive Errungenschaft des Kontinents charakterisierte.
"Wir sollten daher dankbar sein gegenüber jener Generation, welche die EU aufgebaut hat und auch die
Verantwortung dafür übernehmen, die Europäische Union zum Positiven weiterzuentwickeln", so
der Bundeskanzler. Dafür müsse das Fundament gestärkt und der Kurs dort korrigieren werden, wo dies
notwendig sei. "Die Europäische Union ist nicht die Summe der verteilten Förderungen oder ihre gemeinsame
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit: Was uns ausmacht, das sind Grundwerte wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie
und Freiheit. Wir leben in der Europäischen Union in einem Ausmaß an Frieden, Stabilität und Sicherheit,
der in anderen Regionen der Welt unvorstellbar ist", so Kurz.
Um dies abzusichern brauche es eine stärkere Kooperation im Bereich der Sicherheit und der Verteidigungspolitik,
um den Frieden und die Stabilität langfristig absichern zu können. "Dazu gehört auch ein ordentlicher
Außengrenzschutz. Denn nur wenn wir unsere Grenzen nach außen gemeinsam sichern, dann können wir
sicherstellen, dass ein Europa ohne Grenzen nach innen auch in Zukunft eine Selbstverständlichkeit ist",
so der Bundeskanzler.
Neben einem starken Fundament müssten aber bei Fehlentwicklungen auch Kurskorrekturen durchgeführt werden.
Im Besonderen hätten die Entwicklungen der letzten Jahre zur Schaffung von Gräben geführt, welche
die Europäische Union daran hindere, geeint aufzutreten. "Solange es nicht gelingt, diese Gräben
wieder zuzuschütten, werden wir nicht die volle Stärke auf den Boden bringen können. Wir wollen
während unseres Ratsvorsitzes einen Beitrag dazu leisten, hier verbindend einzugreifen. Ich hoffe, dass es
uns mittelfristig gelingt, gemeinsam und geeint aufzutreten", so der Bundeskanzler.
Für die Zukunft brauche es daher mutige Entscheidungen. "Die Europäische Union ist derzeit noch
nicht vollständig. Solange die Staaten des Westbalkans nicht Teil der EU sind, wird Europa nicht komplett
sein", so der Bundeskanzler. Mit der Lösung im Namensstreit zwischen Athen und Skopje oder einer spürbaren
Annäherung zwischen Serbien und dem Kosovo erlebe man derzeit eine sehr positive Dynamik. "Wenn wir das
derzeitige Momentum auf dem Westbalkan nützen, dann kann aus der europäischen Perspektive eine europäische
Realität werden. Wir werden alle Lösungen bestmöglich unterstützen", so Sebastian Kurz.
Um die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union auch in Zukunft sicherzustellen müssten schon
jetzt die richtigen Schritte gesetzt werden, so wie dies etwa in Österreich mit Investitionen im Bildungsbereich
geschehe. Gleiches brauche es auch in der EU. "Nur wenn wir in Innovation, Bildung, Forschung und Entwicklung
investieren, werden wir wettbewerbsfähig bleiben und so den Wohlstand erhalten können. Wenn wir uns gemeinsam
anstrengen, dann wird es gelingen, die Europäische Union auch in herausfordernden Zeiten tagtäglich ein
kleines Stück zum Besseren zu entwickeln. Wenn uns das gelingt, dann können wir gemeinsam sicherstellen,
dass die Europäische Union nicht nur der starke internationale Player des 20. Jahrhunderts ist, sondern es
auch im 21. Jahrhundert sein wird", so der Bundeskanzler abschließend.
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