Einsatz der Kirchen für Zusammenhalt nicht nur in Worten sondern auch in Praxis – Erstmals
Dialog zwischen Vatikan und Europas Evangelischen Kirchen
Rom/Basel/Wien (epdÖ) - Angesichts der politischen, sozialen und gesellschaftlichen Fliehkräfte
in Europa müssen sich die Kirchen für den Zusammenhalt und das Zusammenbleiben in Europa nicht nur mit
Worten einsetzen, sondern dies auch selber praktizieren. Das betonte der österreichische evangelisch-lutherische
Bischof Michael Bünker in seinem Bericht als Generalsekretär vor der Vollversammlung der Gemeinschaft
Evangelischer Kirchen in Europa, die noch bis 18. September in Basel tagt.
Seit der letzten Vollversammlung, die 2012 in Florenz stattgefunden hat, habe sich Europa „in zunehmend krisenhafter
Weise“ verändert, befand der Bischof und erinnerte an die noch immer nicht ausgestandene Krise der Banken
und Staatsschulden, die Herausforderung durch Globalisierung, Migration und Klimawandel, die Veränderung der
politischen Weltlage, das Erstarken rechtspopulistischer Kräfte und die Etablierung illiberaler Demokratien
mit der wachsenden Polarisierung der Gesellschaft und der zunehmenden Ungleichheit.
„Ich denke, es ist gut und angeraten, wenn sich Kirchen, speziell evangelische Kirchen, in Zeiten der Veränderung
auf ihren Grund, auf das Evangelium besinnen“, bekräftigte der Bischof am Freitagabend, 14. September, vor
den rund 200 Delegierten in Basel. Das Evangelium bestimme den Auftrag, den es „hier und jetzt“ wahrzunehmen gelte.
„Dass wir dies gemeinsam tun, ist in sich schon wertvoll und soll in den kommenden Jahren gestärkt werden.
Wir setzen damit einen anderen Akzent als die stärker werdenden zentrifugalen Kräfte in der Politik,
die sich etwa in den nationalstaatlichen Alleingängen niederschlagen“, so Bünker.
Gegenüber ihren Mitgliedskirchen werde seitens der GEKE darauf zu achten sein, dass die Frage nach Kirchengemeinschaft
in geistlicher Hinsicht gestellt wird, ist Bünker überzeugt. Beharrlich gelte es deshalb darauf hinzuwirken,
dass die Kirchen und Gemeinden, die um Aufnahme in die GEKE bitten, zuerst darauf hingewiesen werden, die Kirchengemeinschaft
vor Ort zu suchen und zu leben und erst auf dieser Grundlage die Möglichkeit der Mitgliedschaft erwägen.
„Die GEKE ist ein Geschenk! So empfinde ich es nach zwölf Jahren der Tätigkeit als Generalsekretär“,
bilanzierte der Bischof. Vor allem 2017, im Jahr des großen Reformationsjubiläums, habe er die große
Vielfalt, das Engagement und die Kraft des europäischen Protestantismus kennenlernen dürfen.
Nach dieser Vollversammlung übergibt Bünker des Amt des Generalsekretärs an den Theologen Mario
Fischer, der im Februar vom Rat der GEKE zu seinem Nachfolger bestellt wurde. Fischer ist der erste hauptamtliche
Generalsekretär der Kirchengemeinschaft. Der Sitz der Geschäftsstelle der GEKE, die 94 Mitgliedskirchen
umfasst, wird nun dauerhaft in Wien sein. Die Kirchengemeinschaft vertritt rund 50 Millionen ProtestantInnen aus
30 Kirchen in Europa und Südamerika.
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Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und der Vatikan werden künftig offizielle Partner
im ökumenischen Dialog
Der Präsident des evangelischen Kirchengemeinschaft, Gottfried Locher, und Kardinal Kurt Koch, im Vatikan
verantwortlich für den Dialog der christlichen Kirchen, unterzeichneten am 16. September bei einem Festgottesdienst
im Basler Münster ein entsprechendes Dokument. Ziel der Gespräche und Verhandlungen ist es, zu einer
gegenseitigen Anerkennung und Verständigung der Kirchen und Kirchengemeinschaften zu gelangen.
Kardinal Koch: „Leidenschaft und Geduld müssen zusammenkommen“
„Bei den vorbereitenden Gesprächen haben wir gesehen, es gibt sehr viel Positives und Gemeinsames. Darauf
wollen wir aufbauen“, sagte Koch der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Zunächst gehe es um
die sich unterscheidenden Selbstverständnisse der Kirchen. Dann könne auch das langfristige Ziel der
Abendmahlgemeinschaft in den Blick genommen werden. Einen Zeitplan für den Dialog nannte der Kardinal nicht.
„In der Ökumene müssen Leidenschaft und Geduld zusammenkommen. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit“,
so Koch.
GEKE-Präsident Locher: „Alles kann ehrlich auf den Tisch kommen“
Der Schweizer Locher sagte, wichtig seien möglichst konkrete Dialogfragen. „Dabei kann ehrlich alles auf den
Tisch kommen. Auch die vielleicht unverhandelbar scheinenden Positionen. Und dann können wir uns vielleicht
fünf Sachfragen heraussuchen und diese möglichst schnell bearbeiten“, so der GEKE-Präsident. Er
verwies auf Fragen nach der Stellung von ordinierten Geistlichen in den Kirchen, die Ablehnung der katholischen
Kirche, Pfarrerinnen zu weihen, oder die Frage nach liturgischen, gottesdienstlichen Gemeinsamkeiten. Locher sagte,
er wolle sich dafür einsetzen, dass am Dialog nicht nur Kirchenleitungen und akademische TheologInnen beteiligt
würden, sondern auch Frauen und Männer aus dem konkreten kirchlichen Leben. Ein erster Zwischenbericht
solle etwa in zwei Jahren vorliegen. Locher ist auch Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes.
GEKE-Generalsekretär Bünker: „Unterschiede werden nicht glattgebügelt“
Der österreichische evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker – selbst bis zum Ende der Vollversammlung
noch GEKE-Generalsekretär, ehe er an den Deutschen Mario Fischer übergibt – zeigte sich über die
Aufnahme der Gespräche erfreut. Gegenüber dem Evangelischen Pressedienst sagte Bünker: „Das gute
ökumenische Miteinander zwischen Evangelischen Kirchen und der Römisch-katholischen Kirche, das es in
Österreich und in zahlreichen anderen Ländern gibt, bildet den förderlichen Boden und Rahmen, auf
dem der Dialog geführt wird. Rom signalisiert damit, dass das Modell der GEKE einer ‚Einheit in versöhnter
Vielfalt‘ und die darauf beruhende Kirchengemeinschaft nicht nur für die protestantischen Kirchen gilt, sondern
auch für den ökumenischen Dialog Gegenstand ernsthafter Auseinandersetzung ist.“ Das sei nicht immer
so gewesen, meint Bünker: „Noch vor wenigen Jahren hörte man aus Rom, dass dieses Einheitsmodell vielleicht
wohl für die Evangelischen Kirchen passend sein mag, bestimmt aber nicht für den römischen Katholizismus.“
Er hoffe und erwarte sich, dass damit ein Beitrag zum gemeinsamen Verständnis von Kirche geleistet werden
könne, „der die Unterschiede nicht glattbügelt, aber vielleicht dazu führt, dass den Unterschieden
keine trennende Wirkung mehr zukommen muss.“
Der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis lobte die Unterzeichnung der Absichtserklärung: „Das ist
ein wichtiger Schritt. Auch weil in der Vergangenheit nicht immer das Verbindende betont wurde, sondern oft auch
das Trennende.“
Der Dialogvereinbarung vorausgegangen waren jahrelange Sondierungen. Ein Arbeitsgruppenbericht hielt fest, dass
sich GEKE und römisch-katholische Kirche mit Blick auf das Kirchenverständnis „deutlich näher“ seien
als bislang gedacht. Daher sei ein Dialog für die weitere Annäherung „aussichtsreich“.
Zur GEKE gehören rund 100 protestantische Mitgliedskirchen aus 30 europäischen und einigen lateinamerikanischen
Staaten. Bereits 1973 hatten die in der GEKE vertretenen lutherischen, reformierten und die aus ihnen hervorgegangenen
unierten Kirchen ihre Differenzen überwunden und eine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft beschlossen.
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