Mehr Tropennächte, höhere Pollenbelastung, neue invasive Insektenarten: Klima- und
Energiefonds präsentiert europaweit einzigartigen Sachstandsbericht
Wien (bmnt) - Nach dem heißesten Mai seit 1868 war auch der Sommer von Rekord-Temperaturen geprägt.
Dass sich diese veränderten klimatischen Bedingungen auf unsere Gesundheit auswirken, bestätigt jetzt
der vom Klima- und Energiefonds in Auftrag gegebene erste nationale Sachstandsbericht zum Thema Gesundheit, Demographie
und Klimawandel, der am 12. September gemeinsam mit dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus
präsentiert wurde. Mehr als 60 österreichische ForscherInnen aus den Fachbereichen Medizin, Klima und
Demographie sind sich einig: Lösungswege können nur systemübergreifend gedacht und gefunden werden.
Der Sommer 2018 geht in die Geschichte ein: in allen Landeshauptstädten gab es deutlich mehr Hitzetage mit
einem Höchstwert von mindestens 30 Grad als in einem durchschnittlichen Sommer, Wien und Bregenz verzeichneten
mit 32 bzw. 16 Hitzewellentagen in Folge einen neuen Rekord. In Wien gab es insgesamt 40 Tropennächte und
damit mehr als in jedem anderen Sommer seit Messbeginn.
„Der Rekord-Sommer 2018 hat gezeigt: Der Klimawandel ist real und seine Auswirkungen sind deutlich spürbar.
Mit der vorliegenden Studie, die der Klima- und Energiefonds in Auftrag gegeben hat, wurden fundierte Fakten geschaffen.
Nun brauchen wir konkrete Lösungen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Die Österreichische
Bundesregierung gibt dem Thema Klimaschutz große Bedeutung. Mit der Österreichischen Klima- und Energiestrategie
#mission2030 haben wir eine Grundlage geschaffen von der sich jetzt zahlreiche Maßnahmen und Strategien ableiten,
die in die richtige Richtung gehen. Wir müssen außerdem die politikübergreifende Zusammenarbeit
auf nationaler und auf europäischer Ebene im Bereich Klimaschutz stärken“, unterstreicht Nachhaltigkeitsministerin
Elisabeth Köstinger.
Hitze, Wetterextreme, Allergien: Klimawandel vor der Haustüre
„Mit dieser Meta-Studie ist Österreich europaweit Vorreiter: es ist der erste Sachstandsbericht, der systemübergreifende
Fakten in dieser Qualität und Tiefe liefert. Er verdeutlicht, dass wir uns in den nächsten Jahren auf
vier zentrale Bereiche konzentrieren müssen: Hitze, Allergien, Extremwetterereignisse und neue invasive Insektenarten.
Der Klima- und Energiefonds bereitet seit Jahren das Feld auf: durch Klimafolgenforschung wie ACRP schaffen wir
fundiertes Wissen, die KLAR-Modellregionen erarbeiten regional maßgeschneiderte Lösungen und mit unseren
Programmen treiben wir die Energie- und Mobilitätswende konsequent voran“, betont Ingmar Höbarth, Geschäftsführer
des Klima- und Energiefonds.
Laut dem Special Report des Austrian Panel on Climate Change (APCC) wird sich die Zahl der Hitzetage während
Hitzeepisoden bis Mitte des Jahrhunderts verdoppeln und trifft gleichzeitig auf eine ältere Gesellschaft,
die einen um 10% höheren Anteil an Personen über 65 Jahren aufweist. Aufgrund der wachsenden Zahl an
Tropennächten, in denen nicht ausreichend Abkühlung stattfindet, führen all diese Entwicklungen
insbesondere in dicht verbauten Gebieten zu stark erhöhten gesundheitliche Risiken. Im Zuge des Klimawandels
rechnen die ForscherInnen außerdem mit einer erhöhten Pollenbelastung insbesondere durch Ragweed (Traubenkraut,
Ambrosia). Bereits heute sind rund 1,75 Mio. und damit rund 20 % der ÖsterreicherInnen von allergischen Erkrankungen
betroffen. Folgt Österreich dem europäischen Trend, könnten das in den nächsten 10 Jahren 50%
werden. Auch finden künftig subtropische und tropische Stechmücken-Arten (z.B. Tigermücke und Buschmücke)
hierzulande bessere Überlebensbedingungen vor und erfordern eine Überwachung der Ausbreitung sowie der
Erkrankungen. Und nicht zuletzt werden extreme Niederschläge, länger andauernde Trockenheit oder heftigere
Stürme im Zuge des Klimawandels erwartet, was nicht nur hohe wirtschaftliche Kosten etwa durch Hochwasserschäden
oder Ernteausfälle verursacht, sondern auch lokale Auswirkungen auf die heimische Wasserqualität und
-verfügbarkeit hat.
Bildung, Ernährung, Bewegung: Jeder und jede Einzelne kann gesünder leben und dabei das Klima schützen
Um die Transformation unseres Gesamtsystems im Hinblick auf den Klimawandel gezielt voranzutreiben und die größtmögliche
Wirkung zu erzielen, ist es dem über 60-köpfigen ForscherInnenteam zufolge notwendig, Klima und Gesundheit
nicht getrennt voneinander, sondern systemübergreifend zu betrachten. „Sobald wir die Auswirkungen des Klimawandels
auf alle unsere Lebensbereiche erkennen, kann es gelingen, passende Maßnahmen sowohl auf politischer, wirtschaftlicher
und wissenschaftlicher Ebene zu identifizieren als auch deutlich zu machen, wie jeder und jede Einzelne von uns
bei einem klimatauglichen Leben unterstützt werden kann“, erklärt Willi Haas vom Institut für Soziale
Ökologie der Universität für Bodenkultur Wien und zentraler Studienautor. Der Special Report hat
entsprechend den Qualitätsstandards des APCC einen mehrstufigen Review-Prozess mit 30 ReviewerInnen und über
2000 Kommentaren durchlaufen, der vom CCCA organisiert wurde.
Neben dem Abschwächen der Klimafolgen für die Gesundheit kann auch gezielt die Vulnerabilität bzw.
Verletzlichkeit der Bevölkerung reduziert werden, in dem die klimaspezifische Gesundheitskompetenz von Gesundheitspersonal
und Bevölkerung gestärkt wird. Die Förderung von sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen,
insbesondere das Angleichen der Unterschiede zwischen Stadt und Land kann zudem dazu beitragen, das Anwachsen der
gesundheitlichen Ungleichheit durch Klimafolgen zu verhindern. Ziel muss es sein, die nötigen Bildungsangebote
bereit zu stellen, um es für alle Bevölkerungsschichten zu ermöglichen, sich über gesunde Lebensweisen
zu informieren.
Verhaltensänderungen z. B. in den Bereichen Ernährung oder Mobilität wirken sich sowohl positiv
auf das Klima als auch auf die Gesundheit aus. Eine gesündere Ernährung mit saisonalen und qualitativ
hochwertigen Lebensmitteln leistet auch einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz. Der Umstieg auf Elektromobilität
ist ein notwendiger Baustein, zusätzlich bietet es sich gerade in Städten an, auf öffentliche Verkehrsmittel
und aktive Mobilität zu setzen: Per Fahrrad oder zu Fuß unterwegs zu sein reduziert nicht nur Emissionen,
sondern führt vor allem zu mehr gesundheitsförderlicher Bewegung im Alltag.
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