Neue Fotografie Ausstellung im Kunst Haus Wien
Wien (rk) - Das Kunst Haus Wien, ein Museum der Wien Holding, widmet sich von 13. September 2018 bis 17.
Februar 2019 in der neuen umfassenden Themenausstellung „Stillleben. Eigensinn der Dinge“ einem Genre, das derzeit
in der zeitgenössischen Kunst wieder aufgegriffen und neu diskutiert wird: dem Stillleben. Die Präsentation
führt eindrücklich vor Augen, wie das 400 Jahre alte Genre gegenwärtig in der Kunst, insbesondere
in der Fotografie, einen regelrechten Hype erfährt.
Die Ausstellung präsentiert eine Auswahl an internationalen und österreichischen KünstlerInnen,
die an Bildtraditionen der Malerei anknüpfen und Bezüge zur Geschichte der modernen Fotografie herstellen.
Allerdings sind ihre Bilder weniger nostalgische Referenzen an ein aus der Kunst zwischenzeitlich verschwunden
geglaubtes Genre. Vielmehr arbeiten diese KünstlerInnen an einer „Neuerfindung der Fotografie“ (Rosalinde
Kraus), indem sie aus vordergründig antiquierten Stilen und Praktiken eine klare künstlerische Alternative
entwickeln.
Abgrenzung zu bestehenden Bildtraditionen
Die heute gängigen Überschneidungen von Kunst, Popkultur und Design haben eine Wiederannäherung
zwischen künstlerischen und angewandten Formen der Fotografie bewirkt und dabei das klassische Stillleben
und die Studiofotografie aus ihrem Nischendasein befreit. Die Ausstellung veranschaulicht die wichtigsten Linien
dieser Entwicklungen, in der Harun Farockis Film „Stillleben“ (1997) eine Schlüsselrolle einnimmt: Seine Arbeit
zeigt die Funktionen des historischen Stilllebens auf und zieht Parallelen zur gegenwärtigen Werbe- und Produktfotografie.
Tacita Dean bezieht sich in „Still Life“ (2009) auf die Kompositionsprinzipien eines sachlich-bildnerischen Stils
und dessen Fundierung in der Malerei, in dem sie sich im Atelier des bedeutendsten Stillleben-Malers des 20. Jahrhunderts
Girogio Morandi (1890-1946) auf Spurensuche begibt. Auf die Bezogenheit von Dingen auf den Menschen reflektiert
Sharon Lockhart explizit mit ihrer Arbeit „No-no Ikebana“ (2003) und zitiert die japanische Kunst des Blumenarrangierens.
Andrzej Steinbach hingegen fotografiert 2016 Kleidung mit Fetischcharakter wie eine Bomberjacke („Ordinary Stones“)
und kombiniert diese mit Bildern von Steinen als Verweis auf die Kolonialisierung subkultureller Kontexte.
Dingwelt der Gegenwart
Vor allem stellt die Ausstellung eine jüngere Generation von KünstlerInnen vor, die mit ihren Stillleben
völlig unverkrampft unsere Gegenwart spiegeln. Wie schon im historischen Stillleben fußen auch die neuen
Bilder auf einem Materialfundus, der Zeitgenossenschaft anzeigt. Anders als in der niederländischen Tradition
aber sind es heute nicht mehr Handelsbeziehungen, die sich über kostbare und exotische Güter vermitteln,
sondern die globalen Märkte mit Verweis auf den Massenkonsum demokratisierter oder elitärer Konsumwelten.
Lucie Stahl zum Beispiel oder Manuel Gorkiewicz setzen Müll und Trash genauso wie High Fashion – offensiv
und als Art ästhetischer Köder – ins Bild, womit es ihnen gelingt, das Abseitige und Unbewusste unserer
Warenwelt und ihre Zeitgeistigkeit an die Oberfläche zu schwemmen.
In einigen Bildern sind Dinge als „Spur“ zu sehen, die Rückschlüsse auf das reale Leben ihrer BesitzerInnen
oder der FotografInnen zulassen, wie bei Ketuta Alexi-Mekhishvilli oder Moyra Davey. In anderen Konzepten geraten
die Dinge durch streng formalisierte Sichten zu eigenen ästhetischen Zeichen, die auf nichts als auf sich
selbst zu verweisen scheinen, wie beispielsweise die bis ins Detail inszenierten Studiobilder von Annette Kelm,
oder die aus verschiedenen Perspektiven aufgenommenen Bildkompositionen von Barbara Probst.
Stillleben als Gegenentwurf zur Schnelllebigkeit?
Gleichzeitig stellt sich – in einem Moment, in dem unsere Bildkulturen im Umbruch sind und fotografische Bilder
die Sprache zu ersetzen beginnen – die Frage, ob die „neuen Stillleben“ als Gegenraum zu den schnelllebigen Bildwelten
unserer digitalen Gegenwart verstanden werden. Mit dem Stillleben verlangsamt sich das Sehen: Bildräume gelangen
zu einer Präsenz, die sich der Flüchtigkeit der ständig wechselnden Bilder entgegenstellt.
Die in der Ausstellung vertretenen Arbeiten verweisen auf die oft zufällige und sich wandelnde Erscheinung
der Dinge und auf die Offenheit ihrer Interpretierbarkeit. Damit widersetzen sich die Arbeiten dem Konzept einer
völligen Beherrschung des Bildes – oder gar einer Beherrschung von Information.
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