Mit Hilfe ausgeklügelter Experimente und Berechnungen der TU Wien ist es erstmals gelungen,
die Dauer des berühmten photoelektrischen Effekts zu messen.
Garching/Berlin/Wien (tu) - Es war eines der entscheidenden Experimente für die Quantenphysik: Wenn
Licht auf bestimmte Materialien fällt, werden Elektronen aus der Oberfläche herausgelöst. Albert
Einstein konnte dieses Phänomen 1905 erstmals erklären, indem er von „Lichtquanten“ sprach – den kleinsten
Einheiten des Lichts, die wir heute Photonen nennen.
In winzigen Sekundenbruchteilen absorbiert das Elektron ein Photon und „springt“ dabei in einen anderen Zustand,
in dem es die Oberfläche des Materials verlassen kann. Dieser „photoelektrische Effekt“ läuft so schnell
ab, dass man ihn bisher meist als instantan betrachtete – als plötzliche Zustandsänderung, von einem
Augenblick zum nächsten. Neue Messmethoden sind allerdings so präzise, dass es nun möglich wurde,
den Ablauf eines solchen Prozesses zu beobachten und seine Dauer genau zu vermessen. Ein Team der TU Wien ermittelte
gemeinsam mit Forschungsgruppen aus Garching, München und Berlin die Dauer der Quantensprünge von Elektronen
einer Wolfram-Oberfläche. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse nun im Fachjournal „Nature“.
Messen auf Attosekundenskala
Der photoelektrische Effekt spielt in vielen technischen Bereichen eine wichtige Rolle, etwa in Solarzellen oder
bei der Umwandlung von Daten aus dem Glasfaserkabel in elektrische Signale. Er ereignet sich auf eine Zeitskala
im Attosekundenbereich, das sind Milliardstel einer Milliardstelsekunde.
„Mit Hilfe ultrakurzer Laserpulse gelang es in den letzten Jahren, einen Einblick in den zeitlichen Ablauf solcher
Effekte zu bekommen“, erklärt Prof. Joachim Burgdörfer vom Institut für Theoretische Physik der
TU Wien. „Wir konnten etwa gemeinsam mit unseren Kollegen aus Deutschland den Zeitabstand zwischen verschiedenen
Quantensprüngen bestimmen und zeigen, dass unterschiedliche Quantensprünge unterschiedlich lange dauern.“
Allerdings konnte man bisher nur Zeitdifferenzen, nicht aber die absolute Zeitdauer ermitteln, weil es sehr schwer
ist, eine „Uhr“ zu finden, die exakt zu Beginn des Quantensprungs zu ticken beginnt. Genau das ist nun durch die
Kombination von mehreren Experimenten, Computersimulationen und theoretischen Berechnungen möglich geworden.
Drei atomare Uhren
Man musste daher Schritt für Schritt vorgehen: Um eine absolute, fest geeichte Vergleichsskala zu haben untersuchte
man zunächst Elektronen, die mit Hilfe von Lasern aus Helium-Atomen herausgerissen werden. „Das Helium-Atom
ist sehr einfach gebaut, daher kann man den zeitlichen Ablauf der Photoemission bei Helium-Atomen exakt berechnen.
Für kompliziertere Objekte, etwa Metalloberflächen, wäre das selbst mit den besten Supercomputern
der Welt nicht möglich“, erklärt Prof. Christoph Lemell.
Die Helium-Atome verwendete man daraufhin als Referenz-Uhr: In einem zweiten Experiment verglich man die Photoemission
von Helium und Iod und eichte so die „Iod-Uhr“. Im dritten und letzten Schritt konnte man dann schließlich
die Iod-Atome verwenden, um den tatsächlich gesuchten Effekt zu studieren – nämlich die Photoemission
von Elektronen aus einer Wolfram-Oberfläche. Man brachte die Iod-Atome auf Wolfram auf und beschoss die Oberfläche
mit ultrakurzen Laserpulsen – nun dienten die Iod-Atome als Referenz, mit der man die Photoemission aus der Wolfram-Oberfläche
messen konnte.
Man arbeitet dabei mit einem extrem kurzen Laserpuls mit hoher Energie. Er ist der Startschuss, mit dem der Prozess
beginnt. Daraufhin lösen sich die Elektronen von ihren Atomen und springen in einen frei beweglichen Quantenzustand
In dem sie die Materialoberfläche erreichen und aus dem Wolfram austreten können. „Bei Wolfram lässt
sich die Dauer dieses Vorgangs besonders gut untersuchen, weil sich dort die Grenzfläche des Materials besonders
genau definiert lässt“, erklärt Prof. Florian Libisch. „Die Wolfram-Oberfläche ist eine ausgezeichnete
Ziellinie für die Elektronen-Zeitmessung.“
Die Dauer des Photoemissions-Prozesses hängt vom Anfangszustand der Elektronen ab. Sie reichen von 100 Attosekunden
für Elektronen aus den inneren Schalen der Wolfram-Atome bis zu 45 Attosekunden für Leitungselektronen,
die im Mittel die Ziellinie schneller passieren. Die Messungen wurden am Max Planck Institut für Quantenoptik
in Garching (Deutschland) durchgeführt. Florian Libisch, Christoph Lemell und Joachim Burgdörfer von
der TU Wien waren für den theoretische Arbeiten und Computersimulationen zuständig.
Aber natürlich liegt das Ziel des Forschungsprojekts nicht alleine im Vermessen der Dauer eines Quanteneffekts.
„Es ist ein spannendes Forschungsgebiet, das ungeheuer viele neue Einblicke liefert – in die Oberflächenphysik,
aber auch in Elektronen-Transportvorgänge im Inneren von Materialien“, betont Joachim Burgdörfer. Es
gibt uns heute die Möglichkeit, wichtige physikalische Vorgänge mit einer Genauigkeit zu studieren, die
vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre.“
Originalpublikation: M. Ossiander
et al., Absolute timing of the photoelectric effect, Nature (2018).
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