Von 25. April 2018 – 20. Jänner 2019 im Wien Musuem
Wien (wienmuseum) - Den Auftakt der Jahrzehnteschau „Die 90er Jahre“ im Wien Museum MUSA machte der erste
Aufzug „Ein Wiener Diwan“ mit unterschiedlichen Positionen zu Themen wie Geschichte, Diversität, Umwelt, Vergangenheitsaufarbeitung
oder Xenophobie. Der zweite Aufzug „Subversive Imaginationen“ befasste sich mit letzten Tabus in der Kunst wie
etwa dem Kitsch, der nach seiner Wiederkehr in den 1980er Jahren zur stark genutzten Methode postmoderner Skepsis
aufstieg.
Im nun präsentierten dritten und abschließenden Teil der Gruppenausstellung liegt der Fokus unter anderem
auf dem „Betriebssystem“ der Kunst, dem Markt (Bernd Fasching: „Kunst bringt Kohle“), auf den sehr viel mobiler
agierenden KünstlerInnen und auf den entstehenden Gegenstrategien zu dominanten Institutionen.
Während im Wien der 1980er Jahre die klassische Galerie als White Cube dominierte, entwickelten sich in den
90er Jahren neue Formen der Präsentation und Vermittlung. Als Antwort auf härtere Marktstrategien und
den entfesselten Turbokapitalismus entfernten sich viele junge KünstlerInnen von der marktorientierten Galerienszene.
Alternative Off-Spaces und ProduzentInnen-Galerien entstanden, die durch Eigenregie der KünstlerInnen, Verschmelzung
mit der Musikszene und Einbindung künstlerischer Forschung zu einer neuen Erscheinungsform fanden. In der
späteren Galerienstraße Schleifmühlgasse entstand 1987 als erste „Cross over“-Galerie das „Trabant“
– eine Mischform aus Bar, Bildungseinrichtung und Ausstellungsraum. Arbeiten der dort gezeigten Künstlerinnen
und Künstler sowie Originalmobiliar bilden in der Ausstellung eine Reminiszenz an diesen Treffpunkt der Wiener
Avantgarde.
Zu den Neuerungen im örtlichen Betrieb gesellte sich ein neuer Nomadismus der Kunst. Vilém Flusser
hatte die Debatte darüber 1995 beim steirischen herbst in Graz eröffnet. Eine Steigerung internationaler
Stipendien, Artist-in-Residence-Programme und der Austausch von Projekten über das Internet förderten
diese Tendenz genauso wie die hohe Attraktivität der Wiener Kunstausbildungsstätten. Die Wiener Szene
internationalisierte sich zusehends. In der Sammlung des Wien Museum MUSA finden sich Arbeiten von KünstlerInnen
aus über 40 Ländern, die allesamt Teil des Kunstgeschehens im Wien der 1990er Jahre waren.
Die weltweite Debatte in den 90ern über „Virtual Reality“, Klone und Cyborgs verhandelten KünstlerInnen
wie Dieter Huber, Jutta Strohmeier oder Herwig Turk.
Auch Constanze Ruhm, Günther Selichar, Isa Rosenberger und das Künstlerduo Station Rose setzten sich
mit neuen Techniken und künstlichen Welten auseinander. Die Welt war sehr viel kleiner geworden und Willy
Puchner reiste mit seinen Pinguinobjekten „Sally & Joe“ rund um den Globus.
Nach der Neo-Geo-Bewegung der 80er Jahre bildete die geometrische Abstraktion erneut einen Nucleus, um den sich
zahlreiche KünstlerInnen scharten, wobei häufig Brücken zu Ironie und angewandter Kunst entstanden
oder eine wissenschaftliche Auseinandersetzung zugrunde lag. In Schichtgrafiken Helga Philipps oder räumlichen
Modellen Ernst Caramelles, bis hin zu Arbeiten von Gilbert Bretterbauer, Sabina Hörtner, Heimo Zobernig und
Esther Stocker behauptete sich die „Neue Geometrie“ neben dem Siegeszug der Neuen Medien als eine weitere Reaktion
gegen die am Markt gut verkäufliche Malerei.
Der Kunstmarkt als Direktiv oder als Konterpart zu einer widerständig orientierten Kunstszene wurde jedoch
zunehmend bestimmend, was sich bis heute fortsetzen sollte.
Mit Werken von…
Christiane Adrian-Engländer, art: phalanx, Christl Bolterauer, Gilbert Bretterbauer,
Rosa Brueckl/Gregor Schmoll, Max Bühlmann, Ernst Caramelle, Bernhard Cella, Magda Csutak, Josef Dabernig,
Inge Dick, Evelyne Egerer, Manfred Erjautz, Bernd Fasching, Herbert Flois, Magdalena Frey, Peter Friedl, Hilde
Fuchs, Jakob Gasteiger, Franz Graf, Elisabeth Grübl, Manfred Grübl, Maria Hahnenkamp, Lotte Hendrich-Hassmann,
Christoph Hinterhuber, Kurt Hofstetter, Barbara Höller, Sabina Hörtner, Edgar Honetschläger, Dieter
Huber, Ulrike Johannsen, Birgit Jürgenssen, Angelika Kaufmann, Udo Klapf, Karl-Heinz Klopf, Peter Kogler,
Hans Kupelwieser, Sigrid Kurz, Brigitte Lang, Sonja Lixl, Claudia Märzendorfer, Felix Malnig, Katarina Matiasek,
Helga Philipp, Walter Pichler, Tobias Pils, Willy Puchner, Helmut Rainer, Wolfgang Reichmann, Lois Renner, Gerwald
Rockenschaub, Isa Rosenberger, Constanze Ruhm, Peter Sandbichler, Hans Schabus, Manfred Schluderbacher, Ruth Schnell,
Werner Schrödl, Günther Selichar, Station Rose, Christian Stock, Esther Stocker, Andrea van der Straeten,
Karl-Heinz Ströhle, Jutta Strohmaier, Gerold Tagwerker, Rini Tandon, Josef Trattner, Herwig Turk, Franz Vana,
Matta Wagnest, Josef Wais, Walter Weer, Peter Weibel, Hans Weigand, Franz West, Gerlinde Wurth, Klaus Dieter Zimmer,
Otto Zitko, Heimo Zobernig, Leo Zogmayer
Die 90er Jahre – Eine Ausstellung in drei Aufzügen
25. April 2018 – 20. Jänner 2019
1. Aufzug – Ein Wiener Diwan
25. April – 1. Juli 2018
2. Aufzug – Subversive Imaginationen
12. Juli – 30. September 2018
3. Aufzug – Mobile Kunst im mobilen Markt
11. Oktober 2018 – 20. Jänner 2019
Zeit des Umbruchs in Europa – der Eiserne Vorhang war gefallen, der Kalte Krieg vorüber. Die Globalisierung
schritt rapide voran und rückte Wien näher an das internationale Geschehen. Die Kunst spiegelte diese
Situation in exemplarischer
Weise wieder, Wien avancierte zum Mittelpunkt einer sich nach Osten öffnenden europäischen Kulturszene.
So klar sich die 1990er Jahre jedoch durch politische Ereignisse eingrenzen lassen, so schwierig gestaltet sich
die Charakterisierung der Kunst dieser Zeit in Hinblick auf stilistische Strömungen. Herausragende Entwicklungen
im Bereich der bildenden Kunst äußerten sich weniger in Gruppierungen und
markanten stilbildenden Formulierungen, sondern eher in Spitzenleistungen vieler Einzelpositionen. Diversität
in allen künstlerischen Medien erwies sich als wesentliches Merkmal des Jahrzehnts.
Infolge des neuen Bewusstseins, inmitten eines nun etwas freieren Europas zu leben, blühte die Wiener Szene
auf. Auch wichtige institutionelle Impulse, wie die Eröffnung der Kunsthalle Wien 1992, der neuen Ausstellungshalle
der Generali Foundation 1995 oder die Vorbereitungsarbeiten für die Eröffnung des Museumsquartiers, waren
hierfür maßgeblich.
Die Ausstellung „Die 90er Jahre“ gibt im Wien Museum MUSA mittels verschiedenster Ausdrucksformen – wie etwa Malerei,
Skulptur, Fotografie, Performance- oder Videokunst – einen umfassenden Überblick über die spannenden
und vielschichtigen Positionen, die sich in einem neu vernetzten und internationalisierten Umfeld entwickeln konnten.
Bedingt durch den besonders qualitätsvollen und umfangreichen Bestand an Kunstwerken aus dieser Zeit werden
„Die 90er Jahre“ in drei aufeinander folgenden Aufzügen mit insgesamt 255 Werken von 245 KünstlerInnen
präsentiert. Somit kann der Überblick über die zu erwartenden Positionen der „Künstlerstars“
hinaus auch auf weniger bekannte KünstlerInnen von oft gleich hoher Qualität ausgedehnt und ein Panorama
der damaligen Wiener Kunstszene in noch nie dagewesener Breite gezeigt werden.
Mit der Ausstellung „Die 90er Jahre" umfasst die Reihe der Jahrzehnteausstellungen, die einen Querschnitt
durch eine der größten Sammlungen zeitgenössischer Kunst Österreichs darstellt, nun schon
ein halbes Jahrhundert. Wie bereits bei den vorangegangenen Sammlungspräsentationen des MUSA, erscheint ein
umfassender Katalog mit ca. 1000 Abbildungen und liefert damit das umfangreichste Material zur Kunst der „90er"
in Österreich. Hochrangige AutorInnen wie Dieter Bogner, Wolfgang Drechsler, Marie Röbl, Petra Unger
u.a.m. bearbeiten darin in ihren Beiträgen Aspekte der „Neue Reduktion“, der Malerei, der Fotografie- sowie
der Queer- und Genderthematik.
KuratorInnen | Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Berthold Ecker
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