„Die Frage der Löhne muss aus
 der Tabuzone geholt werden“

 

erstellt am
19. 09. 18
13:00 MEZ

Landesfrauenreferentinnenkonferenz in Tirol: LRin Fischer fordert Weiterentwicklung der Einkommensberichte
Salzburg/Innsbruck (lk) - Fragen der Gleichstellung in ihren verschiedensten Facetten standen im Zentrum der am 19. September stattfindenden Landesfrauenreferentinnenkonferenz in Salzburg. „Das Thema Gleichstellung auf allen Ebenen hat höchste Priorität. Es geht um Chancengleichheit, Lohn- und Pensionsgerechtigkeit, Wertschätzung unbezahlter Arbeit, politische Partizipation bis hin zu Frauen in den obersten Hierarchieebenen. In all diesen Bereichen ist noch viel zu tun“, betont Tirols Frauenlandesrätin Gabriele Fischer.

Am augenscheinlichsten werden die Geschlechterunterschiede am Lohnzettel: „Frauen verdienen um 21 Prozent weniger als Männer. Ein Blick auf die Auswertungen des Gender Pay Gap zeigt, dass Österreich mit 21,7 Prozent im Vergleich zum EU-Durchschnitt von 16,3 Prozent schlecht abschneidet. Dies ist nicht nur, aber mitunter auch auf die hohe Teilzeitbeschäftigung von Frauen zurückzuführen. Doch auch um gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit zu erreichen, besteht immer noch Handlungsbedarf“, ist LRin Fischer überzeugt. Eine wichtige Maßnahme in diesem Zusammenhang sind Einkommensberichte. Die gesetzliche Grundlage dafür wurde 2011 geschaffen und wirkt bestehenden Lohndiskriminierungen durch Transparenz entgegen. „Damit kann das Thema Gehalt aus der Tabuzone geholt werden“, erläutert LRin Fischer. Es zeige sich, dass in immer mehr Unternehmen bereits Konsequenzen aus den Einkommensberichten gezogen und Maßnahmen gegen Lohndiskriminierung entwickelt und umgesetzt werden. „Jetzt geht es darum, die Wirkung der Einkommensberichte zu erhöhen, um eine nachhaltigen Reduktion geschlechterspezifischer Gehaltsunterschiede zu erzielen“, gibt LRin Fischer die Richtung vor. Aus diesem Grund sei ein gesetzlich verpflichtender, betriebsinterner Austausch zu den Ergebnissen der jeweiligen Einkommensberichte und eine gemeinsame Auseinandersetzung zwischen Arbeitgebern und Betriebsrat vonnöten. Darüber hinaus fordert Tirols Frauenlandesrätin die Einrichtung einer Stabsstelle auf Bundesebene, die die Einkommensberichte regelmäßig stichprobenartig prüft, evaluiert und daraus maßgeschneiderte Maßnahmen in Form von Aktionsplänen zur Verringerung der Einkommensschere entwickelt. „Diese Stabsstelle könnte auch die Betriebe bei der Berichtslegung, Umsetzung und Entwicklung von Maßnahmen beraten“, schlägt LRin Fischer vor.

Keine Arbeitszeitflexibilisierung auf Kosten von Frauen und Müttern
Doch nicht nur das Thema Entlohnung ist ein maßgeblicher Faktor in der Gleichstellung. „Sowohl am Arbeitsmarkt, aber vor allem auch bei der Haus- und Pflegearbeit besteht Handlungsbedarf“, ist LRin Fischer überzeugt, die in der Flexibilisierung der Arbeitszeitgesetze und der Anhebung der regulären Grenzen der Gesamtarbeitszeit auf 12 Stunden täglich bzw. 60 Stunden wöchentlich einen Rückschritt bei der Beteiligung von Männern an der Arbeit im Haushalt und an den Betreuungspflichten befürchtet: „Wenn die männlichen Arbeitnehmer künftig im Beruf zeitlich flexibler sein müssen, so geht dies auf Kosten der unbezahlten Familienarbeit, die ohnehin zu einem Großteil von Frauen erledigt wird und infolge auch auf Kosten der Erwerbstätigkeit von Frauen“, stellt LRin Fischer klar. Um diese Tendenz abzufedern, seien entsprechend flexible institutionelle Angebote wie ganztägige Kinderkrippen und Kindergärten, Schulen bzw. Angebote der Nachmittagsbetreuung auszubauen. „Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten darf nicht auf Kosten von Frauen und Müttern gehen!“, verlangt LRin Fischer und fordert daher einen Bericht, wie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben im Zuge der aktuellen Arbeitszeitflexibilisierung berücksichtigt wird. Gleichzeitig bedürfe es eines begleitenden Monitorings der Auswirkungen der Arbeitszeitflexibilisierung auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen.

Weiterentwicklung der Aktionspläne zur Gleichstellungspolitik
Um Gleichstellungspolitik im Allgemeinen besser zu verankern, fordern sämtliche Frauenlandesrätinnen der Bundesländer eine Fortschreibung und Weiterentwicklung von bundesweiten Aktionsplänen unter Einbeziehung der Länder. „Es gibt immer noch gravierende Unterschiede und ungleiche Chancen zwischen Frauen und Männern – sei es bei der Berufswahl, bei der Gründung einer Familie oder beim Aus- und Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt“, zeigt LRin Fischer auf, denn: „Die bereits existierende rechtliche Gleichstellung ist keinesfalls gleichbedeutend mit faktischer Gleichstellung“. Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene gibt es klare Vorgaben, um diese faktische Gleichstellung der Geschlechter zu beschleunigen: In Österreich wurden dazu Aktionspläne wie jener zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt, zur Frauengesundheit, zum Schutz von Frauen vor Gewalt, zur Bekämpfung des Menschenhandels sowie zur Behinderung erstellt. „Etliche dieser Aktionspläne sind bereits abgelaufen oder werden demnächst auslaufen. Auch fehlt eine Gesamtkoordination dieser Maßnahmen“, kritisiert LRin Fischer. Aus diesem Grund sei ein klares Bekenntnis zur Gleichstellungspolitik und zur Fortsetzung des eingeschlagenen Wegs dringend notwendig.

Absicherung von Frauen- und Mädchenberatungsstellen
Die von Bund und Ländern geförderten Frauen- und Mädchenberatungsstellen stehen österreichweit jährlich über 100.000 rat- und hilfesuchende Frauen und Mädchen in unterschiedlichen Lebenslagen zur Seite. „Sie bieten seit Jahrzehnten wertvolle, kompetente und niederschwellige Beratungsleistungen“, betont LRin Fischer. Die steigende Nachfrage und die Vielfalt der Anliegen, aber auch die steigenden Personal- und Sachkosten wie etwa Mieten stellen die Beratungsstellen immer mehr vor finanzielle Herausforderungen. „Die Basisförderung durch den Bund wurde jedoch seit Jahren nicht angehoben“, zeigt LRin Fischer auf und fordert seitens des Bundes ein Bekenntnis für eine dauerhafte und kontinuierliche Finanzierungsbasis. Gleichzeitig solle der Ausbau dieser Frauen- und Mädchenberatungsstellen sowie Frauenservicestellen in bisher unzureichend versorgten Gebieten vorangetrieben werden. „Mir ist besonders wichtig, dass Angebote der Frauen- und Mädchenberatung nicht mit jenen der Familienberatung in einen Topf geworfen werden, da letztere nur einen Teil der Lebensrealitäten von Frauen und Mädchen abdecken. Spezifische Angebote, die ihren Blick ganzheitlich und parteilich auf Frauen und Mädchen richten, sind notwendig“, so LRin Fischer abschließend.

 

 

 

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