Meldesystem und österreichweite Versandsperre bei Verstoß. Plattformen als "Distributoren"
in die Pflicht nehmen. 5 Maßnahmen für fairen Wettbewerb zeitnah umsetzen.
Wien (handeslverband) - Die digitale Wirtschaft braucht dringend klare gesetzliche Rahmenbedingungen und
eine lückenlose steuerliche Erfassung, um den Steuervorteil gegenüber der traditionellen Wirtschaft auszugleichen.
"Der internationale E-Commerce darf nicht länger und damit meinen wir auch nicht bis 2021 als Steuerparadies
für Online-Händler aus Drittstaaten instrumentalisiert werden", sagt Handelsverband- Geschäftsführer
Rainer Will.
Schwerpunktkontrollen und Planquadrate, um auf einen Schlag tausenden Pakete zu kontrollieren, wären eine
gute Zwischenlösung. Sie lösen das Problem jedoch weder strukturiert noch flächendeckend. Der Handelsverband
plädiert daher für eine "Aktion scharf" gegen die vorsätzlichen Steuersünder: "Jedes
Unternehmen, das bei einer Stichproben-Kontrolle beim Einfuhrumsatzsteuer-Betrug erwischt wird, sollte für
den Versand gesperrt und bestraft werden. Das hat eine abschreckende Wirkung für Drittstaat-Händler,
die sich auf Kosten heimischer Konsumenten und Händler bereichern. Die Zeit des Wegschauens und Vertröstens
muss vorbei sein", so Will.
Konkret fordert der Handelsverband folgende Konsequenzen für überführte Unternehmen:
- Erfassung jeder Sendung durch ein EU-Versandmeldesystem;
- Bei Verstoß sofortige Verkaufssperre eines Händlers
für den österreichischen Markt sowie unmittelbare Meldung an die EU-Finanzbehörden;
- Einleitung eines Finanzstrafverfahrens wegen Steuerhinterziehung;
- Einhebung der nicht entrichteten Steuerschuld zuzüglich
einer EU-Zoll- bzw. Steuerpönale.
Handlungsbedarf besteht vor dem Hintergrund illegaler Steuerumgehung insbesondere asiatischer Handelsplattformen,
die ihre Pakete im Cross-Border-Handel fast gänzlich zoll- und mehrwertsteuerfrei in die EU schleusen. Das
Schadensausmaß durch entgangene Umsatzsteuerzahlungen liegt hierfür in Österreich bei mehreren
hundert Millionen Euro und europaweit bei mindestens 7 Mrd. Euro.
Auf lange Sicht empfiehlt der Handelsverband auch vor dem Hintergrund der steuerlichen Ungleichbehandlung von
Old Economy und Digital Economy (erstere zahlen im europäischen Schnitt 23 Prozent an Steuern, digitale Großkonzerne
liefern hingegen im EU-Schnitt nur neun Prozent an den Fiskus ab) fünf Hebeln, die für den heimischen
Handel überlebenswichtig sind:
Maßnahme 1: Versteuerung & digitale Verzollung ab dem ersten Cent bei Einzelpaketversand in die EU
Die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung bis 22 Euro sowie die Zollfreigrenze bis 150 Euro sollte so rasch wie möglich
abgeschafft werden, um auch asiatische Online-Händler besteuern zu können. Angesichts jährlicher
Wachstumsraten von 20 Prozent im chinesischen Cross-Border-Handel kommt die von der EU geplante Abschaffung Anfang
2021 leider viel zu spät. Weiters braucht es eine digitale Verzollung mit Vorab-Versandmeldungen nach Schweizer
Vorbild. Ein derartiges unbürokratisches und europaweit einheitliches Versandmeldesystem wäre auch bei
wenig Personalressourcen in den Zollbehörden umsetzbar. Auch die von der Initiative Wirtschaftsstandort Oberösterreich
(IWS) vorgeschlagene EU-IT-Plattform könnte Abhilfe schaffen.
Maßnahme 2: Einführung einer Bearbeitungsgebühr für Sendungen aus Drittstaaten
Die Einführung einer digitalen Verzollung geht Hand in Hand mit der Einführung einer Bearbeitungsgebühr
für Sendungen aus Drittstaaten, beispielsweise in Höhe von 6 Euro. Deutschland und Schweden haben eine
derartige Vergebührung bereits angedacht, denn angesichts der stetig steigenden Paketvolumina ist eine Einzelpaketprüfung
durch die Zollbeamten heute de facto unmöglich.
Maßnahme 3: EU-weit einheitliche Konditionen bei pauschaler Palettenverzollung
Aktuell haben in der Europäischen Union drei Länder (Großbritannien, Tschechien und die Niederlande)
extrem günstige Konditionen bei der Verzollung von Paletten aus Asien. Das ist unfair und sollte künftig
europaweit einheitlich gestaltet sein, um eine drohenden Abwärts-Spirale zu verhindern.
Maßnahme 4: Online-Marktplätze zur Verantwortung ziehen
Für Versandhandelslieferungen aus dem Drittland in das Gemeinschaftsgebiet gelten aufgrund beschlossener
Änderungen der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie neue Regeln: Ab 1.1.2021 wird Online-Markplätzen die Verantwortung
dafür übertragen, die fällige Mehrwertsteuer abzuführen. Für den Zeitraum bis 1.1.2021
muss eine Zwischenlösung gefunden werden. In Großbritannien werden die Marktplätze bereits seit
knapp zwei Jahren direkt zur Verantwortung gezogen, wodurch die britischen Behörden schätzungsweise Mehreinnahmen
von einer Milliarde Pfund pro Jahr lukriert haben.
In Deutschland wiederum führten sogenannte Auskunftsersuchen der Berliner Steuerfahndung dazu, dass etwa
Amazon mehr als 500 verdächtige chinesische Händler ohne Steuernummer von seinem Marketplace ausschloss.
Durch diese Maßnahmen hat sich die Zahl der in der Bundesrepublik gemeldeten Händler aus China seit
Mai 2017 verdoppelt. Zuletzt hat die deutsche Bundesregierung mit dem Gesetzesentwurf zur "Haftung von elektronischen
Marktplätzen" einen wichtigen Schritt zur Hintanhaltung von Umsatzsteuerbetrug durch Händler auf
Online-Marktplätzen gesetzt. Auch wenn die Durchsetzung von Haftungsansprüchen bei Einführung einer
ähnlichen Regelung in Österreich mangels inländischer Präsenzen der großen Marktplatzanbieter
schwierig ist, müssen diese auch in Österreich sofort zur Verantwortung gezogen werden.
Maßnahme 5: Einführung der virtuellen Betriebsstätte
Durch die von der Bundesregierung und der EU-Kommission bereits angekündigte Einführung des Konzepts
der digitalen oder virtuellen Betriebsstätte sollen künftig auch eCommerce-Plattformen ohne physische
Präsenz in Österreich besteuert und damit die Körperschaftssteuervermeidung durch Digitalkonzerne
gestoppt werden. Gerade bei der Ertragsbesteuerung ist ein nationaler Alleingang jedoch nicht unproblematisch,
weshalb hier ein internationaler Schulterschluss zumindest auf OECD-Ebene zielführend ist.
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