Aussprache über aktuelle Fragen im Landesverteidigungsausschuss des Nationalrats
Wien (pk) - Verteidigungsminister Mario Kunasek drängt darauf, die Frage der künftigen Luftraumüberwachung
Österreichs bis Jahresende zu klären. Der Ende Juni fertiggestellte Bericht der Evaluierungskommission
des Heeres liege derzeit bei den Regierungskoordinatoren Gernot Blümel und Norbert Hofer. Nun gehe es darum,
ergänzend zur militärischen Komponente weitere Expertisen einzuholen und auf Regierungsebene eine Entscheidung
zu treffen, sagte er am 17. September bei einer Aussprache über aktuelle Fragen mit den Mitgliedern des Landesverteidigungsausschusses
des Nationalrats. Unter anderem gelte es auch, "den Finanzminister ins Boot zu holen". Wichtig ist Kunasek
eine Entscheidung auf Basis von "Daten, Fakten und Zahlen", und zwar ohne Emotionen, deshalb wolle er
die Diskussion in der Öffentlichkeit auch "flach halten".
Weitere Themen der Aussprache waren u.a. die allgemeine budgetäre Situation beim Heer, laufende Beschaffungen,
die neue Heeresgliederung sowie die aktuellen Assistenzeinsätze. Kunasek drückte außerdem nochmals
sein Bedauern über das Bootsunglück auf der Donau im Rahmen des "Girls Camp" des Bundesheeres
aus. Die beiden schwerverletzten jungen Frauen befinden sich ihm zufolge nach wie vor in unverändert kritischem
Zustand. Erste Untersuchungsergebnisse zeigen laut Kunasek, dass mehrere Faktoren unglücklich zusammengetroffen
sein dürften, einen Endbericht erwartet er für Ende Oktober.
Zu Beginn der Sitzung nahm Ausschussvorsitzender Reinhard Eugen Bösch (FPÖ) nochmals zu seinen umstrittenen
Ausführungen über Flüchtlingszentren in Nordafrika Stellung. Er sei richtig zitiert, aber falsch
interpretiert worden, erklärte er. Es sei nie um Krieg oder Eroberung gegangen, sondern um die Versorgung
von Flüchtlingen vor den Toren Europas. Europa müsse sich ernsthaft Gedanken darüber machen, wie
es seine Außengrenzen schütze. Er habe "vielleicht etwas forsch formuliert", meinte Bösch,
es sei aber keineswegs seine Absicht gewesen, aggressive Töne anzuschlagen.
Opposition mahnt Informationen über Zukunft der Eurofighter ein
Die Opposition forderte von Kunasek unter anderem genauere Informationen über die Zukunft der Eurofighter
ein. Auch die SPÖ sehe die Notwendigkeit einer raschen Entscheidung, sagte Rudolf Plessl (SPÖ) und drängte
darauf, seine Partei einzubinden. Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) kritisierte, dass Kunasek das zu Beginn
seiner Amtszeit gemachte Versprechen größtmöglicher Transparenz bislang nicht eingelöst habe.
Das Parlament habe ein Recht auf Auskunft, bekräftigte auch Peter Pilz (PILZ).
Pilz hält es darüber hinaus für dringend geboten, den Ausschluss von Airbus und Eurofighter von
Vergabeverfahren des Heeres zu prüfen. Da auch hohe Manager des Unternehmens unter Betrugsverdacht stünden,
ist seiner Meinung nach dessen Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben. Zudem gefährde man Rückforderungen
des Staates gegenüber Airbus, wenn man mit dem Unternehmen wieder Geschäfte mache. Das gelte auch für
einen etwaigen Kauf von "Eurocoptern" im Zuge der Beschaffung einer neuen Hubschrauberflotte.
Weiters von den MandatarInnen angesprochen wurden anstehende Investitionen beim Heer, die Zukunft einzelner Kasernen,
die Ergebnisse des EU-Verteidigungsministerrats, die geplanten "Sicherheitsinseln", die Katastrophen-
und Assistenzeinsätze des Heeres und die Auswirkungen der BVT-Affäre auf die militärischen Geheimdienste.
Zudem erkundigten sich die Abgeordneten u.a. nach aktuellen Migrationsströmen und die Zukunft des Militärgymnasiums
in Wiener Neustadt.
Massiver "Investitionstau" beim Heer
Verteidigungsminister Mario Kunasek informierte die Abgeordneten unter anderem über die geplante Anschaffung
12 neuer leichter Hubschrauber, drei weiterer Black-Hawk-Hubschrauber und 64 Lkw sowie weiterer Fahrzeuge zur Verbesserung
der Mobilität des Heeres. Er erwartet sich von diesen Beschaffungspaketen eine Verbesserung der Einsatzbereitschaft
des Heeres. Zudem ist auch die Beschaffung von Drohnen geplant.
Insgesamt ortet Kunasek einen Investitionsstau von 3 Mrd. € beim Heer. Mit dem Doppelbudget 2018/19 habe man zwar
begonnen, diesen Stau abzubauen, weitere Investitionen seien allerdings notwendig. In diesem Sinn werde ab 2020
frisches Geld benötigt. Dem pflichtete auch der neue Generalstabschef Robert Brieger bei. Das Bundesheer müsse
wieder in die Lage versetzt werden, seinem Verfassungsauftrag zur Landesverteidigung nachzukommen. Dazu brauche
es weitere Finanzmittel.
Ausschluss von Airbus von Vergabeverfahren des Heeres nicht möglich
Dass er den Bericht der Evaluierungskommission zur Frage der Zukunft der Eurofighter und der Luftraumüberwachung
insgesamt nicht veröffentlicht bzw. den Abgeordneten nicht zur Verfügung stellt, begründete Kunasek
damit, dass die Regierung mitten in der Entscheidungsfindung stehe. Schließlich entscheide das Verteidigungsministerium
nicht alleine über diese Frage. Der Bericht sei daher lediglich als Zwischenbericht zu verstehen. Die Kommission
hat laut Kunasek jedenfalls keine politischen Vorgaben gehabt und ergebnisoffen gearbeitet. Ihre Aufgabe sei es
gewesen, mögliche Varianten zu erarbeiten.
Konkrete Angebote für die Nachfolge der Saab-Flugzeuge bzw. einen etwaigen Ersatz für die Eurofighter
liegen laut Auskunft eines Vertreters des Ressorts nicht vor, da auch noch keine Typenentscheidung getroffen wurde.
Ihm zufolge wird es allerdings kaum möglich sein, Airbus bzw. Eurofighter von einem etwaigen Bieterverfahren
auszuschließen. Schließlich sei der in den einschlägigen Vergabegesetzen verankerte Begriff der
Zuverlässigkeit gemäß der den Gesetzen zugrundeliegenden EU-Richtlinie auszulegen. Demnach brauche
es eine einschlägige rechtskräftige Verurteilung der obersten Manager eines Unternehmens, um dessen mangelnde
Zuverlässigkeit zu begründen. Bei einem unzulässigen Ausschluss riskiere Österreich nicht nur
eine Verzögerung des Ausschreibungsverfahrens, sondern auch Pönalzahlungen, wie auch die Finanzprokuratur
bestätigt habe.
Unabhängig von dieser Frage bekannte sich Kunasek jedoch ausdrücklich zur laufenden Klage gegen Eurofighter.
Man werde alles tun, um den Schaden für den Steuerzahler zu verringern, sagte er.
|
860 Soldaten im Auslandseinsatz, 817 im Assistenzeinsatz an der Grenze
Die Zahl der derzeit bei Auslandseinsätzen befindlichen Soldaten bezifferte Kunasek mit 860. Österreich
stelle damit das zweitgrößte Kontingent aller EU-Länder im Verhältnis zu seiner Größe.
Zusätzlich würden 464 Soldaten in einsatzähnlicher Verwendung als Reserve gehalten. Schwerpunkte
der Auslandseinsätze sind nach wie vor der Westbalkan mit 411 Soldaten im Kosovo und 198 in Bosnien-Herzegowina
sowie der Libanon mit 182 Soldaten.
Im Assistenzeinsatz an der Grenze sind laut Kunasek aktuell 817 Soldaten tätig, davon 419 im Burgenland, 120
in Kärnten, 158 in der Steiermark und 120 in Tirol. Im Zuge dieser Einsätze sind heuer bislang 673 Aufgriffe
erfolgt: 62 im Burgenland, 10 in der Steiermark, 537 in Tirol und 64 in Kärnten. Zudem geht der Minister von
einer abschreckenden Wirkung für Schlepper aus. Die Kosten für den Grenzeinsatz betragen 49 Mio. € pro
Jahr, davon 40 Mio. € für Personal und 9 Mio. € für Beschaffungen und Geräte.
Neben dem Assistenzeinsatz an der Grenze leisten weitere 112 Soldaten einen Assistenzeinsatz zur Botschaftsbewachung.
Dieser Einsatz sei allerdings mit Ende des Jahres befristet, bestätigte Kunasek gegenüber Abgeordneter
Angela Lueger (SPÖ). Die Kosten von 3 Mio. € für das zweite Halbjahr 2018 trage das Innenministerium.
Neues Militärdienstrecht soll Attraktivität des Heeres sicherstellen
Ziel der neuen Heeresgliederung ist laut Kunasek eine Straffung der Kommando- und Führungsstrukturen. Nach
der Umsetzung der entsprechenden Pläne ist ihm zufolge eine Reorganisation der Zentralstelle in Aussicht genommen.
Zudem strebt der Verteidigungsminister ein neues Militärdienstrecht an. Damit will er sicherstellen, dass
das Bundesheer ein attraktiver Arbeitgeber bleibt. Das sei auch im Regierungsprogramm verankert. Als erster Schritt
wurde eine Projektarbeitsgruppe eingesetzt.
Dem Büro des Generalsekretärs werden laut einem Ressortvertreter sieben Personen zugeordnet sein. Dazu
kommen drei Personen, die in einem eigenen Datenschutzreferat für die Umsetzung des neuen Datenschutzrechts
verantwortlich sind. Auf Anfrage von FPÖ-Abgeordnetem Alois Kainz berichtete Kunasek außerdem von den
Bemühungen des Ressorts, zusätzliche Hubschrauberpiloten zu rekrutieren.
Als Schwerpunktthemen des jüngsten Verteidigungsministerrates der EU nannte Kunasek gegenüber Michael
Hammer und Karl Mahrer (beide ÖVP) den Westbalkan sowie den Schutz der Außengrenzen der Europäischen
Union. Man sei, was die zivil-militärische Zusammenarbeit beim Grenzschutz betrifft, ein Stück weitergekommen,
sagte er. Die Kosten des EU-Ratsvorsitzes bezifferte der Minister für seinen Bereich mit 9,2 Mio. € inklusive
Luftraumüberwachung.
Derzeit keine Kasernenschließungen geplant
Das Konzept der geplanten 12 Sicherheitsinseln wurde von Generalstabschef Brieger erläutert. Es gehe darum,
ausgewählte Kasernenstandorte autark zu machen, wobei in einem ersten Schritt das Ziel im Vordergrund stehe,
die Truppe 14 Tage versorgen zu können. In einem zweiten Schritt will man auch eine Grundversorgung für
Blaulichtorganisationen und eventuell eine gewisse medizinische Grundversorgung für die Bevölkerung gewährleisten
können. Ausschlaggebend für die Auswahl der Kasernen waren laut Kunasek nicht zuletzt die Verkehrsanbindung,
die Lage und bereits vorhandene Infrastruktur.
Kasernenschließungen sind aktuell nicht geplant, wie Kunasek bekräftigte. "Ich bin kein Zusperrminister."
Auch zum Großprojekt Kaserne Villach bekannte er sich grundsätzlich. Allerdings würden die benötigten
90 Mio. € derzeit den budgetären Rahmen sprengen.
Wieder mehr Übungen im freien Gelände
Von Maurice Androsch (SPÖ) auf den Truppenübungsplatz Allentsteig angesprochen, sagte Kunasek, es brauche,
ergänzend zu gut ausgestatteten Truppenübungsplätzen, auch wieder mehr Übungen im freien Gelände.
Das Bundesheer müsse wieder sichtbarer werden. Ein besonderes Anliegen ist ihm auch die Versorgung der Kasernen
mit hochwertigen regionalen Lebensmitteln, wie er gegenüber Abgeordnetem Manfred Hofinger (ÖVP) versicherte.
Als Unterstützung bei Katastrophen waren bisher heuer 242 Soldaten mit 1.500 Mann-Tagen und 17.000 Mann-Stunden
im Einsatz, hielt Kunasek in Antwort auf eine Frage von Christian Hafenecker (FPÖ) fest. 2017 waren es 562
Soldaten mit 8.262 Mann-Tagen und 93.000 Mann-Stunden gewesen. Dazu kommen 2018 394 und 2017 226 Flugstunden. Der
Entminungsdienst hatte 2018 bislang 731 Einsätze und im Jahr 2017 1.067 Einsätze zu verzeichnen.
Keine negativen Auswirkungen der BVT-Affäre auf die Heeresnachrichtendienste
Negative Auswirkungen der BVT-Affäre auf die Arbeit der beiden Heeresnachrichtendienste gibt es Kunasek zufolge
nicht. Die beiden Leiter des Heeresnachrichtenamtes und des Heeresabwehramtes hätten ihm bestätigt, dass
die internationale Zusammenarbeit durch die Vorkommnisse nicht gelitten habe. Es sei zu keinerlei Einschränkungen
beim Informationsaustausch gekommen.
Die Ankunft von Flüchtlingen in der EU hat sich, wie Kunasek gegenüber Abgeordnetem Axel Kassegger (FPÖ)
bekanntgab, wie folgt entwickelt: Über die östliche Mittelmeerroute sind 2018 bisher 28.100 Flüchtlinge
in die EU gelangt (+81%), über die westliche Mittelmeerroute 32.000 (+112%) und über die zentrale Mittelmeerroute
19.300 (-80%).
Neustart für Militärgymnasium Wiener Neustadt
Wiederbeleben möchte Kunasek das Militärgymnasium Wiener Neustadt, die Planungen für das "Leuchtturmprojekt"
laufen demnach auf Hochtouren. "Wir wollen diese Sicherheitsschule wieder haben." Konkret strebt Kunasek
bereits für das Schuljahr 2019/20 zwei Regelschulklassen an.
Was das Bootsunglück auf der Donau betrifft, wies Kunasek darauf hin, dass es bis dato noch nie gelungen sei,
ein Boot wie das gekenterte zum Kippen zu bringen. Als nachteilig wirkten sich im vorliegenden Fall außerdem
die neuen Schwimmwesten aus, wie ein Vertreter des Ressorts im Ausschuss demonstrierte. Die Westen, die im Notfall
auch bewusstlose Personen über Wasser halten, könnten den beiden schwerverletzten jungen Frauen, die
unter das Boot rutschten und nach 20 Minuten reanimiert wurden, zum Verhängnis geworden sein. Ein Endbericht
liegt laut Kunasek aber noch nicht vor, er erwartet einen solchen für Ende Oktober. "Wir tun alles, um
den Unfallhergang detailliert aufzuarbeiten", versicherte er.
|