Land Burgenland, WWF, BirdLife und Esterhazy-Betriebe suchen gemeinsam mit Schilfschneidern
naturschonende Erntemethoden in Zeiten des Klimawandels
Eisenstadt (blms) - Der Klimawandel stellt die bisherigen Methoden der Schilf-Ernte am Neusiedler See vor
Probleme. Die immer öfter fehlende Eisdecke zwingt die Schilfschneider dazu, mit ihren schweren Erntemaschinen
im Wasser zu fahren. Dies kann zu einer immer weiter fortschreitenden Schädigung des sensiblen Schilfgürtels
und seiner reichen Vogelwelt führen. Am 1. Oktober stellte die Burgenländische Naturschutzlandesrätin
Astrid Eisenkopf ein neues EU-Projekt vor, das hierfür – unter aktiver Mitwirkung aller Betroffenen – Abhilfe
schaffen soll. Mit dem Vorhaben „Entwicklung nachhaltiger Schilferntemethoden und Monitoring – Schilfgürtel
Neusiedler See“ soll sowohl die Zukunft der Schilfwirtschaft als auch die Qualität dieses europaweit einzigartigen
Naturjuwels gesichert werden.
„Der Schilfgürtel des Neusiedler Sees beherbergt eine unvergleichliche Vogelwelt, die Besucher aus ganz Europa
anzieht. Gleichzeitig ist der Schilfgürtel auch für die Regionalwirtschaft und den traditionellen Erwerbszweig
der Schilfernte von großer Bedeutung. Wir haben deshalb im Rahmen des Programms Ländliche Entwicklung
ein Projekt im Umfang von 300.000 Euro gestartet, um nachhaltige Lösungen im Interesse aller Beteiligten sicherzustellen.
Damit werden wir auch unseren Verpflichtungen zum Erhalt des europäischen Naturerbes gerecht“, erklärte
Eisenkopf.
Das Westufer des Neusiedler Sees beherbergt die bedeutendsten Schilfbestände außerhalb des Nationalpark-Gebiets.
Schilf wird hier traditionell im Winter geerntet, was für die Natur bislang unproblematisch war. Im letzten
Jahrzehnt hat der Klimawandel aber dazu geführt, dass eine tragfähige Eisdecke auf dem See immer öfter
ausbleibt. Die schweren Erntemaschinen müssen nun im Wasser operieren. Das kann zu Schäden an den Schilfwurzeln,
zur Ausdünnung und letztendlich auch zum Absterben großer Schilfbestände führen. „Weil sich
das Schilf nicht mehr erholt, gehen wertvolle Lebensräume für Schilfvögel und Amphibien unwiederbringlich
verloren“, erklärt Bernhard Kohler vom WWF Österreich, der das Projekt koordiniert. „Es braucht schonendere
Erntemethoden, die in enger Zusammenarbeit mit den Schilfschneidern gefunden werden müssen“, bekräftigt
Kohler. Am 3. Oktober findet dazu in Oggau der erste von insgesamt drei Workshops mit Schilfschneidern und Grundbesitzern
statt.
Auch bei BirdLife macht man sich Sorgen um die Zukunft der international herausragenden Schilfvogel-Vorkommen des
Neusiedler Sees. „Im Schilfgürtel brüten beispielsweise bis zu 60.000 Brutpaare des Teichrohrsängers.
Es handelt sich dabei um eines der wichtigsten Einzelvorkommen dieser Vogelart in Europa. Ist das Schilf geschädigt,
dann wird die Halmdichte für diese Art zu gering, und sie findet keine geeigneten Nistplätze mehr“, erläutert
der Ornithologe Erwin Nemeth. Für die Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich entwickelt er im Rahmen
des Projekts ein Programm zur Erhebung der Schilfvogel-Bestände und zur Dokumentation des Schilfzustandes.
Von Grundbesitzerseite herrscht ebenfalls großes Interesse an einer zukunftsfähigen Neugestaltung der
Schilfwirtschaft. Direktor Matthias Grün von den Esterhazy-Betrieben erklärt: „Unsere Pächter leisten
hervorragende Arbeit, die laufend evaluiert und jetzt noch weiter verbessert werden soll. Im Projekt soll gemeinsam
herausgefunden werden, wie unter den veränderten Umständen Schilf möglichst schonend geerntet werden
kann. Als Grundbesitzer und Kooperationspartner ist es uns ein großes Anliegen, auf die Nachhaltigkeit unserer
Landbewirtschaftung zu achten. Die Esterhazy-Betriebe verfügen über einen Flächenanteil von 7.500
Hektar am gesamten Schilfgürtel des Neusiedler Sees und sehen sich dementsprechend in der Verantwortung für
die Zukunft des Gebiets.“
Gespannt blickt Schilfschneider Markus Brunner der Veranstaltung am 3. Oktober entgegen. „Die Schilfbauern haben
sich schon bisher viele Gedanken über schonende und nachhaltige Ernteverfahren gemacht. Jeder hat seine eigenen
Maschinen entwickelt und ist der Überzeugung, eine umweltverträgliche Methode gefunden zu haben. Ich
hoffe auf eine offene und konstruktive Diskussion.“
Der Schilfgürtel des Neusiedler Sees ist mit seinen insgesamt etwa 18.000 Hektar (in Österreich und Ungarn)
einer der größten in Europa. Er ist Teil des Natura 2000 Gebiets Neusiedler See –Seewinkel/Nordöstliches
Leithagebirge. Deshalb gilt für ihn eine europarechtlich strenge Erhaltungsverpflichtung.
Das Projekt „Entwicklung nachhaltiger Schilferntemethoden und Monitoring – Schilfgürtel Neusiedler See“ wird
vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, vom Land Burgenland und der Europäischen Union
im Rahmen der „Ländlichen Entwicklung 2014-2020“ gefördert.
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