Zeichnungen, die Zweifel, Ängste und Sorgen offenlegen – im Grazer BRUSEUM von 28.09.2018–27.01.2019
Graz (museum joanneum) - Anlässlich des 80. Geburtstags von Günter Brus wurde am 27. September
seine Ausstellung Wie mit dem Skalpell im Grazer BRUSEUM eröffnet und der Künstler mit einer großen
Feier geehrt. „Sein visuelles Denken manifestiert sich in den Zeichnungen“, beschreibt Kurator Roman Grabner die
mehr als 200 Zeichnungen des Künstlers. Diese sind in den 1960ern im Kontext seiner Aktionen entstanden und
dienten teilweise als Entwürfe für ebendiese. „Günter Brus und seine Künstlergeneration haben
vieles von dem vorbereitet, was für die heutige Gesellschaft selbstverständlich ist“, betonte Peter Peer,
Leiter der Neuen Galerie Graz, bei der Eröffnung.
Großes Fest zum Jubiläum
In Anwesenheit von Günter Brus und seiner Familie würdigten zahlreiche Gäste den österreichischen
Universalkünstler bei seiner Geburtstagsfeier. Vonseiten der Stadt- und Landespolitik gratulierten Kulturstadtrat
Günter Riegler und Landtagsabgeordnete Sandra Holasek. Der wissenschaftliche Geschäftsführer des
Universalmuseums Joanneum Wolfgang Muchitsch überreichte gemeinsam mit dem Leiter der Neuen Galerie Graz Peter
Peer und dem Kurator Roman Grabner ein speziell angefertigtes Werk des Künstlers Robin Klengel als Geschenk
zum runden Geburtstag. Bei Musik und einer Lesung aus dem literarischen Œuvre des Künstlers wurde seine Jubiläumsausstellung
gemeinsam eröffnet.
Günter Brus,
Wie mit dem Skalpell im BRUSEUM
Die Ausstellung versammelt erstmals die bislang kaum gezeigten Aktionszeichnungen und gibt einen Überblick
über deren Entwicklung. Obwohl Brus primär als Aktionist und Vertreter der Body Art wahrgenommen wird,
ist die Zeichnung von Beginn an in seinem Werk durchgehend präsent. Von den bereits 1964 entstandenen Zeichnungen
zu seiner Aktion Ana bis Juni 1970 hat Günter Brus nie aufgehört zu zeichnen. Im Laufe der Zeit machte
sich jedoch nicht nur eine Änderung in der Linienführung bemerkbar, sondern auch die Wahl der Materialien
unterlag einem Wandel. Dieser Prozess ging Hand in Hand mit den gesellschaftlichen Bedingungen der 1960er-Jahre
und auch der privaten Situation des Künstlers. Frühe Zeichnungen wurden aus Geldnot noch mithilfe von
Suppenwürfelpapier gestaltet und auch später weist das oft verwendete billige „Kriegspapier“ aus einer
Ringbuchmappe, die Brus stets bei sich trug, darauf hin, dass Material Mangelware war. Gerade diese prekären
Umstände waren auch der Grund dafür, dass viele Aktionen auf dem Papier verblieben und nicht in die Realität
umgesetzt wurden.
Günter Brus in der Ausstellung "Wie mit dem Skalpell",
Aktualität und Wirkmächtigkeit der Aktionszeichnungen
Somit dienten die ausgestellten Aktionszeichnungen nicht nur zur Vorbereitung der Aktionen, sie erweiterten
diese auch. Vor allem die potenziell uneingeschränkte Grausamkeit, die auf den Menschen einwirken kann, ist
darauf ersichtlich. Die Skizzen und Zeichnungen in der Ausstellung konfrontieren die Betrachter/innen mit der schonungslosen
Darstellung des „nackten Lebens“: verstümmelte Körper, die ausgemergelt, aufgeschlitzt und vielfach durchbohrt
in Schaukästen und leeren Räumen liegen – dargeboten und ausgestellt. „Die Zeichnungen wollen nicht nur
den Körper, sondern auch die Zweifel, Ängste und Sorgen der Zeit offenlegen“, bemerkt Roman Grabner.
Im Angesicht dieser freiwilligen Zurschaustellung jedes Lebensbereiches – und sei er noch so intensiv und schmerzlich
– haben die Aktionszeichnungen von Brus auch 50 Jahre später im Gefolge sozialer Medien und des Schlagworts
Transparenzgesellschaft nichts an ihrer Aktualität und Wirkmächtigkeit verloren.
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