Nachhaltigkeitsministerin Köstinger bekennt sich zum Vorsorgeprinzip beim Umweltschutz
Wien (pk) -Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) sollen bei Bauprojekten grobe Bedenken in Sachen
Umweltschutz vorab ausräumen. "Vorsorge ist besser als Nachsorge", unterstreicht Nachhaltigkeitsministerin
Elisabeth Köstinger im Vorwort des aktuellen UVP-Berichts ( III-194 d.B. ). Zum siebten Mal hat das Ministerium
für Umweltagenden darin die legistische und praktische Entwicklung der UVP-Prüfungen dokumentiert, mit
Fokus auf den Zeitraum von 2015 bis 2018. Wenn sich auch rechtliche Grundlagen und Aufgaben der UVP-Behörden
im Laufe der Zeit ändern, bleibt doch das Ziel der Prüfverfahren gleich, betont Köstinger. Mögliche
Auswirkungen eines geplanten Vorhabens seien zum Schutz von Mensch und Umwelt präventiv zu analysieren, um
gerade bei Großbauprojekten nachhaltige Entwicklung, Rechtssicherheit für alle Betroffenen und die geeigneten
Rahmenbedingungen zur Umsetzung der Vorhaben sicherzustellen.
Grundlage für das heimische UVP-Gesetz bzw. seine Novellierungen bilden eine entsprechende EU-Richtlinie sowie
die EU-Verordnung "Belastete Gebiete (Luft)" und die diesbezügliche Judikatur des Europäischen
Gerichtshofs (EuGH). In der jüngsten Änderung der UVP-Richtlinie der Europäischen Union wurden unter
anderem neue Prüfbereiche (biologische Vielfalt, Flächenverbrauch, Klimawandel, Katastrophenrisiken)
festgelegt und die leicht zugängliche, elektronische Veröffentlichung von Unterlagen verfügt.
Mit einer für heuer geplanten Gesetzesänderung (UVP-G-Novelle 2018) sollen nun die Bestimmungen der UVP-Änderungsrichtlinie
ebenso umgesetzt werden wie Vorgaben des Regierungsprogramms. Darüber hinaus will man Anpassungen gemäß
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs vornehmen. So sollen eine transparentere
Gestaltung der Einzelfallprüfungen erfolgen und eine Zuständigkeitsregelung für Feststellungsverfahren
bei Vorhaben, die Bundesländergrenzen überschreiten, geschaffen werden.. Einzelfallprüfungen zur
Identifizierung möglicher Umweltschäden werden bei jenen Vorhabenstypen angewandt, die nicht in jedem
Fall erhebliche Umweltauswirkungen haben.
Weitere Neuregelungen zur UVP im Sinne der Verfahrenseffizienz schlägt die Regierung hinsichtlich der Beendigung
von Ermittlungsverfahren und der Frist für Beweisanträge vor. Ein Standortanwalt soll künftig den
öffentlichen Interessen mehr Gewicht verleihen, für Umweltorganisationen wird eine regelmäßige
Überprüfung der für ihre Anerkennung nötigen Kriterien ins Auge gefasst.
Rückgang an UVP-Anträgen
Seit dem Jahr 2000 wurden in Österreich 455 Vorhaben zur UVP-Genehmigung eingereicht, wobei der langjährige
Durchschnitt dem Bericht zufolge bei ca. 26 Vorhaben pro Jahr liegt. In den letzten Jahren verzeichnete man einen
Rückgang an Anträgen, was das Ministerium unter anderem auf die geminderte Zahl an Neuanträgen für
Windkraftanlagen zurückführt.
Die Verteilung nach Sektoren zeigt, dass vorrangig die Bereiche Energiewirtschaft (29 % der Vorhaben) und Infrastruktur
(24 % der Vorhaben) von Umweltverträglichkeitsprüfungen betroffen waren. Anlass waren insbesondere Windkraftwerke,
Golf- und Freizeitanlagen sowie Vorhaben der Verkehrsinfrastruktur (v.a. Landesstraßen, Umfahrungen). Bei
den in die Zuständigkeit des Verkehrsministeriums fallenden UVP-Vorhaben (Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken)
lag der Schwerpunkt mit 11 % bei den Bundesstraßen.
Verfahrenszeiten abhängig von Vorhabensart
Hinsichtlich der Verfahrensdauer legt das Nachhaltigkeitsministerium Daten aus den Jahren 2009 bis 2017 vor. Insgesamt
249 UVP-Verfahren wurden in diesem Zeitraum beantragt, 239 Entscheidungen von UVP-Behörden getroffen. Berechnet
ab Antragstellung dauerte ein Genehmigungsverfahren 2017 24,3 Monate (2016: 18,4 Monate), von der öffentlichen
Auflage aller Unterlagen bis zum Bescheid verkürzte sich die Dauer jedoch auf 7 Monate (2016: 9 Monate), zeigt
das Verfahrensmonitoring. Als Mittelwert der Verfahrensdauer vom Antrag bis zur Entscheidung einer UVP-Behörde
gibt das Ministerium 16,4 Monate an, längere Prüfzeiten im Vorjahr seien aus mehreren besonders aufwändigen
Verfahren resultiert. Als derartig komplexe Vorhaben gelten Projekte im Straßenbau, Starkstromfreileitungen
und Wasserkraftwerke. Eine relativ geringe Verfahrensdauer erforderten hingegen UVP-Genehmigungen von Windkraftanlagen
bzw. Genehmigungen von Behörden, die vergleichsweise häufig derartige Verfahren durchführen.
Projektwerbende beantragten die meisten Feststellungsverfahren
Im Berichtszeitraum zwischen 1.1.2015 und 28.2.2018 wurde in 60 % der Feststellungsverfahren, durch die die Notwendigkeit
einer Umweltverträglichkeitsprüfung entschieden wird, eine Einzelfallprüfung zur Abklärung
erheblicher Umweltauswirkungen durchgeführt, meist wenn die Vorhaben nachträglich geändert wurden.
80% der Feststellungsverfahren wurden von den Projektwerbenden beantragt und 12% durch mitwirkende Behörden
beantragt. Eine amtswegige Einleitung eines Feststellungsverfahrens durch UVP-Behörden erfolgte in 6 % der
Fälle. Zwei Verfahren wurden aufgrund von Anträgen anerkannter Umweltorganisationen und Säumnisbeschwerden
an das Bundesverwaltungsgericht den Behörden aufgetragen, auf die Umweltanwaltschaften entfielen 2 % der Anträge.
Beteiligung der Öffentlichkeit
Umweltorganisationen haben seit der UVP-Gesetzesnovelle 2004 die Möglichkeit, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften
als Partei in UVP-Verfahren geltend zu machen. Die Teilnahme an einem UVP-Verfahren ist für Umweltorganisationen
an Bedingungen geknüpft und muss von der Nachhaltigkeitsministerin im Einvernehmen mit der Wirtschaftsministerin
bestätigt werden. Zu den Kriterien, die eine rechtliche Anerkennung der Umwelt-NGOs voraussetzt, zählen
ihre Organisation als Verein oder Stiftung, die Gemeinnützigkeit, der Umweltschutz als Vereinsziel und ein
mindestens dreijähriger Bestand zum Zeitpunkt der Antragstellung. Mit Stichtag 23.4.2018 waren in Österreich
54 Umweltorganisationen anerkannt. Bei 15 Beschwerden gegen Feststellungsebescheide einer Landesregierung, wonach
für ein Projekt keine UVP-Prüfung erforderlich ist, zeitigten drei im Zeitraum 1.1.2015 bis 28.2.2018
Erfolg.
Rechtsmittelinstanz Bundesverwaltungsgericht und Kontrollinstanz Umweltrat
2014 löste das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform den Umweltsenat
als Rechtsmittelgericht bei Beschwerden gemäß UVP-Gesetz ab. In Summe wurden seit 2000 bislang 423 Rechtsmittelentscheidungen
getroffen. Exemplarisch schildert der Bericht die Entscheidung des BVwG zur dritten Piste des Flughafens Wien,
die das bereits genehmigte Bauvorhaben aus Gründen des Klimaschutzes untersagte. Der Verfassungsgerichtshof
hob diese Entscheidung unter Auflagen zum Schutz der AnrainerInnen und zur verpflichtenden Reduktion von CO2-Emissionen
allerdings wieder auf.
Im Sinne des Vorsorgeprinzips beobachtet auch der seit 1994 bestehende Umweltrat die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfungen
bzw. deren Auswirkungen auf den Umweltschutz. Dazu kann er von den zuständigen Organen Auskünfte und
Berichte über UVP-Verfahren verlangen, Verbesserungen anregen und Stellungnahmen zu den UVP-Berichten des
Ministeriums abgeben. Zum vorliegenden Bericht entschied sich das Gremium aus Interessensvertretungen inklusive
Umweltanwaltschaft, auf eine Stellungnahme zu verzichten.
AKW-Ausbaupläne Hauptgrund für grenzüberschreitende UVP-Prüfungen
Das Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen
(Espoo-Konvention) ermöglicht den Unterzeichnerstaaten, sich an UVP-Verfahren bei Projekten in einem anderen
Land zu beteiligten, wenn erhebliche nachteilige Auswirkungen am eigenen Staatsgebiet befürchtet werden. Österreich
führte auf dieser Grundlage laut UVP-Bericht bereits mit all seinen Nachbarstaaten Espoo-Verfahren durch,
wobei vor allem Verfahren zum Aus- oder Neubau von Kernkraftwerken Grund zur Beteiligung waren. Von den insgesamt
24 grenzüberschreitenden UVP-Verfahren, an denen Österreich seit 2015 beteiligt ist, laufen die meisten
(19) noch, die wiederum vor allem Ausbaupläne und Laufzeitverlängerungen bei Atomkraftwerken betreffen.
Mit einer atomrechtlichen Genehmigung abgeschlossen wurde das Verfahren zum Ausbau der Lagerkapazitäten für
abgebrannte Brennelemente in Bohunice/Slowakei.
Vertragsverletzungsverfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung
Wegen mangelhafter Umsetzung der Richtlinienbestimmung zur Öffentlichkeitsbeteiligung in UVP-Belangen leitete
die Europäische Kommission 2012 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein. Eingemahnt wurde
die Möglichkeit für NachbarInnen, einen Rechtsbehelf in Feststellungsverfahren einzulegen, wenn gegen
die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung entschieden wurde. Österreich teilte 2017
der Kommission mit, eine Novellierung des heimischen UVP-Gesetzes aus dem Jahr 2016 habe auch den betroffenen NachbarInnen
das Recht eingeräumt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Bei einem weiteren, 2017 gestarteten
Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit der UVP-Richtlinie verwies die Regierung auf die 2018 anvisierte
Novelle des UVP-Gesetzes.
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