Von 12. Oktober – 8. November 2018 in der Startgalerie Wien Museum MUSA
Wien (wien museum) - Eine kritische Beobachtung von staatlichen und familiären Erziehungsmechanismen
führt bei Michèle Pagel zur Übersetzung in sehr eigenwillige Skulpturen. Den durch natürlich-organische
und struktural-artifizielle Prozesse entstandenen Objekten ist nicht nur ein eigenes Wachstum, sondern auch ein
eigener vitaler Wille eingeschrieben, der sich den Gesetzen der Gesellschaft zu entziehen versucht.
Folgerichtig entwickelt Michèle Pagel 2016 in der Werkgruppe „Office Dreamers“ Pflanzen, die in ihrer Repräsentation
den ambivalenten Wachstumsprozess zwischen Mangel und Kultivierung offenlegen. Ihre Skulpturen entwickelte sie
ausgehend von den Naturformen der klassischen Büropflanze, die oft unter widrigsten Umständen immer wieder
einen Weg zu Licht und Leben findet und dabei aber erzwungen-verschlungene Formen annimmt. Diese faszinierende
Balance zwischen der Hinwendung zum Licht und dem Beibehalten der Standfestigkeit dieser gequälten Pflanzen
übersetzt sie nun unter Zuhilfenahme von einfachen Materialien wie Papier, Klebestreifen und Keramik in rein
künstliche Pflanzenskulpturen.
Auch in anderen Werkgruppen gilt Pagels skulpturales Interesse den in der Natur vorhandenen und durch den Eingriff
des Menschen massiv veränderten Lebewesen.
„The Brick Series“ nennt sie eine den „Homegrown Freaks“ beigemischte Gruppe von Ziegelobjekten, die das allgegenwärtige,
stets unausgesprochene Motiv häuslicher Gewalt anvisieren. Aus dem groben Material von Rohziegeln geschnitzte
Formteile setzt sie zu verschiedenen Haushaltsobjekten zusammen, die sich im Fall eines zwischenmenschlichen Konflikts
als „stumpfe Gegenstände“ zur Domestic Violence anbieten. Die einzelnen Ziegel fügen sich zu Mauern,
die begrifflich – und von außen unsichtbar – Situationen einschließen. Mit der fleckigen Glasur des
„Cry Baby“ etwa, das – noch von Käseschmiere bedeckt – in seine Wiege eingespannt wird, verweist sie schmerzhaft
unter die Oberfläche des Sichtbaren und wirft einen tragisch-komischen Blick auf die Conditio humana und die
zivilisatorische, kultivierende Eingebundenheit als primären Gegenpol zur vermeintlichen Freiheit.
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