Regierung spricht von Trendwende in Europa, die Opposition vermisst nachhaltige Lösungen
Brüssel/Wien (pk) – "Effektiver EU-Außengrenzschutz als Fundament eines geordneten Asylwesens"
lautete der von der FPÖ gewählte Titel für die Aktuelle Europastunde im Nationalrat am 26. September.
Von einer Schicksalsfrage für Europa sprach Innenminister Herbert Kickl, der Österreich als Vorreiter
und Impulsgeber in Sachen Migration bezeichnete. Die Europäische Union sei nun auf österreichischem Kurs
und das ist gut so, betonte auch der freiheitliche Klubobmann Walter Rosenkranz. Die Stärkung von Frontex,
die Einrichtung einer europäischen Asylagentur oder die Verschärfung der Rückführungs-Richtlinie
seien nun unumstritten. Außerdem werde man danach trachten, dass Österreich seine volle Souveränität
im Fremden- und Asylrecht behält.
Rechtspopulistische Abschottung mache uns ärmer und spalte die Gesellschaft, entgegnete SPÖ-Abgeordneter
Jörg Leichtfried, durch Inszenierung und Spektakel werde kein Problem gelöst. Auch die VertreterInnen
der NEOS und der Liste Pilz warfen der Regierung vor, mit "Zaubersprüchen" und "Krisenrhetorik"
politisches Kleingeld zu schlagen. An der Debatte nahmen auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments
Harald Vilimsky (FPÖ) und Evelyn Regner (SPÖ) teil.
Kickl: Notwendiger Paradigmenwechsel in der Asypolitik wurde nun endlich eingeleitet
Von der Lösung der Asyl- und Migrationsfrage hänge das Schicksal von Europa ab, war Innenminister
Herbert Kickl überzeugt. Dies sei entscheidend dafür, ob die kommenden Generationen ein Leben in Sicherheit,
Freiheit, Demokratie und Wohlstand führen können.
Auch wenn seit dem Antritt der neuen Regierung unter FPÖ-Beteiligung sowohl auf nationaler als auch auf europäischer
Ebene schon viel Dampf gemacht wurde, sei man von einem "Zustand der Ordnung noch meilenweit" entfernt.
Er werde daher in ein paar Wochen einen Brief an die EU-Kommission schicken und ankündigen, dass "Österreich
weiterhin die Notwendigkeit sieht, seine eigenen Grenzen nach eigenem Ermessen zu kontrollieren". Für
ihn stehe nämlich das Schutzbedürfnis der Bevölkerung an erster Stelle, betonte Kickl. Im Artikel
3 des EU-Vertrags sei eindeutig festgelegt, dass Grenzkontrollen innerhalb der EU nur dann entfallen können,
wenn es einen funktionierenden Außengrenzschutz und geordnete Maßnahmen im Asylwesen gibt.
Auf nationaler Ebene verfolge man eine restriktive Asylpolitik, die neben einer Reduktion der Anreize auch eine
Beschleunigung der Verfahren zum Ziel hat, führte Kickl weiter aus. Was die EU betrifft, so müsse man
wegkommen von dem Holzweg einer zwangsweisen Verteilung von AsylwerberInnen quer über den Kontinent, der noch
dazu unter dem Begriff Solidarität debattiert wird. Ein gemeinsames Vorgehen brauche es hingegen beim Schutz
der Außengrenzen, der den Dreh- und Angelpunkt einer verantwortungsbewussten Asylpolitik darstelle. Nur dadurch
könne man "das inhumanste aller Asylsysteme" beenden, das dazu führt, dass tausende Menschen
in der Sahara oder im Mittelmeer ihr Leben lassen. Dafür gebe es nun auch klare Vorgaben von Seiten der Staats-
und Regierungschefs der EU, die sich für einen starken Außengrenzschutz, eine Zerschlagung des Geschäftsmodells
der Schlepperei sowie für eine Eliminierung der Pull-Faktoren ausgesprochen haben. Einig sei man sich auch
bezüglich der Ausschiffungsplattformen und der kontrollierten Einrichtungen an den Außengrenzen der
EU; in diese Richtung müsse es als nächsten Schritt gehen. Am Schluss sollte es aber ein System geben,
in dem gewährleistet ist, das nur dann in der EU um Asyl angesucht werden kann, wenn nicht vorher schon unzählige
sichere Länder durchquert wurden. Dies sei nicht unmenschlich, sondern vernünftig, unterstrich Kickl.
FPÖ sorgt dafür, dass Grenzschutz funktioniert, wenn man ihn braucht
Europa verändere sich hin zum Guten, meinte der EP-Abgeordnete Harald Vilimsky (FPÖ), verfehlte Konzepte
der Vergangenheit werden endlich verworfen. Positiv bewertet er vor allem die Zusammenarbeit zwischen dem österreichischen
und dem italienischen Innenminister, die immer mehr Rückhalt in der Bevölkerung finde. Es sei erfreulich,
dass auf europäischer Ebene endlich ein Umdenken stattgefunden habe und die EU nun auf österreichischem
Kurs sei, bekräftigte auch der freiheitliche Klubobmann Walter Rosenkranz (FPÖ). Das Jahr 2015 habe den
Menschen dramatisch vor Augen geführt, was eine Staatsgrenze wert sei, erinnerte er, eine solche Situation
dürfe sich nicht mehr wiederholen. Ungarn war zu Zeiten der Flüchtlingskrise übrigens das erste
und einzige Land, das den rechtmäßigen Zustand in Bezug auf die Sicherung der Schengen-Grenze wiederhergestellt
hat. Dafür gebühre ihm Dank und Anerkennung.
Die aktuelle österreichische Regierung mit den Ministern Kickl und Kunasek setze sich massiv für eine
Stärkung von Frontex sowie für gezielte Maßnahmen in den Herkunftsstaaten ein und stelle somit
sicher, dass der Grenzschutz wieder funktioniert, wenn man ihn braucht. Generell war Rosenkranz davon überzeugt,
dass jeder Staat seine Souveränität behalten müsse und selbst entscheiden könne, wer auf sein
Territorium zuwandert bzw. wer das Land zu verlassen hat, wenn die nationalen Gesetze gebrochen werden. Aus diesem
Grund beurteilte Rosenkranz auch den geplanten UN-Migrationspakt, der einheitliche globale Regeln für alle
Länder festlegen soll, kritisch.
Die FPÖ mache Schluss mit der falschen Politik der SPÖ, die jahrelang die Begriffe Zuwanderung und Asyl
vermischt hat, zeigte Abgeordneter Johann Gudenus (FPÖ) auf. Damit habe man nicht nur Armut importiert, sondern
auch dazu beigetragen, dass Delikte wie Vergewaltigungen oder sexuelle Übergriffe in den letzten Jahren deutlich
gestiegen sind. Seine Fraktionskollegin Petra Steger war der Meinung, dass sich die Sozialdemokraten für die
Politik der vergangenen Jahre, die eine unkontrollierte Massenzuwanderung zur Folge hatte, endlich einmal entschuldigen
sollten.
ÖVP zeigt sich erfreut über Trendwende in der EU und Stärkung von Frontex
Es gab im Jahr 2015 eine "völlig ungeordnete Situation", die nicht zuletzt mit der Uneinigkeit innerhalb
der letzten Bundesregierung zu tun hatte, räumte ÖVP-Abgeordneter Werner Amon ein. Es wurde u.a. sichtbar,
dass das ursprünglich wahrscheinlich gut gemeinte Dublin-System nicht funktioniert. Klar geworden sei zudem,
dass auf Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums erst dann verzichtet werden kann, wenn ein effektiver Außengrenzschutz
gewährleistet wird. Angesichts der großen globalen Herausforderungen – vom Klimawandel bis zum Bevölkerungswachstum
in Afrika – brauche man aber nicht weniger europäische Lösungen, sondern mehr, ist Amon überzeugt.
Deshalb sei es ausdrücklich zu begrüßen, dass der Europäische Rat im Juni eine Trendwende
eingeleitet hat, machte auch Karl Nehammer (ÖVP) geltend. So belege etwa die geplante Ausweitung von Frontex
auf bis zu 10.000 Personen, dass der Außengrenzschutz als wesentliche Säule in der Asyl- und Migrationspolitik
erkannt wurde. Für wichtig erachtete er auch die Einberufung eines Afrika-Gipfels, bei dem es u.a. um den
Ausbau von Investitionen vor Ort gehen soll. Dabei müsse man natürlich darauf achten, dass die Hilfe
wirklich der Bevölkerung zu Gute kommt und nicht irgendwelchen Potentaten oder Kriminellen.
SPÖ: Regierung setzt auf Inszenierung und Spektakel
Abgeordneter Jörg Leichtfried (SPÖ) warnte davor, Menschen gegeneinander auszuspielen, weil dadurch der
soziale Frieden gefährdet wird. Flucht sei kein Verbrechen, hob der SPÖ-Mandatar hervor, es gebe gute
Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen. Statt einer Anbiederung an zweifelhafte Gestalten der Weltgeschichte
sollte es vielmehr darum gehen, einen gemeinsamen europäischen Entwicklungsplan zu entwerfen, eine aktive
Neutralitätspolitik zu betreiben und die nationalen Mittel für die Entwicklungshilfe aufzustocken. Die
SozialdemokratInnen stehen auch uneingeschränkt zur Genfer Flüchtlingskonvention und der humanitären
Verpflichtung, Geflüchteten vor Terror, Gewalt und Krieg zu helfen. Es sei auch nicht hinzunehmen, dass nur
wenige Länder die meisten Asylanträge bearbeiten und sich andere EU-Mitgliedstaaten unsolidarisch verhalten.
In all diesen Punkten sei die Regierung aber säumig, kritisierte Leichtfried, der u.a. die noch immer fehlenden
Rückführungsabkommen einforderte.
Ein effektiver Außengrenzschutz sei wichtig, meinte Angela Lueger (SPÖ), aber gleichzeitig brauche es
viel mehr Unterstützung der Menschen vor Ort sowie die Umsetzung von fairen Handelsabkommen. Was die neue
Grenzschutzeinheit "Puma" betrifft, so handle es sich dabei um keine Extraeinheit, stellte Lueger klar.
Obwohl es kaum mehr Flüchtlinge gebe, würden für dieses "Spektakel" PolizistInnen aus
ganz Österreich rekrutiert, die dann in ihren Wachzimmern vor Ort fehlen.
Die SPÖ-Abgeordnete des Europäischen Parlaments Evelyn Regner erinnerte daran, dass Kommissionspräsident
Juncker dem österreichischen EU-Ratsvorsitz den Auftrag mit auf dem Weg gegeben hat, Solidarität in der
Migrationsfrage dauerhaft zu organisieren. Die Devise laute, Ordnung in das System zu bringen; das müsse aber
schnell passieren. Basis dafür sei ein gemeinsames europäisches Asylsystem, die Gewährleistung von
raschen Verfahren und die Ermöglichung von legalen Einreisewegen. An diesen klaren Lösungen haben der
Kanzler und der Vizekanzler aber gar kein Interesse, urteilte Regner. Sie schlügen stattdessen Kapital aus
einer Situation, die sie noch eskalieren lassen; dies sei unverantwortlich. Der Gipfel in Salzburg habe gezeigt,
dass die Fassade der Inszenierung an allen Ecken und Enden bröckle.
NEOS: Ehrliche Initiativen für ein gemeinsames europäisches Asylsystem statt "Zaubersprüche"
Mit simplen "Zaubersprüchen" könne man kein komplexes Problem lösen, gab Abgeordnete Claudia
Gamon (NEOS) zu bedenken. Ein funktionierender EU-Außengrenzschutz sei natürlich wichtig, aber nur ein
Element von vielen. Da die Regierung die Bevölkerung in dieser Frage "für blöd verkaufe",
möchte sie den Kanzler und den Innenminister für den Preis "Das goldene Brett vor dem Kopf"
nominieren. Dieser werde von der Gesellschaft für die wissenschaftliche Untersuchung von Parawissenschaften
vergeben, und zwar an Menschen, deren Versprechen eine Gefahr für andere darstellen. Gerade in einer Zeit,
wo Österreich den EU-Ratsvorsitz inne hat, sollte eine evidenzbasierte und aufrichtige Politik betrieben werden,
forderte Gamon ebenso wie ihre Fraktionskollegin Stephanie Krisper. Deshalb sei ein gemeinsames europäisches
Asylverfahren, das schnell und effizient an den Außengrenzen angewandt wird, unabdingbar. Überdies trat
Krisper für konsequente Rückführungen von Personen mit negativem Asylbescheid sowie für mehr
Hilfe Ort, zum Beispiel in Form von Städtepartnerschaften, ein.
Liste Pilz: Umfassender Ansatz für Bewältigung von globalen Herausforderungen notwendig
Es sei wohl allen klar, dass es ein neues geordnetes Asylsystem brauche, konstatierte Abgeordnete Alma Zadic (PILZ).
Eine so wichtige Frage sollte aber nicht emotional, sondern vernünftig und basierend auf Fakten diskutiert
werden. Die Regierung bediene sich jedoch bloß einer "Krisenrhetorik" und befinde sich damit in
einem Boot mit den Rechtsaußen der EU wie Salvini, Orban etc., beklagte Bruno Rossmann (PILZ). Er und Zadic
sind der Auffassung, dass es weitaus mehr als einen effektiven Außengrenzschutz benötige. Nur ein umfassender
Ansatz könne dazu führen, dass eine holistische Antwort auf eine globale Herausforderung gefunden wird.
Dazu gehöre auch, dass endlich nicht mehr Ursachen und Wirkung vermischt werden. Wenn z.B. die Fluchtursachen
bekämpft werden sollen, dann müssen auch die nationalen Mittel für die diversen Hilfsprogramme deutlich
aufgestockt werden, forderte Zadic. Außerdem plädierte die Liste Pilz für eine Fair Trade-Handelspolitik,
die Hand in Hand mit der Entwicklungszusammenarbeit geht. Bruno Rossmann drängte zudem auf die Einführung
eines gemeinsamen Asylsystems sowie die Reform des Dublin-Verfahrens.
Abgeordneter Efgani Dönmez (o.F.) bezeichnete die Bevölkerungsentwicklung in Afrika als eine der größten
Herausforderungen. Seit dem Jahr 1960 kam es zu einer Versechsfachung, bis 2050 rechnet man mit einem Anstieg auf
ca. 2,5 Milliarden Menschen. Die Durchführung eines Afrika-Gipfels sei daher sehr wichtig, weil Europa jener
Kontinent ist, der von dieser Entwicklung am meisten betroffen sein wird, war Dönmez überzeugt. Er plädierte
für eine wirtschaftliche Kooperation auf Augenhöhe, die dazu beiträgt, dass die vielen jungen Menschen
ihre Heimatländer nicht mehr verlassen müssen.
Die ebenfalls fraktionslose Abgeordnete Martha Bißmann wies darauf hin, dass die illegale Migration in die
EU seit dem Jahr 2015 um 95% zurückgegangen ist. Sie frage sich daher, warum angesichts dieser Zahlen weiterhin
Panik verbreitet werde. Man sollte sich vielmehr dem drängendsten Problem zuwenden, dass es derzeit gibt,
nämlich dem Klimawandel. Wenn man diese Frage nicht in den Griff bekommt, dann müsse man bis 2050 mit
bis zu 200 Millionen Klimaflüchtlingen rechnen.
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