Kunst von 1900 bis 1960 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Innsbruck (tlm) - Die Schausammlung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum vergrößert sich wieder.
Die Kunst von 1900 bis 1960 präsentiert sich unter dem Titel „Tiroler Moderne?“ neu. In vier Kapiteln wird
die Einbindung der Tiroler Kunst in die internationalen Strömungen aus diesen sechs Jahrzehnten gezeigt. Die
prägenden Metropolen waren dabei München und Wien als die bevorzugten Ausbildungsstätten, aber auch
Paris, das vor allem nach 1945 zunehmende Bedeutung erlangte.
Rund 120 Werke, u. a. von Albin Egger-Lienz, Erich Lechleitner, Ernst Nepo, Artur Nikodem, Max von Esterle, Leo
Putz, Gerhild Diesner, Max Weiler, Paul Flora und Oswald Oberhuber, warten im Ferdinandeum darauf, neu entdeckt
zu werden. Teilweise noch nie ausgestellte Arbeiten werden in einer Neupräsentation der Tiroler Moderne, eingegliedert
in die Schausammlung des Museums, der Öffentlichkeit präsentiert.
„Mit der Wiedereröffnung und Neugestaltung jener Räumlichkeiten, die für die Übersiedelung
unserer Sammlungen in das Sammlungs- und Forschungszentrum in Hall benötigt wurden, erhalten wir wieder mehr
Platz für neue Werke und ermöglichen den Besucherinnen und Besuchern einen neuen Zugang zur Tiroler Moderne
in all ihren Facetten“, betont PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen.
Zwischen neuer Kunst und traditioneller Kultur
„Spricht man von einer Tiroler Moderne, so fallen seit Jahrzehnten immer die gleichen Namen – und zwar ausschließlich
männliche. Allen voran Albin Egger-Lienz, der beinahe monolithisch für eine moderne Tiroler Kunst der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts steht. Die Tiroler Moderne setzt sich aber aus dem Werk einer Vielzahl
von Künstlerinnen und Künstlern zusammen, deren Pionierarbeit wesentlich zur Entwicklung der modernen
Kunst in Tirol beigetragen hat“, so Dr. Günther Dankl und Dr. Günther Moschig, Kuratoren der Neupräsentation.
Alle diese Kunstschaffenden, sofern es sie in Tirol hielt – und es kehrten viele nach ihren Studien aus den Kunstmetropolen
Wien oder München wieder zurück – arbeiteten in konservativen Milieus am Land weiter, wo sie zwischen
einer neuen Kunst und einer traditionellen, regionalen Kultur zu vermitteln versuchten. Ihre Arbeiten bilden einen
großen Bestandteil der Tiroler Kultur und fanden, wenn auch sehr langsam und punktuell, Eingang in das Tiroler
Kulturleben.
Blüte in der Zwischenkriegszeit
Zu ihrer Blüte gelangte die Tiroler Moderne in den 1920er/30er Jahren. Vieles, was vor dem Ersten Weltkrieg
seinen Anfang nahm, konnte nach dem Krieg fortgeführt werden: die impressionistische Freilichtmalerei, der
Symbolismus, der Jugendstil, der Expressionismus und die tektonische Malerei eines Egger-Lienz. In der Nachkriegszeit
wurde deutlich, dass die Tiroler Moderne zwar eine künstlerische Vielfalt zum Ausdruck brachte, ihr aber –
mit Ausnahme der Neuen Sachlichkeit – gegenüber der Internationalen Moderne abstrakte Tendenzen fehlten. Auch
der Dadaismus stattete Tirol nur einen kurzen Besuch ab, ohne nachhaltig zu wirken. Das Milieu des Brenner-Kreises
rund um Ludwig Ficker im Innsbrucker Café Maximilian brachte in den 1910er Jahren genauso wie das Französische
Kulturinstitut unter der Leitung von Maurice Besset in den 1945er Jahren die international geführten Debatten
um eine moderne Kunst nach Tirol.
Der Brenner
Die von Ludwig Ficker herausgegebene Kulturzeitschrift „Der Brenner“ (1910–1954) ist ein wichtiges Dokument
österreichischer Geistesgeschichte und spielt auch für die Entwicklung der Tiroler Moderne eine wesentliche
Rolle. Der Name der Zeitschrift deutete nicht nur auf den Grenzübergang zu Italien hin, sondern markierte
auch ein erstes Ziel der Publikation, das darin bestand, den erstarrten bürgerlichen und provinziellen Kulturbetrieb
Tirols aufzubrechen. Vorbild der Zeitschrift war „Die Fackel“ von Karl Kraus. Zu Beginn waren in der Zeitschrift
hauptsächlich Tiroler Autoren (Carl Dallago, Max von Esterle, Hugo Neugebauer, Karl Röck, Ludwig Seifert
und Arthur von Wallpach) vertreten. Bald erhielt die Zeitschrift jedoch Beiträge von Autorinnen und Autoren
aus dem gesamten deutschen Sprachraum (Theodor Haecker, Karl Borromäus Heinrich, Else Lasker-Schüler,
Ludwig Erik Tesar). Die Zeitschrift leistete einen großen Beitrag zur Internationalisierung der Tiroler Kunst
und war das zentrale Organ für die Etablierung einer Tiroler Moderne.
Die Schenkung Gruener
Den Beginn der Sammlung der Tiroler Kunst aus den Jahren 1900 bis 1960 der Tiroler Landesmuseen markiert die
Schenkung von zwanzig Gemälden aus dem Privatbesitz von Franz Gruener im Jahr 1919. Der damalige Landeshauptmann-Stellvertreter
übergab seine Bildersammlung dem Museum, um sie zu betreuen und auszuweiten. Ursprünglich wollte Gruener
durch den Aufbau seiner privaten Sammlung jüngere heimische Künstlerinnen und Künstler fördern
und unterstützen. Dieser Gedanke sollte im Museum fortgeführt werden.
Eines der Werke, die durch die Sammlung Gruener ins Museum gelangten ist das „Gasslrennen“ von Alfons Walde. Es
zählt zu den frühen Sportbildern Waldes und entstand während seiner Zeit als Student an der Technischen
Universität in Wien. Das Gemälde ist als Frühwerk Waldes durch die malerische Qualität von
zentraler Bedeutung und verdeutlicht die Orientierung der Tiroler Malerei auf die Wiener Kunstszene.
Die Nachkriegsjahre
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Paris zum entscheidenden Fluchtpunkt für Tiroler Kunstschaffende.
Die Nachkriegsjahre waren stark konservativ geprägt. Diese Prägung fand 1948 im Streit um die Fresken
Max Weilers in der Theresienkirche in Innsbruck in einem öffentlichen Angriff auf die Moderne ihren Höhepunkt
und ließ Tradition und Moderne noch einmal aufeinanderprallen. Erst mit Heinz Gappmayrs internationaler und
zeitgenössischer Anbindung an die visuelle Poesie und Konzeptkunst Anfang der 1960er Jahre kam die Moderne
in Tirol endgültig an und überwand schließlich mit Werner Pirchners „Untergang des Alpenlandes“
1974 humorvoll und respektlos die bereits von Albin Egger-Lienz kritisierte „Tirolerei“ in der Kunst.
Präsentierte Werke
In den neu präsentierten Räumen finden sich neben zahlreichen Gemälden auch Plastiken (u. a.
von Franz Pöhacker und Rudi Wach) und Grafiken (u. a. von Eduard Thöny, Alfred Zangerl und Paul Flora)
aus der Vor- und Nachkriegszeit. In den Vitrinen werden Dokumente und Zeitschriften, die prägend für
die Tiroler Moderne waren, präsentiert. Der Tiroler Impressionist Theodor von Hörmann, der mit seiner
Biografie und seinem Schaffen eindrucksvoll die Städte Wien, Paris und München miteinander verbindet,
ist mit dem Gemälde „Tümpel im Buchenwald“ in der Neupräsentation vertreten. Das „Tischgebet“ von
Albin Egger-Lienz erhält einen neuen Platz in der Schausammlung und mit dem Gemälde „Tabak pflanzen“
ist ein Hauptwerk der 1940er Jahre von Gerhild Diesner zu sehen. Mit in die Präsentation der Tiroler Kunst
eingebunden sind Werke u. a. von Egon Schiele, Oskar Kokoschka, Gustav Klimt, Hilde Goldschmidt und Werner Scholz.
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