Außenministerin Kneissl steht Abgeordneten im Menschenrechtsausschuss Rede und Antwort
Wien (pk) - Außenministerin Karin Kneissl ist überzeugt, dass Österreich die von UN-Menschenrechtskommissarin
Michelle Bachelet in den Raum gestellten Vorwürfe gegenüber Österreich in Bezug auf den Umgang mit
Flüchtlingen entkräften kann. Nächste Woche besuchen ExpertInnen des Büros von Bachelet Wien,
um sich vor Ort ein Bild zu machen, berichtete Kneissl am 11. Oktober im Menschenrechtsausschuss des Nationalrats.
Sie habe Bachelet nach deren Kritik angerufen und klargestellt, dass Flüchtlinge ordentlich behandelt würden.
Es gebe keinen Anlass, Österreich in einem Atemzug mit Libyen und Saudi-Arabien zu nennen. Ihrer Einladung,
sich selbst davon zu überzeugen, würde nun Folge geleistet.
Weitere Themen der Aktuellen Aussprache im Menschenrechtsausschuss waren der Kampf gegen Gewalt an Frauen, die
zunehmende Bedrohung von JournalistInnen auch in Europa, das globale Problem des Menschenhandels, die Menschenrechtslage
in der Türkei, die Unterstützung der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien sowie die neuerliche
Bewerbung Österreichs für den UN-Menschenrechtsrat. Kneissl zufolge findet morgen die Wahl für die
nächste Funktionsperiode des UN-Gremiums 2019 bis 2021 statt, wobei sie zuversichtlich ist, dass die internationale
Staatengemeinschaft Österreich neuerlich das Vertrauen aussprechen wird.
Der Schutz der Menschenrechte habe für Österreich eine hohe Priorität, unterstrich Kneissl und verwies
in diesem Zusammenhang auf das internationale Engagement in diesem Bereich. Besonders gehe es ihr auch um die Anerkennung
von Frauenrechten. Das betreffe nicht nur den Kampf gegen Diskriminierung von Mädchen und Frauen, sondern
auch die Verhinderung weiblicher Genitalverstümmelung. Dafür stünden im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit
vorerst eine Million Euro zur Verfügung, wobei sie die Mittel, die auch für die Rückoperation von
Frauen gedacht sind, weiter aufstocken möchte. Auch in Österreich sei Genitalverstümmelung ein Problem,
sagte Kneissl, sie geht von einer Dunkelziffer von 5.000 Frauen und mehr aus, die hierzulande beschnitten bzw.
zum Beschneiden ins Ausland geschickt wurden. In ihrem Kampf sieht sich Kneissl nicht zuletzt durch die kürzlich
erfolgte Vergabe des Friedensnobelpreises an zwei KämpferInnen für Frauenrechte bestätigt.
Global sieht Kneissl das Problem, dass Menschenrechte immer stärker konfessionalisiert werden. Menschenrechtsverletzungen
würden immer häufiger mit Religion, Kultur oder Ethnie begründet. In diesem Sinn hält sie es
auch für fraglich, ob es heute noch möglich wäre, sich wieder auf eine Allgemeine Erklärung
der Menschenrechte zu einigen. Für bedenklich hält es die Ministerin in diesem Zusammenhang auch, dass
der Zuspruch zu Folter in westlichen Staaten zuletzt zugenommen hat.
Den Vorwurf von Abgeordnetem Alfred Noll (PILZ), sie würde, was ihr Eintreten für Frauenrechte im Iran
betrifft, mit zweierlei Maß messen, wies Kneissl zurück. Es sei kein Widerspruch, sich auf der einen
Seite gegen einen Kopftuchzwang einzusetzen, und auf der anderen Seite in Österreich die freie Bekleidungswahl
durch das Gesichtsverhüllungsgesetz und das geplante Kopftuchverbot in Kindergärten und Schulen einzuschränken,
bekräftigte sie. Im Iran würden Frauen öffentlich verprügelt und zu langjährigen Haftstrafen
verurteilt, wenn sie das Kopftuch öffentlich abnehmen, hob sie hervor. Zudem gehe es beim Kopftuchverbot in
Österreich nicht um Bekleidungsvorschriften für Frauen, sondern um das Kindeswohl und die Berücksichtigung
der Kinderrechtskonvention.
Von SPÖ-Abgeordnetem Andreas Kollross auf den fragwürdigen Umgang einiger EU-Länder mit Grund- und
Freiheitsrechten angesprochen, meinte Kneissl, "Sie legen den Finger in eine große Wunde". Sie
sei irritiert, dass man sich innerhalb der EU über Rechtsstaatlichkeit unterhalten müsse. Schließlich
sei die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien Voraussetzung für einen EU-Beitritt. Probleme sieht sie
in diesem Zusammenhang auch in Rumänien, wo Demonstrationen gegen Korruption sehr brutal niedergeschlagen
worden seien. Auch in Bulgarien sei Korruption ein Problem.
Attacken gegen JournalistInnen: Kneissl bricht Lanze für Pressefreiheit
Als geplante Schwerpunktthemen Österreichs im UN-Menschenrechtsrat nannte Kneissl gegenüber Susanne Fürst
(FPÖ) den Schutz von Minderheiten, die Verteidigung der Presse- und Medienfreiheit, das Thema Binnenvertriebene
und Menschenrechte im Justiz- und Strafvollzug. Außerdem wolle sich Österreich weiter den bisherigen
Schwerpunkten wie Rechte von Frauen und Kindern, Rechte von Menschen mit Behinderung, Stärkung der Rechtsstaatlichkeit,
Menschenrechtsbildung und Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung widmen.
Dass JournalistInnen zunehmend auch in Europa bedroht werden, erfüllt Kneissl mit Sorge. Fälle wie jener
der ermordeten bulgarischen Journalistin Wiktorija Marinowa und jener des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi
müssten umfassend aufgeklärt werden, stimmte sie mit SPÖ-Abgeordnetem Harald Troch überein.
"Ich hoffe, dass wir uns nicht daran gewöhnen." Auch sonst werde sie nicht müde, in Sachen
Medien- und Pressefreiheit den Mund aufzumachen. Es gehe nicht nur um körperliche Attacken gegen JournalistInnen,
sagte Kneissl, vielen kritischen JournalistInnen würde wirtschaftlich das Wasser abgedreht.
SPÖ ortet unzumutbare Zustände auf Großbaustelle Flughafen Istanbul
Sowohl Josef Muchitsch (SPÖ) als auch Noll schnitten den Fall des in der Türkei inhaftierten österreichischen
Journalisten Max Zirngast an. Noll appellierte an die Ministerin, vehementere Schritte von Seiten der österreichischen
Regierung zu setzen. Zirngast sei seit vier Wochen ohne Anklage in U-Haft, ohne dass es seinen Anwälten zufolge
einen dringenden Tatverdacht – auch nicht nach türkischem Strafrechtsverständnis – gebe. Muchitsch vermutet,
dass Zirngast unter anderem deshalb in Haft ist, weil er wie andere Journalisten und Gewerkschafter die untragbare
Situation auf der Baustelle des neuen Flughafens Istanbul thematisiert habe. Es gebe zahlreiche Todesfälle,
auch die Situation in den Unterkünften sei unzumutbar.
Kneissl betonte, dass sie den Fall Zirngast bereits gegenüber dem türkischen Außenminister angesprochen
habe. Die derzeit in Bau befindlichen Mammutprojekte in der Türkei erinnerten sie an die Zustände beim
Bau der Fußballstadien in Katar, sagte sie. Viele Arbeiter aus Bangladesch, Nepal oder aus südamerikanischen
Ländern seien bereit, "grauenhafte Situationen" in Kauf zu nehmen, um Arbeit zu finden.
Auch viele Männer sind Opfer von Menschenhandel
Zum Thema Menschenhandel, eine von Abgeordneter Gudrun Kugler (ÖVP) angesprochene Materie, merkte Kneissl
unter anderem an, man unterschätze, in welchem Umfang auch Männer von Menschenhandel betroffen seien.
Wenn man glaube, dass Sklaverei heute abgeschafft sei, irre man sich. Als großen Problembereich nannte sie
in diesem Sinn – neben dem Bereich Adoption - etwa auch die Landwirtschaft. Häufige Herkunftsländer der
Opfer von Menschenhandel sind laut Kneissl Rumänien, Bulgarien, China und Nigeria, wobei es im letztgenannten
Fall vor allem um weibliche Prostitution gehe. In Österreich begegne man dem Problem unter anderem mit einer
eigenen Stelle für Menschenhandel im Bundeskriminalamt und einem Schulungsangebot für Behörden.
Zudem sei eine Opferschutzeinrichtung für Männer geschaffen worden.
Abgeordnetem Robert Laimer (SPÖ) teilte Kneissl mit, dass Mitgliedern der Bahai im Rahmen eines Resettlementprogramms
die Ausreise aus dem Iran ermöglicht wurde. Viele seien in die USA weitergereist. Auch eine Gruppe irakischer
Jessidinnen ist ihrer Information nach im Zuge eines Resettlementprogramms nach Österreich gekommen. Weiteres
Resettlement liege in der Entscheidung des Innenministers.
UN-Migrationspakt: Kneissl erwartet Diskussion in mehreren Ländern
Von Ausschussobmann Nikolaus Scherak (NEOS) auf die ablehnende Haltung der Regierung zum UN-Migrationspakt
angesprochen, machte Kneissl geltend, dass derzeit ein von Beamten verhandelter Entwurf vorliege, der nun politisch
zu debattieren sei. Auch in anderen Ländern wie etwa Australien werde es zu Diskussionen kommen, glaubt sie.
Das Thema sei auch der österreichischen Bevölkerung wichtig. Scherak hatte zuvor gemeint, ihm sei nicht
ganz klar, warum sich die Regierung gegen eine unverbindliche Deklaration ausspreche, mit der versucht werde, das
weltweite Migrationsproblem in den Griff zu bekommen. Österreich könne das Problem, anders als von Bundeskanzler
Sebastian Kurz suggeriert, nicht allein lösen.
Auf die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien ging FPÖ-Abgeordnete Sandra Wassermann ein. Laut Kneissl
wird die Volksgruppe erstmals eine Basisfinanzierung von rund 63.000 € aus dem Außenministerium erhalten,
nachdem es bislang nur Projektfinanzierungen gegeben habe. Das habe sie durch monatelangen Druck durchsetzen können.
Sie habe in Slowenien auch eine Petition überreicht, die die Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe
in der slowenischen Verfassung zum Ziel habe. Sie werde das Thema auch weiter vorbringen.
|