Ökumenischer Rat der Kirchen feiert Dankgottesdienst zum 60-Jahr-Jubiläum
Wien (epdÖ) – Als ein „Haus mit vielen Wohnungen“ verglich der reformierte Landessuperintendent und
Vorsitzende des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRKÖ), Thomas Hennefeld, das ökumenische Gremium
anlässlich eines Dankgottesdienstes zu dessen 60. Gründungsjubiläum. Bei dem Gottesdienst am 10.
Oktober in der Wiener Lutherischen Stadtkirche sagte Hennefeld in Anlehnung an das Johannesevangelium: „Die Kirche
Jesu kann als so ein Haus mit vielen Wohnungen beschrieben werden. Jede Kirche in einer Wohnung und alle zusammen
bilden eine Hausgemeinschaft.“ An dem feierlichen Gottesdienst wirkten neben Hennefeld der Linzer römisch-katholische
Bischof Manfred Scheuer, die evangelisch-lutherische Oberkirchenrätin Ingrid Bachler, der rumänisch-orthodoxe
Bischofsvikar Nicolae Dura, der methodistische Altsuperintendent Helmut Nausner, der altkatholische Synodalrat
Thomas Wetschka, der syrisch-orthodoxe Chorepiskopos Emanuel Aydin, der koptisch-orthodoxe Pater Lukas Daniel und
der evangelisch-lutherische Altbischof Herwig Sturm mit.
Hennefeld verwies in seiner Predigt auf die jüdische Apokalyptik, die bereits das Bild der himmlischen Wohnung
geprägt habe, und stellte sie in den Kontext der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation: „Es ist
ein Ort, an dem die Mächtigen dieser Erde, die über Leichen gehen, keine Macht haben, eine Art Asylstätte.
So einen Ort zu denken und zu fordern führt zu einer widerständigen Praxis gegen eine ungerechte, gewalttätige
und grausame Welt. Diese Wohnungen sind Orte, die den Zurückgeblieben Halt und Sicherheit geben.“ Der reformierte
Landessuperintendent verwies dabei auf die Spannung, in der sich die Kirchen bewegten: „Wir leben auf der einen
Seite in festen Häusern und Wohnungen, auf der anderen Seite sind wir auf der Pilgerschaft, in der Fremde
dieser Welt.“ Christinnen und Christen müssten sich identifizieren mit Menschen auf der Wanderung und Flucht;
das Bild der himmlischen Wohnung solle aber im Unterwegssein „Ruhe und Sicherheit, Geborgenheit und Heimat“ vermitteln.
Der ÖRKÖ-Vorsitzende erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die erste Satzung des Rates, in der auf
die Aufgabe des Gremiums verwiesen wird, die aus der ökumenischen Wirklichkeit erwachsenden Verpflichtungen
„in unseren Gemeinden lebendig zu machen.“ Dazu meinte Hennefeld: „Wer sich daran orientiert, der wird keine Zweifel
haben, wo die christlichen Kirchen stehen: auf der Seite der Schwachen und Armen, der Verfolgten und Notleidenden.
Und er ist gut beraten, diesen Weg weiter zu gehen in dieser unübersichtlichen und zerfahrenen Welt, die so
bedroht ist.“
Bachler: ÖRKÖ soll an der Basis ankommen
In ihren Begrüßungsworten sprach die evangelisch-lutherische Oberkirchenrätin Ingrid Bachler Dankbarkeit
aus „für all das, was in diesem 60 Jahren gewachsen ist. Wir schauen zurück auf die Anfänge, blicken
aber auch auf unsere Zukunft.“ Dass die Gemeinde der Lutherischen Stadtkirche und die benachbarten Gemeinden der
reformierten Kirche und der römisch-katholischen Augustinerkirche besonderes Engagement in der Bewerbung des
Dankgottesdienstes gezeigt hatten, freute Bachler: „So verbindet sich das Lokale mit dem Regionalen und dem Überregionalen.
Der ÖRKÖ soll keine Funktionärsgemeinschaft sein, sondern an der Basis ankommen.“
Rückblick auf Meilensteine aus 60 Jahren
In kurzen Statements blickten ÖRKÖ-Mitglieder auf Höhepunkte in der Geschichte des Ökumenischen
Rats zurück. Der frühere methodistische Superintendent Helmut Nausner erinnerte an die 1997 im Rahmen
des 2. Ökumenischen Forums in Graz auf den Weg gebrachte und 2001 beschlossene Charta Oecumenica über
die Zusammenarbeit der Kirchen in Europa. Der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura, ÖRKÖ-Vorsitzender
von 2010 bis 2013, hob das Ökumenische Sozialwort von 2003 als „Meilenstein der Ökumene“ hervor, in dem
die Kirchen zum gesellschaftlichen Wandel Stellung bezogen. Der lutherische Altbischof Herwig Sturm – ÖRKÖ
Vorsitzender von 2006 bis 2009 – ging auf die Festschrift anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Rats
ein, die das „Feuer des Pfingstgeistes“ weitergeben sollte. Und der altkatholische Synodalrat Thomas Wetschka stellte
das Projekt „Solidarische Gemeinde“ von 2016 in den Mittelpunkt, in dem sich die Kirchen dazu aufgerufen sehen,
„für diejenigen einzutreten, deren Lebensgrundlagen bedroht oder in Frage gestellt sind“.
Für die musikalische Gestaltung des Abends zeichneten der evangelische Landeskantor Matthias Krampe (Orgel)
und Hege Gustava Tjønn (Gesang) verantwortlich. Am Donnerstag, 11. Oktober, lädt der ÖRKÖ
in Wien auch zu einem Studiennachmittag, der dem Thema „Die Märtyrer und Märtyrerinnen im Leben der Kirchen“
gewidmet ist. Die Veranstaltung im Club Stephansplatz 4 beginnt um 14 Uhr. Eingangs hält der Linzer Bischof
Manfred Scheuer einen Vortrag, in dem er grundlegende Fragen über Martyrium und Märtyrer beleuchtet.
Über den Stellenwert der Märtyrer im Leben ihrer Kirchen sprechen u.a. der serbisch-orthodoxe Bischof
Andrej Cilerdzic und die frühere evangelische Oberkirchenrätin Hannelore Reiner. Auch Vertreter orientalisch-orthodoxer
Kirchen werden erwartet. Ein Podiumsgespräch und eine Andacht im Stephansdom schließen die Tagung ab.
Der Ökumenische Rat der Kirchen
Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich wurde am 12. Dezember 1958 von den Evangelischen Kirchen
A.B. und H.B., der Evangelisch-methodistischen Kirche sowie der Altkatholischen Kirche gegründet. 1964 stießen
vier orthodoxe Kirchen (Griechen, Serben, Russen und Rumänen), die Armenisch-Apostolische und die Anglikanische
Kirche zum ÖRKÖ hinzu. Später schlossen sich die Bulgarisch-Orthodoxe, die Koptisch-Orthodoxe und
die Syrisch-Orthodoxe Kirche dem Rat an. Die Römisch-katholische Kirche in Österreich arbeitete seit
1970 als Beobachterin im ÖRKÖ mit, 1994 wurde sie Vollmitglied. Zu den genannten Kirchen sind heute auch
die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche und der Bund der Baptistengemeinden als Mitglieder mit beratender Stimme im
ÖRKÖ vertreten. Zehn Organisationen verfügen über Beobachterstatus.
Der ÖRKÖ gilt als gemeinsame Stimme der österreichischen Kirchen und als Forum, in dem gemeinsame
Belange der Kirchen thematisiert werden. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Beziehungen der Kirchen
zum Staat, Kontakte zu jüdischen Einrichtungen oder Sozialpolitik. Seit 2017 ist Thomas Hennefeld Vorsitzender
des Ökumenischen Rats.
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