Wirtschaftsausschuss debattiert über Energiepolitik und Umbau des Energiesystems in Richtung
Nachhaltigkeit
Wien (pk) - Der Klimawandel stellt die österreichische Energiepolitik vor große Herausforderungen.
Deutlich wurde dies auch in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 10. Oktober, wobei die Debatte durch den
jüngsten Bericht des UNO-Weltklimarats zusätzlichen Zündstoff erhielt. Den Abgeordneten lag zunächst
der Tätigkeitsbericht der Energie-Control vor, der die Wettbewerbssituation auf dem Strom- und Gasmarkt beleuchtet
und überdies eine neuerliche Zunahme beim geförderten Ökostrom dokumentiert. Der Bericht wurde von
der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, Elisabeth Köstinger, vorgelegt. Die Ressortchefin
wies auf die ambitionierten Ziele Österreichs zum Ausbau der erneuerbaren Energie bis 2030 hin.
Die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ zeigten sich grundsätzlich zufrieden mit dem Tempo, das die Bundesregierung
mit der Klima- und Energiestrategie vorlegt, und mit den Maßnahmen, die bereits gesetzt wurden bzw. die noch
zu erwarten sind, um mehr Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu erreichen. Die Opposition hingegen ist von der
Wirksamkeit der Vorschläge der Bundesregierung zur Erreichung der gesteckten Ziele nicht überzeugt. Sie
hat bereits eine Reihe von Entschließungsanträgen formuliert, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Für die NEOS ist das Fördersystem für Ökostrom grundsätzlich zu überdenken. Die Liste
Pilz sieht weiterhin zu wenig wirksame Maßnahmen für den Ausbau der erneuerbaren Energie und zur Steigerung
der Energieeffizienz. Die SPÖ ortet Säumigkeit der Regierung hinsichtlich der Versorgungssicherheit,
welche ihrer Ansicht nach bei der geplanten Umstellung des Energiesystems gewährleistet sein muss. Sämtliche
Initiativen wurden von der Ausschussmehrheit allerdings vertagt.
Wettbewerb auf Strom- und Gassektor entwickelt sich weiterhin positiv
Eine äußerst positive Entwicklung des Wettbewerbs bescheinigt der Tätigkeitsbericht der Energie-Control
Austria (III-151 d.B.) dem heimischen Strom- und Gasmarkt. Dem Ausschuss standen für die Diskussion des Berichts
die Vorstände der Energie-Control Wolfgang Urbantschitsch und Andreas Eigenbauer zur Verfügung. Laut
Urbantschitsch haben 2017 341.300 KonsumentInnen ihre Anbieter gewechselt, was einer Zunahme um 19% entspricht.
Das Einsparpotenzial beim Wechsel hat sich zudem erhöht, die Zahl der Lieferanten ist gestiegen. Gekennzeichnet
war das Jahr 2017 weiters durch eine neuerliche Steigerung der Ökostromproduktion und durch eine Strompreisreduktion
für die Haushalte. Wichtig ist für Urbantschitsch, dass auch nach der von der EU geforderten Trennung
des deutsch-österreichischen Strompreisverbunds, die mit Anfang Oktober erfolgt ist, die Kapazitäten
für den Stromhandel zwischen den beiden Staaten in dem vom Markt benötigten Ausmaß gesichert werden
konnten. Man werde die weitere Strompreisentwicklung jedenfalls genau beobachten.
Andreas Eigenbauer ergänzte, dass die notwendigen Verträge für die Kraftwerkssicherung mit den Netzwerkbetreibern
rechtzeitig abgeschlossen werden konnten. Sie laufen für drei Jahre mit Option auf eine Verlängerung
auf weitere zwei Jahre. Ein wichtiges Thema sei die Bewältigung von Spitzenbedarf bei Kälte- und Hitzewellen.
Gerade beim Umbau der Energieversorgung auf nachhaltige, und damit schwankende Erzeugung sei es wichtig, stets
eine ausreichende Zahl von Kraftwerken mit gesicherter Leistung zur Verfügung zu haben. Zudem werde das Thema
Energiespeicherung immer wichtiger. Eigenbauer wies darauf hin, dass auch die Großstörung im Erdgasnetz,
die bei der Gasstation Baumgarten aufgetreten ist, gut bewältigt und von den EndkundInnen gar nicht bemerkt
wurde. Das zeige, dass die Systeme zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit funktionieren. Längerfristig
werde es aber wichtig sein, wesentliche Steigerungen der Energieeffizienz zu erreichen, da nur so der steigende
Energieverbrauch in den Griff zu bekommen sei.
Abgeordnete thematisieren Ökostromförderung und Versorgungssicherheit
Die Ausführungen der Experten zogen eine Reihe von Fragen der Abgeordneten nach sich, die sich vor allem an
Bundesministerin Elisabeth Köstinger richteten. So wollte etwa Muna Duzdar (SPÖ) wissen, wie die Bundesregierung
beim Umbau des Energiesystems die Versorgungssicherheit gewährleisten will. Für Josef Schellhorn (NEOS)
bestätigt der Bericht, dass eine Reform des Fördersystems bei Ökostrom in Richtung mehr Marktorientierung
überfällig ist. Dieses Thema wurde auch von Bruno Rossmann (PILZ) aufgegriffen. Letztlich müsse
man viel ambitioniertere Maßnahmen setzen, wolle man die 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung noch einhalten.
Im Energiebereich gebe es ein klares Marktversagen, das behoben werden müsse, sagte Rossmann und verwies auf
den diesjährigen Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften, William D. Nordhaus, der
aus diesem Grund eine CO2-Steuer fordere. Josef Lettenbichler (ÖVP) wies die Darstellung der Opposition, die
Regierung sei bei den Klima- und Energiezielen säumig, vehement zurück. Vielmehr habe man sich gerade
das äußerst ambitionierte Ziel gesetzt, dass bis 2030 die gesamte Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie
erfolgen soll.
E-Control-Vorstand Urbantschitsch sagte, Versorgungssicherheit sei selbstverständlich ein zentrales Anliegen
seiner Behörde. Die EU strebe ein marktorientiertes Modell der Ökostromförderung an, was er für
sinnvoll erachte. Grundsätzlich sei Österreich für die Energiewende grundlegend anders aufgestellt
aus Deutschland. Die Einbeziehung von Unternehmen in den Redispatch-Markt sei eine Entwicklung, von der viel zu
erwarten sei. Dabei könnten auch kleine Anlagen, wenn sie gepoolt werden, einen Beitrag zur Versorgungssicherheit
leisten.
Bundesministerin Elisabeth Köstinger stellte fest, dass die die von der Opposition aufgeworfenen Themen in
der Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung bereits berücksichtigt seien. Sie umfasse etwa die Fragen
der Versorgungssicherheit sowie die Neuausrichtung der Ökostromförderung durch ein Energiegesetz neu.
Man lege auch ein Augenmerk auf die Energieeffizienz, ohne die man den Energiebedarf nicht werde decken können.
Sie setze alle daran, dass man in Fragen des Klimaschutzes nicht nur immer neue Ziele definiere, sondern konkrete
Maßnahmen in Angriff nehmen, betonte Köstinger.
Liste Pilz urgiert Maßnahmen zum Ausbau der erneuerbaren Energien
Dringenden Handlungsbedarf ortet die Liste Pilz beim Ausbau erneuerbarer Energieträger in Österreich.
Bruno Rossmann will dabei bei den Energiegesetzen ansetzen und drängt in seiner Initiative (372/A(E)) auf
einen Gesetzesentwurf, der den Ausbau der Erneuerbaren sicherstellt und insbesondere die jährlichen Ausbauziele
in der Höhe von 4 TWh explizit verankert. Christoph Stark (ÖVP) sah keinen Anlass zu Kritik an der Bundesregierung.
Er erwarte sich, dass das Energiegesetz neu über die Forderungen von Rossmann noch hinausgehen werde, sagte
der Abgeordnete.
Stromnetzstabilität: NEOS wollen Industrie stärker einbinden
Mit neuen Rahmenbedingungen wollen die NEOS auf das Risiko von Engpässen bei der Stromversorgung reagieren,
wobei es Josef Schellhorn vor allem darum geht, die Industrie in das Engpassmanagement einzubinden. Betriebe, die
durch ihre Kraftwerksleistungen einen Beitrag zur Netzstabilität leisten, sollen einen durch marktkonforme
Ausschreibung ermöglichten Zugang zum Redispatch-Markt erhalten, lautet eine Forderung seines Antrags (141/A(E)
). Schellhorn tritt überdies dafür ein, Unternehmen mit besonders netzdienlichem Verhalten eine Netzkostensenkung
zu gewähren. Wolfgang Klinger (FPÖ) betonte, man nehme die Ideen der NEOS ernst, die Bundesregierung
habe bereits erste Maßnahmen zur Netzkostensenkung gesetzt und plane weitere Schritte.
SPÖ macht Druck bei Energieeffizienzgesetz und KWK-Anlagen
Höhere Steuerungswirkung erwartet sich die SPÖ von einer Änderung des Energieeffizienzgesetzes
und schlägt deshalb in ihrem Vorstoß (98/A) eine Festschreibung von konkreten jährlichen Energieeffizienzmaßnahmen
für die Jahre nach 2020 für die Energielieferanten vor. Muna Duzdar (SPÖ) wollte auch wissen, wann
der Bericht zum Energieeffizienzgesetz zu erwarten sei. Johannes Schmuckenschlager (ÖVP) sagte, das Energiegesetz
Neu werde auch einen Schwerpunkt auf Energieeffizienz legen. Der Bericht werde demnächst fertiggestellt, teilte
Bundesministerin Köstinger mit.
Ferner appellierte Duzdar an die Bundesministerin, bei der EU-Kommission das unterbrochene Notifizierungsverfahren
nach dem KWK-Punktegesetz für Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen fortzusetzen. Im Einzelnen geht es dabei
um die Mitteilung des neuen Förderschemas für KWK-Anlagen an Brüssel, um den Weg für die gesetzliche
Verankerung der Förderungen in einem nächsten Schritt freizumachen (165/A(E)). Christian Höbart
(FPÖ) hielt ihr entgegen, dass die Bundesregierung an einem Gesamtpaket zu Förderungen arbeite, das Thema
KWK-Anlagen werde Teil des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes sein.
Versorgungssicherheit bei Strom, Ausbau der Fernwärme: SPÖ will Regierung in die Pflicht nehmen
In einem weiteren Antrag (264/A(E)) mahnt die SPÖ eine Versorgungssicherheitsstrategie bei Strom ein. Das
Konzept sollte bestehende kalorische und vor allem erneuerbare Kraftwerke, Speicherkapazitäten und Flexibilisierungsoptionen
berücksichtigen, betonte SPÖ-Abgeordnete Duzdar, der es auch um ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis
und um die Vermeidung von Mehrbelastungen für die EndkundInnen geht. Josef Lettenbichler (ÖVP) verwies
dazu auf die Mission 2030 der Bundesregierung, die eine Versorgungssicherheitsstrategie enthalte. Er sehe keinen
Anlass zu Panikmache in dieser Frage.
Defizite bei der Förderung von Fernwärme und Fernkälte ortet die SPÖ, die in einem Entschließungsantrag
(265/A(E)) an die Ministerin appelliert, im Sinne der Erreichung der Klimaziele eine kontinuierliche Finanzierung
des Ausbaus in der gesetzlich vorgesehenen Höhe von bis zu 60 Mio. € jährlich vorzusehen. Auch diese
Forderung der SPÖ sieht Wolfgang Klinger (FPÖ) in der Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung
bereits abgedeckt.
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