Von 11. Oktober bis 30. November 2018 im Ausstellungszentrum im Ringturm
Wien (vig) - Die Herbstausstellung der Reihe "Architektur im Ringturm" des Wiener Städtischen
Versicherungsvereins steht ganz im Zeichen des kulturellen und architektonischen Reichtums Georgiens. Sie knüpft
an die 2016 gezeigte Schau über die Architektur in Georgiens Hauptstadt an und wirft einen Blick über
die Grenzen Tiflis hinaus: in die Stadt Gori, westlich von Tiflis im georgischen Kernland, nach Kutaissi, der zweitgrößten
Stadt des Landes, in den Kurort Zqaltubo und in die Hafenstadt Batumi am Schwarzen Meer.
Einzigartige Bauten des 20. Jahrhunderts werden vorgestellt: von den in dezentem Klassizismus russischer Prägung
gestalteten Jugendstilbauten in der Hauptstadt, den architektonisch sowie kulturgeschichtlich bedeutenden Bauten
aus den Jahrzehnten der Zugehörigkeit zur Sowjetunion - die in Dimension, Raumkomposition und Baumaterialien
eine eigenständige Entwicklung darstellen - über die markant modernistischen Architekturen aus der Regierungszeit
Micheil Saakaschwilis bis hin zu den jüngsten Entwicklungen der aufstrebenden Hafenstadt Batumi.
Auch die jahrhundertealten Badehäuser in persischer Bauart, die bei den heißen Quellen in Tiflis zu
finden sind, werden im Rahmen der Ausstellung präsentiert.
Tiflis
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Georgien zu einer Teilrepublik der Sowjetunion. Die Folge
war Gigantomie in der Baupolitik und die Abkehr vom Individualismus. Tiflis wurde zu einem der größten
architektonischen Experimentierfelder der jüngeren Geschichte.
Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zog sich der Staat zurück, seitens der öffentlichen
Hand wurden keine größeren städtebaulichen Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnsituation der
Bevölkerung mehr durchgeführt. Erst dank des persönlichen Engagements von Georgiens ehemaligem Präsidenten
Micheil Saakaschwili (von 2004 bis 2013, mit Unterbrechungen, im Amt) wurden im ganzen Land neue Bauprojekte realisiert.
Dafür wurden Architekten von internationalem Renommee aus Deutschland, Italien und Spanien engagiert. Ihre
Aufgabe sollte es sein, ein Gegengewicht zur Architektur aus der Zeit der Sowjetunion zu schaffen.
In Tiflis gilt seit Jahrhunderten höchste religiöse Toleranz. Ein architektonischer Beweis hierfür
ist das Nebeneinander von 48 orthodoxen und armenisch-gregorianischen Kirchen sowie jeweils zwei Moscheen, jüdischen
Synagogen und römisch-katholischen Kirchen.
Gori
Westlich von Tiflis, im Kernland Georgiens, liegt die Stadt Gori an der Mündung des Flusses Liachwi. Ihren
Namen verdankt Gori der weithin sichtbaren Felsenfestung "Goris-Ziche" ("Festung auf einem Hügel"),
die auch das alte Stadtzentrum markiert.
Im Jahr 1949 wurde ein Generalplan für den urbanen Ausbau der Stadt unter Berücksichtigung des historischen
Stadtbildes erarbeitet. Der Stadtkern sollte von Industriebauten verschont bleiben, es wurden nur überwiegend
niedrige Bauten zugelassen. Eine neu geschaffene breite Nord-Süd-Achse verbindet das Stadtzentrum mit dem
Bahnhof. Darüber hinaus wurden ein neuer Museumskomplex, ein Hotel sowie ein Forschungsinstitut errichtet.
Als Heimatstadt von Sowjet-Diktator Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili (vulgo Josef Stalin) beherbergt Gori
auch das Stalin-Museum.
Kutaissi
Kutaissi ist die zweitgrößte Stadt Georgiens und das kulturpolitische Zentrum im Westen des Landes.
2012 wurde der Parlamentssitz von Tiflis nach Kutaissi verlegt, in ein gläsernes, futuristisch anmutendes
200 Millionen Dollar teures Parlamentsgebäude am Stadtrand, umgeben vom
"Millenium"-Park. Noch im selben Jahr wurde ein anderes großes Entwicklungsprojekt realisiert und
feierlich eröffnet, der Kutaissi-David-Agmashenebeli-Flughafen.
Das architektonische Erbe der Stadt hingegen ist von bescheidenem Ausmaß: So verlor die Bagrati- Kathedrale
aus dem 11. Jahrhundert im vergangenen Jahr nach übermäßiger Restaurierung ihren Status als UNESCO-Weltkulturerbe.
Lediglich ein großes Theaterhaus und einige Bauten aus dem
19. Jahrhundert laden noch zur Besichtigung ein.
Zqaltubo
Zqaltubo ist weltweit bekannt für seine heilenden Quellen und liegt inmitten einer saftig grünen
Hügellandschaft, umgeben vom Kolchischen Wald. Hier präsentieren sich kunstvoll erbaute Kurhäuser
in neoklassischer Opulenz mit hohen griechischen Säulen. Vor kurzem wurde das Kurhaus Quelle Nr. 6 (eine Kombination
aus Kurhaus und Hotel) saniert und modernisiert, in dem einst auch Stalin badete.
Auch ein Krückenmuseum - vermutlich das weltweit einzige seiner Art - ist in Zqaltubo zu finden und beeindruckt
mit einer herausragenden Sammlung. Menschen, die am Kurort vollständig geheilt wurden, ließen ihre Krücken
zurück, um so die heilenden Eigenschaften der Quellen zu bezeugen.
Zwischen den Jahren 1931 und 1956 wurde Zqaltubo maßgeblich umgestaltet. Aufgrund der geografischen Situation
wurde die Stadt als Amphitheater geplant. Für die kreisförmige Anlage des Kurortes wurden 80 Hektar Territorium
eingerechnet. Die Wohnbezirke verlegte man vom Zentrum nach Süden, um so den Bau des Kurorts zu sichern, der
1953 schließlich zur Kreisstadt erklärt wurde.
Die Mitte der 1940er Jahre erbaute Eisenbahn verband Zqaltubo mit der UdSSR. Der Fluss wurde vom Kurort weg und
in eigene Kanäle geleitet. Rund um diese Kanäle errichtete man Ringstraßen. Das Gebiet zwischen
der ersten und der zweiten Ringstraße gehörte zu den Kurhäusern, dahinter lag die Wohnzone, gefolgt
von Parklandschaften und Wäldern. Der dritte Ring sollte die umgebende Landschaft zusammenfügen.
Batumi
Batumi ist die Hauptstadt der selbstständigen georgischen Provinz Adscharien. Die 1883 an die transkaukasische
Eisenbahn angeschlossene Stadt ist nicht zuletzt wegen ihrer Raffinerie weit über die Grenzen Georgiens hinaus
bekannt, in der Rohöl aus Aserbaidschan verarbeitet wird.
In den letzten Jahren erlebte Batumi einen Aufschwung, von dem zahlreiche Neubauten zeugen, darunter einige
sehr gewagte und spektakuläre. Sie stehen im Kontrast zu den teilweise restaurierten und meist exotisch anmutenden
dreistöckigen Gebäuden der Altstadt, die aus dem 19. und 20. Jahrhundert stammen. Die sehr bekannte,
beinahe 7 km lange und im Jahr 1881 eröffnete Uferpromenade wurde komplett neu gestaltet.
Tiflis und seine Bäder
Die berühmten Bäder in Tiflis sind im nördlichen Seidabadi-Viertel beheimatet. Seit mehr als
700 Jahren werden die unter der Stadt befindlichen heißen Schwefelquellen genutzt, rund
65 Schwefelbäder zählte Tiflis im 13. Jahrhundert. Heute sind nur noch einige wenige Bäder in Betrieb,
die ältesten davon datieren aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Die im persischen Stil aus Backstein erbauten Bäder zeichnen sich durch halbkugelige Kuppeln aus. Im Zentrum
der Badehäuser empfangen mit Marmor verkleidete Säle die Besucher. Oberhalb der Bassins befinden sich
des Öfteren schmale Sitznischen, am Rand laden Bänke zum Verweilen ein.
Katalog
Architektur im Ringturm LII.: Zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer: Georgien.
Hg. Adolph Stiller. 180 Seiten. Beiträge von Fried Nielsen, Nini Palavandishvili, Adolph Stiller, Irina Kurtishvili.
Mit zahlreichen Fotos, Plänen und Auswahlbiographie.
Müry Salzmann Verlag. Preis: 28 Euro
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