10 Jahre nach der Insolvenz von Lehman Brothers fallen 1,23% der österreichischen Un-ternehmen
jährlich aus
Wien (creditreform) - Creditreform hat erstmals für Österreich die jährlichen Unternehmensausfälle
gemessen. In Koope-ration mit Univ.-Prof. Dr. Walter S. A. Schwaiger von der TU Wien, Leiter des Instituts für
Manage-mentwissenschaften, Finanzwirtschaft und Controlling, wurden anhand der Creditreform Wirt-schaftsdatenbank,
die alle Unternehmen und selbständig Tätige mit in Sitz in Österreich umfasst, die Ausfälle
analysiert. Das Ziel der vorliegenden statistischen Ausfallstudie (Statistical Default Study) besteht darin, anhand
der Ausfallraten die derzeitige Risikosituation österreichischer Unternehmen zu beleuchten.
Zur Messung von Unternehmensausfällen wurden erstmals nicht nur die Insolvenzen, sondern dar-über hinaus
auch die Ausfallsereignisse nach der Definition von "Basel III", des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht,
herangezogen. Demnach gilt ein Unternehmen als ausgefallen, wenn es über 90 Tage im Zahlungsverzug ist bzw.
wenn es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit seinen Zahlungsver-pflichtungen nicht nachkommen wird können. Diese
Messung von Kreditausfällen korrespondiert mit den Sachverhalten, welche mit dem Creditreform-Bonitätsindex
gemessen werden. Dieser reicht von 100 (hervorregende Bonität) bis 600 (Insolvenz). Ab einem Bonitätsindex
von 500 gilt eine Forderung als ausgefallen.
Geringste Ausfallrate seit Beginn der Wirtschaftskrise
Lag die Ausfallrate am Höhepunkt der Wirtschaftskrise im Jahr 2009 bei 1,7%, so fielen im Jahr 2017 nur
mehr 1,23% der heimischen Unternehmen aus. Damit sind österreichische Unternehmen auch krisenresistenter als
deutsche Firmen. Nach einer korrespondierenden Creditreform-Studie in Deutschland beträgt die Ausfallrate
bei Österreichs wichtigstem Wirtschaftspartner 1,44%. Im 10-Jahres-Vergleich betrachtet fielen 1,48% der österreichischen
Unternehmen aus.
Jungunternehmen besonders stark betroffen
Ein Blick auf das Unternehmensalter der betroffenen Betriebe zeigt, dass die Ausfallrate mit dem Unternehmensalter
signifikant sinkt. Je jünger ein Unternehmen ist, desto höher ist die Ausfallwahr-scheinlichkeit, desto
auch höher das Risiko eines Forderungsausfalles für die Gläubiger. Beträgt bei Unternehmen,
die jünger als zwei Jahre sind, die Ausfallrate 3,74%, so sind nur 0,7% der Unterneh-men älter 10 Jahre
von Ausfällen betroffen.
Grundstoffindustrie krisenfester als Verkehr/Logistik und Baugewerbe
Bei den 10 analysierten Branchen (Einteilung nach ÖNACE 2008) zeigt sich, das die Ausfallrate in der Grundstoff-
und Chemischen Industrie, im Großhandel und in der (Konsumgüter-)Produktion nicht nur am niedrigsten
ist, sondern auch unter dem Österreichdurchschnitt liegt. Am anderen Ende der Skala liegen das Transportwesen,
das Baugewerbe und Konsumnahe Dienstleistungen.
Einfluss der Konjunkturentwicklung auf die Ausfallrate
Setzt man die Entwicklung der Ausfallrate in Korrelation zur Veränderung des realen, inflationsberei-nigten
Bruttoinlandsprodukts, zeigt sich eine deutlich gegenläufige Entwicklung. Wenn sich das reale BIP negativ
verändert, dann steigt die Ausfallrate. Dies sieht man beispielsweise beim großen Krisen-jahr 2009.
Im Jahr 2017, wo es eine positive konjunkturelle Entwicklung gegeben hat, ist der Zusammenhang genau umgekehrt.
Univ.-Prof. Schwaiger hat auch den Einfluss der BIP-Entwicklung auf die Ausfallrate analysiert und ist zu dem Ergebnis
gekommen, dass 65% der Ände-rung der Ausfallrate konjunkturbedingt sind. 35% gehen auf Managementfehler, Kapitalmangel,
Wett-bewerb etc. zurück.
West-Ost-Anstieg im Bezirksvergleich
Betrachtet man die Ausfälle auf Bezirkseben so zeigt sich, dass im Westen Österreichs weniger Un-ternehmen
ausfallen. Hingegen steigt die Ausfallrate je weiter man in den Süden und Osten blickt. Die niedrigste Ausfallrate
weisen die Bezirke Landeck (0,12%), Hermagor (0,30%) und Bludenz (0,33%) aus, die höchste Ausfallrate findet
man in Klagenfurt-Land (2,54%), Neunkirchen (2,36%) und Klagenfurt-Stadt (2,20%).
Conclusio
Abschließend seien noch Überlegungen zum praktischen Nutzen der vorliegenden Ausfallstudie skizziert.
Die statistische Messung von Ausfallrisiken ist eigentlich für alle Unternehmen wichtig. Alle Unternehmen
haben ein Finanzierungsproblem zu lösen, und dabei spielt das Ausfallrisiko - egal ob bei Eigen- oder Fremdfinanzierung
- eine zentrale Rolle. Um gute und kostengünstige Kapitalstruktu-ren implementieren zu können, ist die
Kenntnis des eigenen Ausfallrisikos unumgänglich. Im Banken-bereich wird dieses Risiko ähnlich wie in
der vorliegenden Studie ermittelt. Folglich sind die Ergeb-nisse der Studie auch für Banken bedeutsam, um
ihre eigenen Risikoberechnungen einer externen Benchmark-Analyse zuführen zu können.
Last but not least sind die Ergebnisse aber sicherlich auch für Wirtschaftsvertretungen und die Poli-tik
auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene von großer Relevanz. Die gemessenen Ausfallrisiken geben nämlich
finanzwirtschaftlich wichtige zusätzliche Einblicke in die wirtschaftliche Lage von Branchen, der gesamten
österreichischen Wirtschaft sowie von Bundesländern und Bezirken. Diese Einblicke können von den
politisch zuständigen und verantwortlichen Entscheidungsträgern durchaus ver-wendet werden, um die wirtschaftliche
Qualität ihrer politischen Entscheidungen überprüfen und sodann im Zeitablauf verbessern zu können.
Aus dieser Analyse können interessante Anregungen für wirtschaftspolitische Vorhaben abgeleitet werden.
Tiefergehende Studien können jederzeit ent-wickelt werden.
Creditreform Unternehmensinformation:
Creditreform ist Europas bedeutendste Gläubigerschutzorganisation und seit 1889 in Österreich tätig.
4.500 Mitarbeiter in 176 Geschäftsstellen in 22 Ländern Europas und in China erbringen für 165.000
Kunden professionelle Dienstleistungen: von Marketingdatenbanken über das Risiko- und Forderungsmanagement,
Wirtschaftsauskünfte über Unternehmen und Konsumenten, Unterneh-mensratings und in Österreich auch
die Vertretung von Gläubigern in Insolvenzverfahren vor den Insolvenzgerichten.
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