Schulterschluss gegen EU-Beitritt der Türkei – Erstes offizielles Abkommen zwischen der
EU und Kuba gebilligt
Wien (pk) - Angesichts der aktuellen politischen Situation in der Türkei unter Recep Tayyip Erdogan
ist es am 19. Oktober im Außenpolitischen Ausschuss zu einem klaren Schulterschluss zwischen den fünf
Parlamentsfraktionen gekommen. In einem gemeinsamen Antrag stärkt das Parlament damit der Regierung den Rücken,
sich auch weiterhin gegen EU-Beitrittsgespräche mit dem Land am Bosporus einzusetzen. Dennoch betonte Außenministerin
Karin Kneissl, dass Österreich bilateral etwa auf Beamtenebene oder in der Kulturdiplomatie im Gespräch
mit der Türkei bleiben werde.
Geht es um die jüngsten Verhaftungen österreichischer StaatsbürgerInnen wie jene des Journalisten
Max Zirngast, sagte Ministerin Karin Kneissl, dass sie beim türkischen Außenminister faire Verfahren
eingefordert habe. Wie in all diesen Fällen würde der Weg der Diplomatie verfolgt, ein mediales Hochspielen
sei allerdings kontraproduktiv.
Neben dem ersten offiziellen Abkommen zwischen der EU und Kuba hat der Außenpolitische Ausschuss zudem ein
erweitertes Abkommen zwischen Österreich und der Schweiz zur grenzüberschreitenden Luftraumsicherung
sowie ein Kunst- und Kulturabkommen mit Bosnien und Herzegowina genehmigt. Außerdem zieht Österreich
inhaltliche Vorbehalte gegenüber der UN-Antifolterkonvention zurück.
Kneissl will Dialog mit der Türkei fortführen
Verknüpft mit dem Nein zu einem EU-Beitritt der Türkei werden Bundeskanzler Sebastian Kurz und seine
MinisterInnen in der gemeinsam gefassten Resolution außerdem dazu aufgefordert, auf eine Verbesserung der
Menschenrechtssituation für JournalistInnen, OppositionspolitikerInnen und im Speziellen für die kurdische
Zivilbevölkerung hinzuwirken (398/A(E)).
Um den Dialog mit der Türkei fortzuführen, plant die Ministerin demnächst eine Reise nach Ankara,
um bestimmte Dinge weiter zu besprechen, wie sie dem Ausschuss mitteilte. "Wir haben eine Gesprächsbasis",
sagte sie, "ich glaube fest an die Tugend des Dialogs."
"Jetzt ist es soweit, dass wir aufgrund der Lage der Menschenrechte und Presse- und Versammlungsfreiheit in
der Türkei reagieren müssen", sagte Abgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ), die persönlich, wie
sie sagte, immer gegen einen Abbruch der Gespräche mit der Türkei eingestanden habe. Nun sei aber die
Grenze erreicht.
Abgeordnete Stephanie Krisper (NEOS) meinte, dass es wichtig sei vonseiten der EU zu signalisieren, dass sie nur
mit Ländern verhandelt, die die europäischen Grundwerte einhalten. Sie halte es allerdings auch für
sinnvoll, der Türkei gegenüber Kommunikationskanäle offen zu halten, um das Land auf längere
Sicht wieder als verlässlichen Partner für Europa zu gewinnen.
5-Parteien-Antrag zur Freilassung aller in der Türkei verhafteten ÖsterreicherInnen geplant
Auf Basis eines Oppositionsantrags (342/A(E)), wonach die Regierung alles in ihrer Macht stehende tun soll, um
die Freilassung des seit Mitte September verhafteten österreichischen Journalisten Max Zirngast zu erwirken,
soll schon bald ein 5-Parteien-Antrag für alle in der Türkei unter fragwürdigen Umständen verhafteten
ÖsterreicherInnen im Parlament eingebracht werden. Der ursprüngliche Antrag wurde demnach vertagt.
Luftraumsicherung mit der Schweiz: Überfliegen der Staatsgrenze künftig erlaubt
Militärflugzeuge Österreichs und der Schweiz dürfen derzeit die gemeinsame Staatsgrenze nicht überfliegen,
um einander ein verdächtiges Luftfahrzeug zu übergeben, und etwa so zu verhindern, dass es in das eigene
Hoheitsgebiet zurückfliegt. Nun wird das Überfliegen der gemeinsamen Staatsgrenze zur Luftraumüberwachung
künftig erlaubt sein, das Abkommen mit der Schweiz wird entsprechend erweitert und wurde vom Außenpolitischen
Ausschuss einstimmig gebilligt. Durch das erweiterte Abkommen soll keines der beiden Länder Hoheitsrechte
abgeben, der Einsatz von Waffen oder Warnschüssen im Staatsgebiet des jeweils anderen Landes ist verboten
(112 d.B.). Dementsprechend strich Ministerin Kneissl im Ausschuss hervor, dass sich mit dem Abkommen an der Souveränität
Österreichs, seinen eigenen Luftraum zu schützen, nichts ändert.
Kunst- und Kulturabkommen mit Bosnien und Herzegowina
Ein neues Kunst- und Kulturabkommen mit Bosnien und Herzegowina wird das bisher gültige Abkommen zwischen
der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Zusammenarbeit
auf den Gebieten der Kultur, Wissenschaft und Erziehung aus dem Jahr 1972 ablösen (114 d.B.).
Mit allen anderen Ländern Südosteuropas gebe es bereits entsprechende Abkommen, "nun können
wir auch endlich diesen weißen Fleck schließen", meinte Abgeordnete Alma Zadic (PILZ).
Österreich zieht Vorbehalte gegenüber UN-Antifolterkonvention zurück
Österreich hat die Antifolterkonvention der UNO 1987 mit Vorbehalten gegenüber den Bestimmungen zur Verfolgung
von strafbaren Handlungen durch die Vertragsstaaten ratifiziert. Durch Gesetzesänderungen sei die Erklärung
Österreichs zum entsprechenden Art. 5 des Übereinkommens nicht mehr notwendig und könne zurückgezogen
werden (145 d.B.), befand auch der Ausschuss. Ein wesentlicher Faktor sei dabei, dass damit Österreichs Gerichtsbarkeit
im Sinne der internationalen Bekämpfung von Folter erweitert werde, sagte Harald Troch (SPÖ).
Erstes offizielles Abkommen zwischen der EU und Kuba
Mit einem Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit schlägt die Europäische Union ein
neues Kapitel in den Beziehungen zu Kuba auf. Das erste offizielle Abkommen zwischen beiden Seiten soll die Handelsbeziehungen
sowie den Modernisierungsprozess Kubas in Sachen nachhaltiger Entwicklung, Demokratie und Menschenrechte unterstützen
(237 d.B.).
Ein Teil des Abkommens wird seit November 2017 bereits angewendet, endgültig tritt das Abkommen in Kraft,
wenn es von allen EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde. Vonseiten Österreichs wird es keine Vorbehalte geben,
der Vertrag wurde vom Außenpolitischen Ausschuss einstimmig gebilligt. Kuba brauche einen vehementen Modernisierungsschub
in der Wirtschaft. Den Weg aus der politischen Isolation und hin zu mehr Menschenrechten ist etwas, das Österreich
und Europa mitbegleiten wolle, sagte Kneissl.
SPÖ sieht Rechtsstaatlichkeit in EU-Mitgliedsstaaten in Gefahr
Angesichts der EU-Grundrechtsverfahren gegen Polen und Ungarn zeigt sich die SPÖ besorgt um die Rechtsstaatlichkeit
und Demokratie in Europa. Die EU brauche strengere Instrumente, um Verletzungen von Grundrechten, Rechtsstaatlichkeit
und Demokratie in den Mitgliedsländern zu sanktionieren. Die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten sind
nach Meinung der SPÖ zu wenig zielgerichtet, um bedrohliche Entwicklungen bereits in einem frühen Stadium
abzufedern (251/A(E)).
Sie fordert deshalb Bundeskanzler Sebastian Kurz sowie Europaminister Gernot Blümel auf, in Brüssel für
ein kontinuierliches Monitoring der Rechtsstaatlichkeit und stärkere Sanktionsmöglichkeiten bei Rückschritten
einzutreten. Außerdem sollen sich Kurz und Blümel dafür einsetzen, dass die Vergabe von EU-Zuschüssen
an die Einhaltung der europäischen Grundrechte geknüpft sowie das bereits existierende Grundrechtsverfahren
(Artikel-7-Verfahren) gestärkt wird.
"Wir beobachten in Europa schon länger, dass das absolute Bekenntnis zur rechtsstaatlichen Demokratie
nicht mehr hochgehalten wird, sondern dass es Tendenzen gibt, diese Grundprinzipien aufzuweichen", so SPÖ-Abgeordneter
Jörg Leichtfried. Die EU habe die Aufgabe, diese Tendenzen nicht hinzunehmen und zu bekämpfen. Die Union
habe die Möglichkeiten dazu in die Hand bekommen, man müsse darüber diskutieren, ob die Verfahren
nicht ausgebaut werden sollten. Es könne nicht sein, dass einige Staaten in "Saus und Braus" sowie
auf Kosten der anderen EU-Mitgliedsländer leben, die europäischen Grundwerte aber nicht ernst nehmen.
Um die Rolle Österreichs als "honest broker" während seines Ratsvorsitzes einzuhalten, wie
Reinhold Lopatka (ÖVP) meinte, wurde der Vorstoß der SPÖ schließlich vertagt. Ausdrückliche
Unterstützung bekam die SPÖ von Stephanie Krisper (NEOS). Österreich könne hier sehr wohl während
der Ratspräsidentschaft Position beziehen, eine Reform des Artikel-7-Verfahrens sei zu begrüßen.
Mit zwei SPÖ-Anträgen für eine parlamentarische Begleitung zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele
(347/A(E)) sowie für mehr humanitäre Hilfe für Äthiopien (346/A(E)) und dem Dreijahresprogramm
der österreichischen Entwicklungspolitik 2019 bis 2021 (III-204 d.B.) wird sich demnächst der Unterausschuss
für Entwicklungszusammenarbeit beschäftigten.
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