Wie DNA-basierte Dendrimere Nanoteilchen transportieren
New York/Jülich/Wien (universität) - Nanokäfige sind hochinteressante molekulare Strukturen
mit Hohlräumen, die z.B. in der Medizin als Träger kleinerer Moleküle genutzt werden können.
Kurze Abschnitte des DNA-Moleküls sind perfekte Kandidaten für das kontrollierbare Design neuartiger
Nanokäfige, der DNA-basierten Dendrimere. Wie man diese robusten und stabilen Objekte mit kontrollierbaren
Eigenschaften erzeugen kann, haben PhysikerInnen von der Universität Wien in Zusammenarbeit mit KollegInnen
von der TU Wien, vom Foschungszentrum Jülich sowie von der Cornell University im Labor und mittels detaillierter
Computersimulationen untersucht. Ihre Ergebnisse werden in der renommierten Zeitschrift "Nanoscale" veröffentlicht.
Nanokäfige sind hochinteressante molekulare Strukturen, sowohl aus der Sicht der Grundlagenforschung als auch
in Hinblick auf mögliche Anwendungen. Die Hohlräume dieser nanometergroßen Objekte können
als Träger kleinerer Moleküle genutzt werden, was in der Medizin für den Medikamenten- oder Gentransport
in lebenden Organismen entscheidend ist. Diese Idee brachte ForscherInnen aus verschiedenen interdisziplinären
Bereichen zusammen, die Dendrime – besondere chemische Verbindungen – als vielversprechende Kandidaten für
die Herstellung solcher Nanoteilchen-Träger untersuchen. Die baumartige Architektur der Dendrimere und ihr
schrittweises Wachstum mit sich wiederholenden, selbstähnlichen Einheiten erlauben die Ausformung von Hohlräumen
mit kontrollierbarem Design. Jahrzehntelange Forschungen haben jedoch gezeigt, dass eine Vielzahl von verschiedenen
Dendrimer-Arten mit zunehmenden Dendrimergenerationen eine Rückfaltung der äußeren Äste erfahren,
was zu einer höheren Dichte der Bestandteile im Inneren des Moleküls führt. Die Wirkung des Rückfaltens
wird durch Zugabe von Salz in die Lösung verstärkt, wodurch flexible Dendrimere stark schrumpfen und
zu kompakten Objekten ohne Hohlräume in deren Innerem werden.
Das Team um Nataša Adžic und Christos Likos von der Universität Wien, Clemens Jochum und Gerhard Kahl (TU
Wien), Emmanuel Stiakakis (Forschungszentrum Jülich, Deutschland) und Thomas Derrien und Dan Luo (Cornell
University, USA) fand einen Weg, Dendrimere zu erzeugen, die so starr sind, dass eine Rückfaltung der äußeren
Arme auch bei hohen Verzweigungsgenerationen verhindert wird. Somit bleiben regelmäßige Hohlräume
in ihrem Inneren erhalten. Darüber hinaus zeichnen sich die neuartigen Makromoleküle durch eine bemerkenswerte
Resistenz gegen Salzzusatz aus: Die WissenschafterInnen zeigten, dass die Morphologie und Konformationseigenschaften
dieser Systeme auch bei Zugabe von Salz selbst in hoher Konzentration unbeeinflusst bleiben.
Die Nanokäfige, die sie im Labor und am Computer erzeugten, sind DNA-basierte Dendrimere, sogenannte Dendrimer-ähnliche
DNAs (DL-DNA). Der Baustein, aus dem sie bestehen, ist eine Y-förmige doppelsträngige DNA-Einheit, eine
dreiarmige Struktur aus doppelsträngiger DNA (ds-DNA). Diese wird durch Hybridisierung von drei einzelsträngigen
DNA-Ketten (ss-DNA), die jeweils teilweise komplementäre Sequenzen zu den beiden anderen aufweisen, gebildet.
Jeder Arm besteht aus 13 Basenpaaren und einem einzelsträngigen Klebeende mit vier Nukleinbasen, welches als
Klebstoff fungiert. Während eine einzelne Y-DNA der ersten Dendrimer-Generation entspricht, ergibt das Anhängen
weiterer Y-DNA-Elemente DL-DNA höherer Generationen. Das resultierende Dendrimer ist eine geladene makromolekulare
Anordnung mit Hohlräumen und baumartiger Architektur. Aufgrund der Steifigkeit der dsDNA sind die Zweige der
DL-DNA ziemlich starr, so dass das gesamte Molekül starr ist. Da DNA geladen ist, erhöht die elektrostatische
Abstoßung zusätzlich die Steifigkeit des Moleküls.
DL-DNA-Moleküle wurden im Labor von den PartnerInnen in Jülich und Cornell mit bemerkenswerter Kontrolle
und Sub-Nanometer-Präzision durch programmierbare Klebeende-Kohäsionen zusammengesetzt. Ihr schrittweises
Wachstum ist in hohem Maß kontrollierbar, unidirektional und nicht umkehrbar. Diese Eigenschaft ist von großer
Bedeutung, da gezeigt werden konnte, dass DNA-basierte Dendrimere eine vielversprechende Rolle bei der Entwicklung
von nanogroßen Barcodes, DNA-basierten Impfstofftechnologien sowie von strukturellen Proben mit multiplexierten
molekularen Sensorprozessen spielen sollen. Größen, Formen sowie weitere für die ExperimentalphysikerInnen
unsichtbare konformative Details wie die Größe der Hohlräume und der Grad der Rückfaltung
der Äste wurden in Wien durch Computersimulationen analysiert. Um die komplexe Struktur von DNA-Einheiten
zu beschreiben, verwendete die Gruppe ein Monomer-aufgelöstes Modell mit sorgfältig ausgewählten
Wechselwirkungen, um die Gleichgewichtseigenschaften der DNA in physiologischer Lösung nachzuahmen. Die ausgezeichnete
Übereinstimmung zwischen Experimenten und Simulationen für die Dendrimer-Eigenschaften bestätigt
die verwendeten theoretischen Modelle und ebnet den Weg für die weitere Untersuchung der Eigenschaften von
Nanokäfigen und ihrer Anwendungen als Nanoteilchen-Träger und als Bausteine für die Entwicklung
biokompatibler künstlicher Materialien.
Die Forschung wird vom Österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) unter
der Projektnummer I 2866-N36 und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unter der Projektnummer STI 664/3-1
gefördert.
Originalpublikation in "Nanoscale":
Clemens Jochum, Nataša Adžic, Emmanuel Stiakakis, Thomas L. Derrien, Dan
Luo, Gerhard Kahl, and Christos N. Likos: Structure and stimuli-responsiveness of all-DNA dendrimers: theory and
experiment, Nanoscale (2018).https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2018/nr/c8nr05814h/unauth#!divAbstract
DOI: 10.1039/C8NR05814H
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