„Ehrenstier“ für Lebenswerk an Gerhard Polt
München/Wien (orf) - Die Gewinner des „Salzburger Stier 2019“ stehen fest: Österreichische Preisträgerin
ist die Sprachartistin und Kabarettistin Lisa Eckhart, für Deutschland wird das Musik-Duo Simon und Jan ausgezeichnet
und für die Schweiz die Bühnenpoetin und Kabarettistin Patti Basler. Der „Ehrenstier“ als Auszeichnung
fürs Lebenswerk geht an Gerhard Polt. Der renommierte Radio-Preis für deutschsprachiges Kabarett wird
beim großen „Stier“-Event von 10. bis 11. Mai 2019 im Kurhaus Meran (Südtirol) überreicht. Gastgeber
ist RAI Südtirol in Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlichen Radiosendern von ARD, ORF und SFR.
Der „Salzburger Stier“ ist mit je 6000 Euro dotiert und wird bereits zum 38. Mal verliehen.
Der „Salzburger Stier 2019“ für Österreich geht an die Sprachartistin Lisa Eckhart. „Gebt ihr Stift,
Papier und Bühne und niemand wird verletzt“ – diesen Satz aus dem Repertoire von Lisa Eckhart könnte
man als Anleitung zum besseren Verständnis dieser außergewöhnlichen Poetry-Slammerin, Sprachartistin
und Kabarettistin verstehen. Die Lust an der scharfen Formulierung scheint der Österreicherin in die Wiege
gelegt. Ironisch gibt die 26-jährige Künstlerin ihrer steirischen Herkunft die Schuld daran, dass sie
Deutsch anfangs als Fremdsprache begriffen hat. Später hat sie an der Pariser Sorbonne Germanistik studiert,
sie lebte zwischenzeitlich in London, arbeitete als Hostess bei Automessen und versuchte sich als Schauspielerin.
Ihr Wunsch, den Inhalt der vorgetragenen Texte auch selbst zu verantworten, führte Lisa Eckhart zuerst in
die Slam-Poetry-Szene. Mit Preisen belohnt wechselte sie das Fach und stellte 2015 ihr erstes Kabarettprogramm
vor: „Als ob sie Besseres zu tun hätten“. Für die Kleinkunstbühne erschuf Lisa Eckhart eine extravagante
Kunstfigur, eine Diva, deren atemberaubend provokantes Auftreten sich im Wortwitz ebenso widerspiegelt wie im Outfit.
Mit geistreicher Provokation spart sie auch in ihrem aktuellen Solo „Die Vorteile des Lasters“ nicht, in dem sie
die Bedeutung der sieben Todsünden für das 21. Jahrhundert durchdekliniert. Neid hält Lisa Eckhart
für die unkreativste aller Sünden, benötigt der Neid doch stets den Vergleich. Interessant hingegen
findet sie die Trägheit, denn nichts zu tun ist in unserer Gesellschaft wohl die größte Leistung.
„Dialog finde ich überbewertet. Hauptsache, ich spreche“, sagt Lisa Eckhart. Ihre satirischen Analysen sind
präzise formuliert und können einmal poetisch, dann wieder deftig ausfallen. Klug, auf exzellentem sprachlichem
Niveau, gnadenlos-pointiert und ohne die politische Unkorrektheit zu scheuen, arbeitet sie an dem Gesamtkunstwerk
„Lisa Eckhart“. Und dabei bereichert sie den schwarzen Humor um eine neue schillernde Facette.
Können Karnickel kotzen? Sind Ponys doof? Was tun, wenn einer einfach nur nervt? Das Musik-Duo Simon und Jan
– bestehend aus Simon Eickhoff und Jan Traphan – hat sich diese Fragen nicht nur ausgedacht, die beiden haben auch
echte Antworten darauf. Ihre Lieder sind Statements, die die Welt von heute erklären können und den Irrsinn
der Zeit glasklar wiederspiegeln – im Gleichklang zarter Melodien. Hört sich blumig an, funktioniert aber.
Seit 2006 sind sie zusammen auf deutschen Bühnen unterwegs. Dass sie miteinander harmonieren, wissen die beiden
Oldenburger seit ihrem gemeinsamen Musikstudium. Ihre große Kunst ist es, völlig unaufgeregt den Zeitgeist
zu treffen, wenn sie sich in aller Ruhe Gedanken machen über Gott und die Welt, gegen ein Leben am Limit und
gegen jeden Trend. Simon und Jan, das scheint so einfach zu sein: eine Bühne, zwei Männer, zwei Gitarren
und vielleicht noch eine kleine Beatbox. Hinzu kommen: perfekte musikalische Übereinstimmung, ein grandioses
Gitarrenspiel und ein engelsgleicher Harmoniegesang. Dazu Texte von sprachlicher Präzision und satirischer
Tiefe, lustig, komisch, derbe, anrührend. Ihre Themen finden Simon und Jan, indem sie ihre Umwelt aufmerksam
wahrnehmen und in die Köpfe der Menschen und in deren Facebook-Accounts sehen. Alles was sie da bei ihren
Recherchen so mitbekommen, können sie für ihre Lieder gebrauchen. Wut oder Weltschmerz, das kleine Glück
oder das große Ego: Ihre Lieder zielen ins Hirn und treffen ins Herz. Die deutschen Preisträger des
„Salzburger Stieres 2019“ prägen die neue junge deutschsprachige Liedermacherszene 2.0. Sie sind nicht nur
live unterwegs, sondern spielen auch im Netz, zehntausendfach geklickt und geliked.
Patti Basler ist Bühnenpoetin, Autorin und Kabarettistin. Sagt zumindest ihre Website. Im Herzen ist die ausgebildete
Erziehungswissenschaftlerin mit Nebenfach Kriminologie aber unser aller Lehrerin. Eine Lehrerin, die Fehler nicht
korrigiert, sondern gnadenlos protokolliert. Ja, vermutlich ist Patti Basler die schnellste satirische Protokollantin
des Abendlandes. Wortspiele sind ihr Colt. Seit Neuestem beweist sie das auch in der Polit-Diskussionssendung „Arena“
des Schweizer Fernsehens. Auf der Bühne, in ihren Programmen und Moderationen, registriert, kommentiert und
persifliert sie schon seit neun Jahren die Unzulänglichkeit der Menschheit. Eine Arbeit, die freilich dem
Ausmisten der Augias-Ställe gleicht, aber just da kann sich die in einer Bauernfamilie aufgewachsene Bühnenpoetin
auf eine gute Kondition verlassen. In ihrem ersten Bühnenprogramm „Frontalunterricht“ mistete sie, zusammen
mit Bühnenpartner Philippe Kuhn, auch schon das Schweizer Schulsystem aus. Ganz nebenbei erobert Patti Basler
Offene Bühnen und Slam-Battles, wurde 2018 Vize-Schweizermeisterin im Poetry Slam und betreibt auf Schweizer
Radio SRF 1 das satirische Sorgentelefon „Die dargebotene Faust“. Im März 2019 erscheint ihr zweites Bühnenprogramm
„Nachsitzen“. Weil sie die sprachlichen und politischen Widersprüche der Zeit zuverlässig und mit fauststarker
Direktheit auf den Punkt bringt, hat die Schweizer Jury Patti Basler einstimmig zur Gewinnerin des „Salzburger
Stiers 2019“ erkoren.
„Ehrenstier“ an deutschen Sprachphilosophen und Kabarettisten Gerhard Polt
Der „Ehrenstier“ - er wird in unregelmäßigen Abständen vergeben und gilt als Auszeichnung für
das Lebenswerk – geht 2019 an Gerhard Polt. Wenn Gerhard Polt da ist, dann ist er da. Steht im Raum oder auf der
Bühne und füllt sie aus. Mühelos. Wahrscheinlich liegt darin sein Geheimnis: dass er die Fähigkeit,
einfach nur da zu sein, beherrscht wie kaum ein anderer. Seit über vierzig Jahren brilliert Polt als Kabarettist
und Satiriker, als Filmregisseur und Hörspielmacher, als Geschichtenerzähler und Philosoph. Er braucht
keinen Ruhestand, um in sich zu ruhen. Um „herumzuschildkröteln“ und das „Vor-sich-hin-Sinnlosen“ zu kultivieren.
Das sind so Begriffe, wie sie nur dem Polt einfallen und in denen eine ganze Lebensphilosophie kristallisiert.
Ruhe, das ist für Gerhard Polt die Voraussetzung, um die Komik zu sortieren, die in der Welt herumliegt. Um
den Wahnsinn im Alltäglichen zu erkennen. Polt ist ein begnadeter Beobachter. Er schaut seinen Zeitgenossen
aufs Maul. Auch und gerade dann, wenn es weh tut. Wenn der Mensch seine monströse Seite zeigt. Wenn er sich
als engstirnig, kleingeistig und ignorant erweist. Polt wuchtet ihn auf die Bühne, in seiner ganzen furchterregenden
Banalität, schauderhaft echt, eben „fast wia im richtigen Leben“.
Der „Salzburger Stier“ ist mit jeweils 6000 Euro dotiert und wird seit 1982 jedes Jahr an Kabarettistinnen und
Kabarettisten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz verliehen - 2019 bereits zum 38. Mal. Er ist nicht
nur einer der begehrtesten Kabarettpreise, sondern auch die größte Radio-Koproduktion im Bereich Unterhaltung.
Nicht weniger als zehn Radiostationen arbeiten für den „Salzburger Stier“ eng zusammen: ORF, Schweizer Radio
und Fernsehen, sieben ARD-Sender sowie die RAI Südtirol.
Den Auftakt des Kabarettforums „Salzburger Stier 2019“ im Kurhaus Meran werden am 10. Mai 2019 Gerhard Polt &
die Well-Brüder aus‘m Biermoos bestreiten. Die Preisverleihung findet am Samstag, den 11. Mai 2019 statt.
An diesem Abend unterhalten die „Stier“-Preisträgerinnen mit Auszügen aus ihren aktuellen Programmen.
Ö1 überträgt den Eröffnungsabend live ab 20.00 Uhr aus dem Kurhaus Meran. Ausführliche
Porträts der Ausgezeichneten sind am 19. und 26. Mai sowie am 2. Juni im Kleinkunstmagazin „Contra“ zu hören
- immer sonntags um 19.05 Uhr in Ö1. Weitere Informationen sind abrufbar unter https://oe1.orf.at/salzburgerstier und http://www.salzburgerstier.org.
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