Außerdem Thema im EU-Unterausschuss: Multilateraler Investitionsgerichtshof
Brüssel/Wien (pk) - Die Europäische Union will künftig ausländische Übernahmen
im Binnenmarkt besser überwachen. Zwar trügen derartige Direktinvestitionen zum Wirtschaftswachstum der
Union bei, befindet die EU-Kommission. Jedoch bereiteten sie den Mitgliedstaaten bei gesellschaftlich und wirtschaftlich
wichtigen Bereichen, etwa Hafeninfrastrukturen, vermehrt Sorge. In einem Verordnungsvorschlag , den der EU-Unterausschuss
des Nationalrats am 16. Oktober debattierte, denkt die Kommission daher einen neuen gesetzlichen Rahmen zur
Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen an. Ziel der vorgeschlagenen Maßnahmen ist laut
Kommission, die Transparenz bei Übernahmen zu erhöhen, besonders wenn sie womöglich Auswirkung auf
Programme von Unionsinteresse – beispielsweise "Horizon 2020" – haben.
Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren beschäftigten die Ausschussmitglieder im Zusammenhang mit dem Kommissionsplan
, einen multilateralen Investitionsgerichtshof einzurichten. Am deutlichsten begrüßten ÖVP und
NEOS das Vorhaben, weil dadurch österreichische Exportunternehmen mit ihren Investitionen im Ausland mehr
Rechtsschutz erhielten. Als Teil der "gemischten Kompetenz" bei Investitionsabkommen müssen die
Streitbeilegungsbestimmungen sowohl von der EU als auch von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden.
Direktinvestitionen: Europäische Infrastruktur besser schützen
Äußerst positiv bewerte sie das EU-Vorhaben zum Schutz vor Gefahren ausländischer Direktinvestitionen,
sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck im Ausschuss. Sie sieht sich damit im Einvernehmen mit ihren
EU-MinisterkollegInnen, weswegen Schramböck einen Abschluss der Verhandlungen über den Kommissionsvorschlag
für verbessertes Foreign Direct Investment (FDI)- Screening mit Ende 2018 erwartet, wie sie Abgeordneter Carmen
Jeitler-Cincelli (ÖVP) mitteilte. Österreich sei mit seinem Außenwirtschaftsgesetz bereits Vorbild
für viele Mitgliedstaaten, die ihre Rechtslage entsprechend anpassen würden. Der EU-Kommission werde
auch künftig kein Veto-Recht gegen nationalstaatliche Entscheidungen für ausländische Investitionen
zustehen, betonte Schramböck, nachdem FPÖ-Abgeordneter Markus Tschank die praktischen Auswirkungen auf
Österreich hinterfragt hatte. Allerdings strebe man einen verstärkten Informationsaustausch zwischen
Kommission und Mitgliedstaaten über große ausländische Investitionsvorhaben in sensiblen Bereichen
an, nannte die Ministerin China und die USA als potentielle Investoren in Bereichen wie Infrastruktur und Technologie.
Die Vertraulichkeit im Datenaustausch zwischen Brüssel, dem jeweiligen EU-Land und dem betroffenen Unternehmen
werde dabei sichergestellt.
Aktuell sei die EU eine der offensten Volkswirtschaften für eingehende ausländische Direktinvestitionen,
schreibt die EU-Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag, "der Zufluss solcher Investitionen in die EU steigt
beständig". Auf globaler Ebene nähmen indessen die Beschränkungen für ausländische
Direktinvestitionen seit 2016 zu. Obwohl die EU-Kommission betont, die Union werde weiterhin grundsätzlich
offen für ausländische Direktinvestitionen sein, pocht sie darauf, dass von den Investoren EU-Regeln
zu beachten sind. Außerdem müssten die Vermögenswerte der Union gegenüber Investitionen geschützt
werden, wenn sich daraus eine Gefahr für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung in der EU und ihren
Mitgliedstaaten ergibt.
Zur Überprüfung von Direktinvestitionen aus Nicht-EU-Staaten will die Europäische Kommission enger
mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um zu bewerten, ob eine bestimmte ausländische Investition in mindestens
einem Mitgliedstaat sich nachteilig auf die öffentlichen Interessen in einem anderen auswirken könnte.
Entsprechende Kontaktstellen in den EU-Ländern würden für den relevanten Informationsaustausch untereinander
und mit Brüssel sorgen, wo eine Koordinierungsgruppe regelmäßig darüber beraten sollte. Jeder
Mitgliedstaat könnte im Zusammenhang mit Direktinvestitionen in die EU seine jeweilige Situation darstellen.
Auf Fragen von Josef Schellhorn (NEOS) und Maximilian Unterrainer (SPÖ), nach welchen Kriterien Einschränkungen
bei Investitionsvorhaben als zulässig befunden werden, erklärte Ministerin Schramböck, die Bestimmungen
bezögen sich auf Übernahmen von mehr als 25% eines Unternehmens. Derzeit sehe sich die österreichische
Regierung aber mit keinem derartigen Fall konfrontiert, erfuhr Alois Stöger (SPÖ). Seine Parteikollegin
Cornelia Ecker regte an, auch Gewerkschaften zu ermöglichen, Investitionsüberprüfungen zu verlangen.
Wichtig ist Brüssel, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, einen Überprüfungsmechanismus
für ausländische Direktinvestitionen einzurichten oder zu unterhalten. Vielmehr ziele der Verordnungsentwurf
darauf ab, einen Rahmen für diejenigen Mitgliedstaaten zu schaffen, die bereits über einen Überprüfungsmechanismus
verfügen oder einen solchen einrichten möchten, heißt es im Verordnungsvorschlag. Die Überprüfungsmechanismen
hätten dadurch bestimmte grundlegende Anforderungen zu erfüllen, beispielsweise die Möglichkeit,
einen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen einzulegen, sowie Nichtdiskriminierung zwischen verschiedenen Drittstaaten
und Transparenz.
Investitionsgerichtshof (ICS) soll Schiedsgerichte ersetzen
Nachdem die EU-Staats- und Regierungschefs heuer im Frühjahr die Europäische Kommission ermächtigt
haben, im Namen der EU ein Übereinkommen zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs für die Beilegung
von Investitionsstreitigkeiten (ICS) auszuhandeln, finden derzeit Gespräche darüber statt, und zwar bei
der in Wien ansässigen UNO-Kommission für internationales Handelsrecht UNICITRAL. Laut Wirtschaftsministerium
haben die eigentlichen Verhandlungen aber noch nicht begonnen. Ressortchefin Margarete Schramböck sprach im
Ausschuss von dieser Tage angelaufenen Sondierungsgesprächen, als sich SPÖ-Mandatarin Doris Margreiter
nach dem Zeitplan erkundigte.
In der Funktion eines ständigen Gremiums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten wird laut Übereinkommensentwurf
der multilaterale Investitionsgerichtshof an die Stelle der Schiedsgerichte treten, wie sie traditionell in Handels-
und Investitionsabkommen der EU bzw. ihrer Mitgliedstaaten vorgesehen sind. Unparteilichkeit und Qualifikation
der RichterInnen im ICS sollten durch hohe Anforderungen gewährleistet sein, geht es nach den Verhandlungsrichtlinien.
Der Vorschlag für den Gerichtshof sehe auch die Möglichkeit vor, Berufung gegen seine Entscheidungen
einzulegen und wirksame Maßnahmen gegen missbräuchliche Klagen zu ergreifen. Transparenz und Verfahrensöffentlichkeit
sollten schließlich ebenfalls helfen, öffentliche Bedenken über die Legitimität der Streitbeilegungen
auszuräumen und die Verfahren besser vorhersehbar sowie effizienter zu machen. Die Investitionsschutzbestimmungen
in den EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und mit Singapur gingen bereits mit diesen Verhandlungsrichtlinien
konform, teilt das Wirtschaftsministerium mit.
Gerade die öffentliche Debatte über Abkommen wie CETA hätten den Anstoß für die Einrichtung
des Investitionsgerichtshofs gegeben, bemerkte ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl und für die FPÖ
verdeutlichte Markus Tschank, es handle sich dabei um einen sensiblen Themenkomplex. NEOS-Mandatar Josef Schellhorn
zeigte sich ungeachtet dessen erfreut, offenbar erhalte die EU-Kommission in Sachen Handelspolitik nun auch von
den Mitgliedstaaten Unterstützung.
Beim Aspekt der angekündigten Unparteilichkeit der ICS-RichterInnen hakte Liste Pilz-Abgeordneter Bruno Rossmann
nach: angesichts der befristeten Anstellungen der RichterInnen im Gerichtshof könnten diese gegen Ende ihrer
Amtszeit in Versuchung kommen, zur Sicherung ihrer weiteren beruflichen Karriere nicht mehr unparteilich zu entscheiden.
Rossmanns Vorschlag, dieser Gefahr mit Unvereinbarkeitsregelungen hinsichtlich künftiger Anstellungen vorzubeugen,
konnte Ministerin Schramböck einiges abgewinnen. Weniger Verständnis äußerte sie für
die Annahme von SPÖ-Abgeordnetem Alois Stöger, die Einrichtung des Gerichtshofs könnte ausländischen
Firmen mehr Anreize geben, den Staat Österreich zu verklagen. Die Republik gelte international als sicherer
Investitionsort, hob Schramböck hervor. Dagegen müssten österreichische Investoren im Ausland, auch
innerhalb des Binnenmarkts, besser vor staatlichen Eingriffen wie Enteignungen geschützt werden. Vor allem
mittelständische Unternehmen mit weniger als 250 MitarbeiterInnen, die im Exportfeld tätig sind, gingen
mit ihrem Engagement in unterschiedlichen Märkten nämlich hohe Risiken ein.
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