"Politische Gleichstellung ist
 noch keine soziale Gleichstellung"

 

erstellt am
17. 10. 18
13:00 MEZ

Auftaktveranstaltung zum Schwerpunkt "100 Jahre Frauenwahlrecht" im Museum Niederösterreich
St. Pölten (museum noe) - Die Stimme der ÖBB und die Leiterin der Literaturedition NÖ waren am 16. Oktober beim achten Zeitzeugen-Forum "Erzählte Geschichte" im Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich zu Gast. Im Gespräch mit Reinhard Linke sprachen Chris Lohner und Katharina Strasser kurz vor dem Equal Pay Day darüber, ob das letzte Jahrhundert wirklich das Jahrhundert der Frauen war, wie sie Situation der Frau heute beurteilen und was es braucht, damit es zu einer wirklichen gesellschaftlichen Gleichstellung von Mann und Frau kommt. In Anwesenheit der Landtags-Abgeordneten Doris Schmidl in Vertretung von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner war die Veranstaltung Auftakt zu einem Schwerpunkt zum Thema "100 Jahre Frauenwahlrecht" im Museum Niederösterreich.

War das vergangene Jahrhundert wirklich das Jahrhundert der Frauen? "Es gab jedenfalls einen Aufbruch", erklärte Chris Lohner, die 1968 die Studentenrevolte in Paris miterlebt hat und nannte die Anti-Baby-Pille als wesentlichen Schritt zur Selbstbestimmung. Was die Forderungen von Frauen betrifft, sahen Strasser und Lohner kaum Unterschiede in den Zielrichtungen der einzelnen Generationen: "Ich glaube nicht, dass meine Generation etwas anderes will. Aber die Generationen vor mir haben ja auch etwas geleistet", so Strasser.

Zur Vorbereitung auf den Abend hatte Katharina Strasser das bis in die 70er-Jahre geltende Familienrecht studiert, in dem es den Tatbestand der Vergewaltigung in der Ehe noch nicht gab, in dem die Kinder der Gewalt des Vaters unterstellt waren und in dem die Frau ohne Zustimmung des Mannes nicht arbeiten durfte. Es habe sie mit Wut erfüllt, erklärt Strasser: "Politische Gleichstellung ist noch keine soziale Gleichstellung."

Chris Lohner und Katharina Strasser waren sich einig, dass das familiäre Umfeld ganz ausschlaggebend ist: "Ich hatte Glück. Mein Vater war Humanist. Mein Geschichtslehrer war Jude und hat vom KZ erzählt", so Lohner: "Ich war immer schon ein Revoluzzer. Ich habe mir nie etwas gefallen lassen. Das spricht sich herum und dann lassen sie einem in Ruh. Das ist praktisch." Und auch Strasser betont das Selbstvertrauen, das ihr ihre Mutter mitgegeben hat: "Mach dich ja nicht abhängig", war das Motto.

Chris Lohner wies darauf hin, dass die Frage der Gleichstellung ganz massiv eine soziale Frage ist. "Die Kassiererin beim Billa ist für mich die Heldin des Alltags, nicht der Promi, der sich Putzfrau und Babysitter leisten kann. Den Strache fragt ja auch keiner, wie er das macht mit dem fünften Kind." Lohner, die als Botschafterin von "Licht für die Welt" viel in Lateinamerika und Afrika unterwegs ist, betonte, dass wir in Europa und in Österreich speziell sehr privilegiert sind: In manchen Ländern sei eine Frau weniger wert als eine Ziege.

"Wann haben wir dann also endgültig eine Gleichstellung erreicht?", fragte Reinhard Linke zum Abschluss: "Wenn wir nicht mehr darüber reden müssen, wenn es kein Thema mehr ist", so Katharina Strasser und Chris Lohner unisono. Das Zeitzeugen-Forum "Erzählte Geschichte" wurde samt der angeregten Diskussion mit dem Publikum live auf Facebook übertragen und ist ebendort in voller Länge abrufbar.

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.museumnoe.at

 

 

 

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