Nationalrat gegen EU-Beitritt der Türkei

 

erstellt am
29. 10. 18
13:00 MEZ

Außenministerin Kneissl will Gesprächskanäle offen halten
Wien (pk) - Gegen die Weiterführung der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei sprachen sich am 25. Oktober im Nationalrat alle Parteien aus. Angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage des Landes am Bosporus seien die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union nicht gegeben und in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, halten ÖVP, FPÖ, SPÖ, NEOS und Liste Pilz in einem einstimmig beschlossenen gemeinsamen Entschließungsantrag fest.

Gleichzeitig appellieren die Abgeordneten an die Regierung, sich im Sinne der Freiheits- und Grundrechte für eine Verbesserung der Situation von JournalistInnen und OppositionspolitikerInnen in der Türkei einzusetzen. Ebenso gelte es, die menschenrechtlich besorgniserregende Lage der kurdischen Zivilbevölkerung im Austausch mit türkischen Entscheidungsträgern anzusprechen.

Thema war in der Debatte auch die Ermordung des regierungskritischen saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi. In einer weiteren Resolution wird die Regierung angehalten, sich mit Nachdruck für eine vollständige Aufklärung des Falles einzusetzen.

Menschenrechtssituation in der Türkei: Schulterschluss der Parlamentsfraktionen
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan würde seit dem Verfassungsreferendum eine unglaubliche Machtfülle in seiner Person vereinen und immer repressiver gegen Oppositionelle und JournalistInnen vorgehen. All diese Faken würden zeigen, dass die Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU endlich abgebrochen werden müssten, das wäre nur ehrlich, sagte Roman Haider (FPÖ). Sein Fraktionskollege David Lasar (FPÖ) meinte, dass der Schulterschluss des österreichischen Parlaments ein internationales Zeichen setzen soll, denn mit einer Verbesserung der Situation in der Türkei, etwa für die kurdische Minderheit, sei nicht zu rechnen. Auch die mutwilligen Verhaftungen wie jene des österreichischen Journalisten Max Zirngast erfülle die FPÖ mit großer Sorge. Nicht vergessen werden dürfe, alles Mögliche dafür zu unternehmen, um auch die Menschenrechtssituation für die türkische Bevölkerung vor Ort zu verbessern.

Die andauernden Verschlechterungen der Menschenrechtssituation würden genug Anlass geben, um mit der Türkei kritisch umzugehen, meinte Andreas Schieder (SPÖ), mit diesem Regime an der Spitze handle es sich um keinen Staat, der die europäischen Werte achtet. Man könne zudem nicht dulden, dass einige ÖsterreicherInnen festgenommen und in Polizeigewahrsam genommen worden sind. "Dagegen müssen wir aufstehen", so Schieder. Was den Fall Khashoggi betrifft, könne man nicht zur Tageordnung übergehen. Es brauche eine echte Aufklärung durch die Vereinten Nationen sowie eine UNO-Konvention zum weltweiten Schutz der Rechte von JournalistInnen. Die Regierung müsse rasch handeln und das König Abdullah-Zentrum in Wien schließen. Zwei entsprechende Entschließungen, die von SPÖ und NEOS zusammen eingebracht wurden, blieben in der Minderheit.

Nurten Yilmaz (SPÖ) rief ins Bewusstsein, dass heuer bereits der zweite Antrag des Parlaments im Zusammenhang mit der Menschenrechtssituation in der Türkei diskutiert werde. Leider habe sich seit damals nichts geändert. Dennoch sprach sich Yilmaz dafür aus, eine Gesprächsbasis nicht nur im Sinne der Wirtschaft, sondern auch für alle ÖsterreicherInnen mit türkischen Wurzeln aufrecht zu erhalten. "Noch stehen Menschenrechte und Pressefreiheit vor wirtschaftlichen Interessen", so die Abgeordnete.

Die EU müsse signalisieren, dass sie über einen Beitritt nur mit jenen Ländern verhandelt, die auch die europäischen Grundwerte anerkennen und einhalten, meinte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper. Dieser symbolische Akt des österreichischen Parlaments sei wichtig, es gelte allerdings auch, die sicherheits- und migrationspolitischen Kontakte zur Türkei offen zu halten.

"Wir wissen, dass die Türkei ein wichtiger Nachbar für Europa ist", so Reinhold Lopatka (ÖVP), die Entwicklungen der letzten Jahre seien allerdings in die falsche Richtung gegangen. Durch den Ausnahmezustand als Folge des Putschversuchs u.a. mit dem Aussetzen der europäischen Menschenrechtskonvention, Massenverhaftungen oder exzessiver Polizei-Gewalt habe sich die Türkei noch weiter von der EU entfernt. Das alles sei das Gegenteil von dem, was sich die Union von der Türkei erwarten würde. Die Entscheidung, die Mittel für die Türkei zu kürzen, sei richtig gewesen. Allerdings dürften nicht alle Brücken abgebrochen werden.

Die Festnahme des Journalisten Max Zirngast hätte eindeutig vor Augen geführt, wie mit JournalistInnen, Oppositionellen oder Minderheiten in der Türkei umgegangen werde, beklagte ebenfalls Alma Zadic. (PILZ) . Hier wünsche sie sich - wie auch bei den anderen inhaftierten österreichischen StaatsbürgerInnen - ein klares und entschiedenes Vorgehen der Regierung. Politische Geiseln seien in der Vergangenheit stets ein Instrument Erdogans gewesen. Ein Land, das JournalistInnen oder Oppositionelle verfolgt und ausländische StaatsbürgerInnen ohne rechtstaatliche Verfahren inhaftiert, könne jedenfalls kein EU-Mitglied werden. Gleichzeitig warnte Zadic davor, gegen ÖsterreicherInnen mit türkischen Wurzeln zu hetzen. Das führe zu einer Spaltung in Österreich.

Außenministerin Kneissl bedankte sich beim Parlament für den Rückhalt in der EU-Türkei-Frage. Menschenrechte seien sehr wohl Gegenstand in all ihren bilateralen und multilateralen Gesprächen. Es sei jedoch notwendig, die Gesprächskanäle zur Türkei offenzuhalten, darin bestehe Diplomatie. Es gehe einfach darum, weiterhin im Gespräch zu bleiben. Wirtschaftliche Interessen würden dabei nicht im Vordergrund tehen.

 

 

 

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