Beschluss mit den Stimmen der Regierungsparteien, Opposition lehnt Entwurf geschlossen ab
Wien (pk) - Nach einer lebhaften und kontroversiellen Debatte beschloss der Nationalrat am 25. Okotber
als letzten Tagesordnungspunkt mit den Stimmen der Regierungsparteien die sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfung
Neu. Die Opposition stimmte geschlossen gegen die Novelle, da die NEOS gegenüber der Ausschusssitzung ihr
Stimmverhalten revidierten hatten und sich der Ablehnung durch SPÖ und Liste Pilz anschlossen.
Für heftige Kritik seitens der Opposition sorgten die im Zuge der Beratungen im Umweltausschuss eingefügten
Abänderungen, die als Voraussetzung für die Parteistellung von Umweltorganisationen im UVP-Verfahren
bestimmte Kriterien wie etwa eine Mindestanzahl an Mitgliedern vorsehen. Während ÖVP und FPÖ insgesamt
von einem Beitrag zur Verfahrensbeschleunigung sprachen, befürchteten SPÖ, NEOS und Liste Pilz eine Einschränkung
der Mitwirkungsrechte von NGOs an Umweltverfahren.
Novelle normiert Mindestanforderungen für die Parteistellung von NGOs im UVP-Verfahren
Durch die Änderungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G) wird zunächst die Anerkennung
von Umweltorganisationen auf drei Jahre befristet. Bei Einzelfallprüfungen soll die Frist zur behördlichen
Entscheidung mit sechs Wochen begrenzt sein. Zur Wahrung öffentlicher Interessen sieht das Gesetz die Beiziehung
eines Standortanwalts zusätzlich zum Umweltanwalt vor. Für Vorhaben mit erheblichen negativen Umweltauswirkungen
ist jedenfalls die UVP-Pflicht sicherzustellen, wobei die Projektwerbenden auch Maßnahmen zur Schadensvermeidung
vorlegen müssen. Umgesetzt werden durch die Novelle auch bestimmte EU-Vorgaben, so etwa die Aufnahme neuer
Prüfbereiche wie Klimawandel oder Flächenversiegelung.
Stein des Anstoßes für die Kritik der Opposition waren Änderungen gegenüber der ursprünglichen
Regierungsvorlage, die im Rahmen der Ausschusssitzung verabschiedet wurden. So muss nunmehr ein Verein als Voraussetzung
für die Parteistellung im UVP-Verfahren mindestens 100 Mitglieder und ein Verband mindestens fünf Vereine
umfassen. Zudem verlangt das Gesetz eine Liste der Mitglieder des Vereins mit Namen und Anschrift. Ein neuerlicher
Abänderungsantrag der Regierungsparteien präzisiert in diesem Zusammenhang, dass die entsprechende Anzahl
der Behörde glaubhaft zu machen ist. Demnach reicht, wie Bundesministerin Elisabeth Köstinger erklärte,
auch die Vorlage durch einen Notar oder Wirtschaftsprüfer.
ÖVP und FPÖ begrüßen Verfahrensbeschleunigung und Effizienzsteigerung
Man habe die datenschutzrechtlichen Bedenken berücksichtigt, betonte ÖVP-Mandatar Johannes Schmuckenschlager,
der die Mindestzahl von hundert Mitgliedern aus Sicht der Transparenz für gerechtfertigt hält. Bei Bürgerinitiativen
gebe es jedenfalls ein Erfordernis von 500 Unterschriften, wobei auch hier Namen und Adressen angegeben werden
müssen, erinnerte er. Sein Fraktionskollege Franz Hörl begrüßte die Novelle im Lichte der
Verfahrensbeschleunigung und gab dabei zu bedenken, in der Vergangenheit seien Umweltverfahren oft von kleinen
Gruppen in die Länge gezogen worden, "bis den Projektwerbern die Geduld und das Geld ausging". Ökonomie
und Ökologie bedingen einander, betonte Andreas Ottenschläger (ÖVP) und bedauerte ebenso wie August
Wöginger (ÖVP), dass die NEOS nun die geplante Staatszielbestimmung betreffend Wirtschaftsstandort mit
dem UVP-Gesetz verknüpft haben und der entsprechenden Verfassungsbestimmung ihre Zustimmung verweigern.
Der Abänderungsantrag sei kein Angriff auf die Umweltorganisationen, vielmehr gehe es um die Transparenz,
unterstrich FPÖ-Abgeordneter Walter Rauch. Der Antrag zeige zudem, dass für die Bundesregierung Umweltpolitik
und Wirtschaftspolitik kein "entweder oder", sondern vielmehr ein "sowohl als auch" sind. Peter
Schmiedlechner (FPÖ) sah die Novelle vor allem unter dem Aspekt der Verfahrensbeschleunigung und Effizienzsteigerung.
Dies ist auch für seinen Fraktionskollegen Robert Lugar (FPÖ) entscheidend. Aus Gründen des Umweltschutzes
gehe es um übergeordnete Interessen, gab er zu bedenken. Kleinste Umweltorganisationen würden aber vielfach
kurzsichtige, lokale Interessen verfolgen und damit umweltpolitisch sinnvolle Projekte wie Stromleitungen oder
Speicherkraftwerke zu Fall bringen. Werner Neubauer (FPÖ) sah die Notwendigkeit der Verfahrensbeschleunigung
auch durch die Erfahrungen mit dem Linzer Westring gegeben, wo, wie er sagte, die Menschen schon seit 35 Jahren
auf Entlastung warten und das erste UVP-Verfahren sechs Jahre gedauert hatte.
Ziel der Novelle sei es, unter voller Beibehaltung ökologischer Standards UVP-Verfahren effizienter zu gestalten
und insgesamt zu beschleunigen, bekräftigte Bundesministerin Elisabeth Köstinger. Sie sprach von einer
Stärkung der Umweltorganisationen und einem Fortschritt für die Mitbestimmung und meinte, den NGOs seien
noch nie so viele Rechte in UVP-Verfahren zugestanden wie nun durch dieses Gesetz.
Opposition sieht Angriff auf Umweltorganisationen und Einschränkung der Mitwirkungsrechte
Gänzlich anders fiel die Beurteilung durch die Opposition aus. SPÖ-Abgeordneter Klaus Uwe Feichtinger
qualifizierte den Abänderungsantrag betreffend Mindestanfordernisse für die Parteienstellung von Umweltorganisationen
als europarechtswidrig, verfassungswidrig und datenschutzwidrig. Wenn nun die heutige Abänderung zum Abänderungsantrag
nur noch auf den Nachweis der Mitgliederzahl abstelle, dann entspreche das jedenfalls nicht dem von der Regierung
propagierten schwedischen Modell, das viel weiter gefasst sei. Feichtinger verlangte eine Rückverweisung an
den Umweltausschuss, blieb mit einem entsprechenden Antrag allerdings in der Minderheit. Nicht durchsetzen konnte
er sich auch mit einem Entschließungsantrag betreffend Effizienzsteigerung von UVP-Verfahren, der u.a. Punkte
wie die ausreichende Personalausstattung der UVP-Behörden, eine Reform des Vorverfahrens und die verbindliche
Planungskoordination zwischen Bund und Ländern enthält. Renate Gruber (SPÖ) befürchtete neue
Rechtsunsicherheit für NGOs sowie eine weitere Verlängerung der Verfahren, während ihr Fraktionskollege
Markus Vogl der Regierung insgesamt vorwarf, mit ihren Anträgen immer wieder die Begutachtungspflicht zu umgehen.
NEOS-Abgeordneter Michael Bernhard begründete die nunmehrige Ablehnung der Novelle durch seine Fraktion mit
schweren Bedenken gegen den Abänderungsantrag. Umweltorganisationen würden massiv geschädigt, zwei
Drittel der Vereine könnten am UVP-Verfahren nicht mehr teilnehmen, warnte er. Der Wirtschaft sei damit jedenfalls
auch nicht geholfen, zumal man bloß neue Rechtsunsicherheit schaffe, wodurch das Risiko für Investitionen
steige. Die von der Regierung proklamierte Nachhaltigkeit werde durch diese Novelle mit Füßen getreten,
legte Nikolaus Scherak (NEOS) nach. Gerald Loacker (NEOS) schließlich bekannte sich zur Ablehnung der Verfassungsbestimmung
betreffend Wirtschaftsstandort und meinte, die ÖVP sei keine Wirtschaftspartei, sondern vielmehr die Partei
der Beamten und Bauern. Dies könne auch durch eine Verfassungsbestimmung nicht saniert werden.
Den Umweltorganisationen werden bürokratische Schikanen auferlegt, steht für Bruno Rossmann (PILZ) fest.
Er warf der Regierung vor, durch den Abänderungsantrag die Einschüchterung von AktivistInnen zu bezwecken
und insgesamt Wirtschaftsinteressen vor Umweltinteressen zu stellen. Alfred Noll (PILZ) erinnerte, dass die durchschnittliche
Dauer von UVP-Verfahren sieben Monate betrage. Mit den NGOs gebe es keinerlei Probleme, vielmehr seien die Behörden
oft überfordert und hätten zu wenig Ressourcen, was zu Verfahrensverzögerungen führe. Den neuerlichen
Abänderungsantrag wertete er als erfreuliche Verbesserung, schränkte allerdings ein, nach europarechtlichen
Vorgaben stelle eine mengenmäßige Beschränkung bei Umweltorganisationen jedenfalls eine unnötige
Schikane dar.
Die Regierung sende mit der Novelle ein negatives Signal an die Umweltorganisationen, gab die fraktionslose Abgeordnete
Martha Bißmann zu bedenken, die von einem Angriff auf die Partizipation sprach. Ohne eine starke Einbindung
der Zivilgesellschaft komme es zu einer Schwächung der Demokratie, warnte sie überdies.
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