Brüssel (ec) - Für die nächsten zehn Jahre stehen für europäische Forscher auf dem
Gebiet der Quantentechnik Mittel in Höhe von 1 Mrd. Euro bereit. Ziel der Leitinitiative zur Entwicklung der
Quantentechnik ist es, Europa an die Spitze der zweiten Quantenrevolution zu bringen. Der Startschuss für
die Initiative fiel am 29. Oktober auf einer vom österreichischen EU-Ratsvorsitz ausgerichteten und hochrangig
besetzten Veranstaltung in Wien.
Die Entwicklung der Quantentechnik hat zur Entdeckung sogenannter „Quanteneffekte“ geführt. Hierbei handelt
es sich um Erscheinungen, die die mikroskopische Welt der Moleküle, Atome und noch kleineren Teilchen beherrschen.
Im frühen 20. Jahrhundert ermöglichte die erste Quantenrevolution den Wissenschaftlern, grundlegende
Quanteneffekte in Bauteilen wie Transistoren und Mikroprozessoren zu verstehen und zu nutzen, und zwar durch das
Beeinflussen und Messen einzelner Partikel. In der zweiten Quantenrevolution, die Anfang des 21. Jahrhunderts begann,
geht es nun darum, diese Eigenschaften für wichtige technische Fortschritte zu nutzen. Erste gewerbliche Produkte
sind bereits auf dem Markt.
An der Leitinitiative zur Quantentechnik werden sich Forschungseinrichtungen, Wissenschaftler, Industrie, Unternehmen
und politische Entscheidungsträger beteiligen, um die wissenschaftliche Führungsrolle und Exzellenz Europas
auf diesem Gebiet zu festigen und auszubauen. Die Initiative wird die Entwicklung einer Quantenindustrie in Europa
fördern und soll dafür sorgen, dass die Ergebnisse dann auch als kommerzielle Anwendungen und bahnbrechende
Technologien zur Verfügung stehen.
Andrus Ansip, der für den digitalen Binnenmarkt verantwortliche Vizepräsident der Kommission, und Mariya
Gabriel, die für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständige Kommissarin, erklärten hierzu:
„Europa hat eine etablierte und anerkannte Führungsrolle bei der Erforschung der Quantentechnik. Um seine
Führungsposition zu behaupten und das volle Potenzial der Quantentechnik zu erschließen, muss Europa
schneller Fortschritte machen und eine solide industrielle Basis aufbauen, damit die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen
Führung auch umgesetzt werden können. Mit der Leitinitiative wird das ehrgeizige Ziel verfolgt, eine
Wende in diesem Bereich herbeizuführen. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Forschung und technologischen Entwicklung
sowie auf der Überführung der hervorragenden europäischen Forschungsergebnisse in konkrete technische
Anwendungsmöglichkeiten und in marktfähige Produkte, die unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft
zugutekommen.“
Professor Jürgen Mlynek, Vorsitzender des hochrangigen Lenkungsausschusses für Quantentechnik (einer
Expertengruppe der Kommission), fügte hinzu: „Dank der gemeinsamen Anstrengungen von Wissenschaft und Wirtschaft
und mit der Unterstützung der Fachkreise aus allen Teilen Europas ist eine umfassende Strategie für Quantentechnik
entstanden. Darauf aufbauend wagen wir jetzt den Sprung vom Reißbrett in die reale Welt. Wir sind hocherfreut,
dass die Leitinitiative zur Quantentechnik mit ihrer ersten Welle ehrgeiziger Projekte nun Wirklichkeit wird. Dies
ist ein deutliches Signal an die Welt, dass Europa das Beste geben wird, um seinen historischen Vorsprung in der
Quantenwissenschaft zu behaupten.“
Die zweite Quantenrevolution wird es ermöglichen, Quanteneffekte für wichtige technische Fortschritte
nutzbar zu machen, z. B. in Bereichen wie Rechentechnik, Sensorik und Messwesen, Simulationen, Kryptographie und
Telekommunikation. All dies wird letztlich den Bürgern durch hochgenaue Sensoren für die Medizintechnik,
aber auch durch Quantenkommunikation und Quantenschlüsselaustausch zur Erhöhung der Sicherheit digitaler
Daten zugutekommen. Quantencomputer können Rechenprobleme lösen, an denen klassische Supercomputer derzeit
scheitern.
Auf europäischer Ebene ist das strategische Vorgehen zur Markteinführung quantentechnischer Anwendungen
noch immer uneinheitlich. Als kohärentes europaweites Programm, das von allen Mitgliedstaaten getragen wird,
wird die Leitinitiative zur Quantentechnik auf früheren Bemühungen aufbauen, die aus europäischen
und nationalen Mitteln finanziert wurden. Auf diese Weise wird Europa in der Lage sein, in der Forschung und Entwicklung
mit seinen weltweiten Konkurrenten Schritt zu halten.
Die Leitinitiative wird voraussichtlich eine Mittelausstattung von 1 Mrd. Euro über die nächsten zehn
Jahre haben. Die Anlaufphase (Oktober 2018–September 2021) wird im Rahmen des Programms „Horizont 2020“ als Teil
der Leitinitiative für künftige und neu entstehende Technologien (FET) unterstützt werden. In dieser
Phase werden zunächst 20 Projekte mit einem Gesamtbetrag von 132 Mio. Euro gefördert. Dabei wird der
Schwerpunkt auf vier Anwendungsgebieten liegen – Quantenkommunikation, Quantencomputertechnik, Quantensimulation,
Quantenmetrologie und -sensorik – sowie auf der Grundlagenforschung im Bereich der Quantentechnik. Mehr als ein
Drittel der Teilnehmer sind Industrieunternehmen aus einer Vielzahl von Branchen, ein großer Teil davon sind
KMU. Die Leitinitiative umfasst auch Forschungsprojekte, die von QuantERA (link is external) unterstützt werden,
einer Forschungsinitiative, die von der Kommission und nationalen Fördereinrichtungen aus 26 europäischen
Ländern kofinanziert wird. Es wird eine enge Koordinierung zwischen diesen Projekten und den von den Mitgliedstaaten
über nationale Quantentechnikprogramme geförderten Projekten geben.
Nächste Schritte
Derzeit laufen Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission, in denen es
darum geht, im mehrjährigen Finanzrahmen der EU für 2021–2028 genügend Mittel für die Forschung
und Entwicklung auf dem Gebiet der Quantentechnik vorzusehen. Die Förderung der Quantentechnik erfolgt im
Zuge des vorgeschlagenen Programms „Horizont Europa“ für Forschung und Raumfahrtanwendungen sowie des vorgeschlagenen
Programms „Digitales Europa“, das die strategischen digitalen Kapazitäten Europas entwickeln und stärken,
die Entwicklung der ersten europäischen Quantencomputer und ihre Integration mit klassischen Supercomputern
vorantreiben und den Aufbau einer europaweiten Infrastruktur für die Quantenkommunikation unterstützen
soll.
Hintergrund
Seit 1998 wurden mithilfe des Kommissionsprogramms für neue und neu entstehende Technologien (FET) rund 550
Mio. Euro für die Quantenforschung in Europa bereitgestellt.
Die Leitinitiative zur Quantentechnik ist eine FET-Leitinitiative der EU (d. h. für künftige und neu
entstehende Technologien), in der sich Forscher und Industrie aus verschiedenen Bereichen zusammenfinden, um wichtige
wissenschaftliche Fortschritte zu erzielen und sie in konkrete Innovationen zu verwandeln, die das Wirtschaftswachstum
fördern und dazu beitragen werden, die gesellschaftlichen Herausforderungen in Europa zu bewältigen.
Die Leitinitiative zur Quantentechnik ist Teil der Europäischen Cloud-Initiative der Kommission, die im April
2016 zusammen mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen gestartet wurde, um nationale Initiativen zur Digitalisierung
der Industrie und zugehöriger Dienstleistungen zu unterstützen und miteinander zu verknüpfen und
um – gestützt auf strategische Partnerschaften und Netze – neue Investitionsanreize zu geben.
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