#metoo-Debatte zeigt Auswirkungen für Aktivitäten der Anwaltschaft – Bericht für
die Privatwirtschaft liegt vor, Levelling-up weiterhin Anliegen
Wien (pk) - Der Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft, der gemäß Bundesgesetz
über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft alle zwei Jahre erstellt wird,
liegt dem Nationalrat nun für 2016 und 2017 vor ( III-207 d.B. ). Offene Anliegen der Gleichbehandlungsanwaltschaft
umfassen nach wie vor das sogenannte Levelling-up im Hinblick auf gleichen Schutz betroffener Personen bei Diskriminierung
auf Grund aller Diskriminierungsgründe (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung,
Alter und sexuelle Orientierung) in allen Bereichen des Gleichbehandlungsgesetzes. Aus Sicht der Anwaltschaft sollte
einerseits auch ihre Mitwirkungsmöglichkeit bei Gerichtsverfahren, andererseits ihre Mittel für Öffentlichkeitsarbeit
- etwa auch im "dringend notwendigen" Bereich Social Media was z.B. Betroffene unter 25 Jahren anbelangt
- ausgebaut werden können.
Eine wesentliche Forderung zur institutionellen Weiterentwicklung wurde laut Gleichbehandlungsanwaltschaft mit
der sogenannten Regionalisierung ab Juli 2017 erfüllt. Die Anwaltschaft bietet nun auch in den Regionalbüros
Beratung und Unterstützung zu allen Diskriminierungsgründen an, womit der Zugang zum Recht verbessert
und die Stärkung der regionalen Position verwirklicht worden sei. Die Notwendigkeit personeller Aufstockung
bleibe hier aber ebenso bestehen wie im Bereich der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit. Dazu komme die
Erfordernis von budgetären und personellen Ressourcen im Hinblick auf notwendige Datenauswertung und zur Durchführung
unabhängiger sozialwissenschaftlicher Untersuchungen.
Von Diskriminierungsfällen über Rechtsauskünfte bis hin zu Informationsarbeit und Medienanfragen
sind laut Bericht für die Anwaltschaft in den beiden Jahren zusammen über 6.130 Aktivitäten zusammengekommen.
#metoo-Debatte zeigte Auswirkungen für Aktivitäten der Gleichbehandlungsanwaltschaft
Das Interesse an gleichbehandlungsrechtlichen Themen wie die #metoo-Debatte oder gesellschaftspolitische Probleme
im Zusammenhang mit Flucht und Migration hat laut Bericht die Arbeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Zeitraum
2016 bis 2017 öffentlich stärker bewusst gemacht. Auch die Sensibilität und das Polarisierungspotential
vieler Gleichbehandlungsfragen seien dabei mit zu bedenken. Die Schaffung von personellen Ressourcen etwa für
die Informationsarbeit, beispielsweise für den Bereich Social Media, sei daher für die Weiterentwicklung
der Gleichbehandlungsanwaltschaft dringend notwendig.
Ab Oktober 2017, dem Beginn von #metoo, sei es zu einem starken Anstieg an Medienanfragen bei der Anwaltschaft
gekommen, der zur Verdopplung selbiger im Jahr 2017 führte (2016: 58 Anfragen, 2017: 117 Anfragen). Insbesondere
in Reaktion auf die #metoo-Debatte wandten sich vermehrt auch Personalverantwortliche mit dem Ersuchen an die Gleichbehandlungsanwaltschaft,
Führungskräfte und MitarbeiterInnen rund um das Thema sexuelle Belästigung sowie zu Setzung der
notwendigen Abhilfemaßnahmen zu schulen, ist dem Bericht zu entnehmen. Während der #metoo-Bewegung ab
Oktober 2017 verzeichnete die Gleichbehandlungsanwaltschaft einen Anstieg von Anfragen zum Thema sexuelle Belästigung
- Betroffene berichteten demzufolge, dass sie sich durch die Kampagne bestärkt darin fühlten, Belästigungen
zu melden. Auch bisher unterrepräsentierte Betroffenen-Gruppen wie ehrenamtlich Tätige, Zivildiener und
andere Männer seien als Betroffene von sexueller Belästigung an die Gleichbehandlungsanwaltschaft herangetreten.
Weiters seien Vorfälle gemeldet worden, die bereits Jahre zurück lagen, da erst jetzt die Möglichkeit
der Aufarbeitung gesehen wurde.
Vorschläge der Gleichbehandlungsanwaltschaft zur Mitwirkung an Gerichtsverfahren und zur Levelling-up Weiterentwicklung
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft habe trotz einer breiten Expertise derzeit keine gesetzlichen Kompetenzen, Personen
auch bei gerichtlichen Rechts- und Anspruchsdurchsetzungen zu begleiten und zu unterstützen, wird außerdem
im Bericht aufgeworfen. So sei es der Anwaltschaft nicht möglich, anhand von Musterverfahren dem Gleichbehandlungsgesetz
mehr Wirksamkeit zu verleihen und z. B. mit Hilfe einer Prozessstandschaft zur Entwicklung der Judikatur beizutragen
oder durch eine etwaige Verbandsklage die Unterlassung diskriminierender Regelungen zu erreichen. Für dieses
Feld stellt die Anwaltschaft im Bericht eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen zur Diskussion. Eine mögliche
Mitwirkung vor den Gerichten müsse aber jedenfalls auch mit der Gewährung eines ausreichenden Klagsbudgets
verbunden sein, wird dabei festgehalten.
Dem Bericht zufolge fordert die Gleichbehandlungsanwaltschaft neben zahlreichen weiteren Vorschlägen auch
seit Jahren eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes im Sinne einer Angleichung des Schutzniveaus aller Diskriminierungsmerkmale
(Levelling-up). So sei derzeit etwa Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und aufgrund des
Geschlechts beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen verboten, nicht jedoch Diskriminierung aufgrund der
Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung. Diese Merkmale seien nach wie vor
nur in der Arbeitswelt geschützt. Eine solche Uneinheitlichkeit schaffe in der Beratungspraxis der Gleichbehandlungsanwaltschaft
eine für die Betroffenen nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung, wo je nach Diskriminierungsgrund Ratsuchende
bei einer Diskriminierung im Bereich von Gütern und Dienstleistungen rechtlich unterstützt werden können
oder nicht.
Tätigkeitsbericht der drei Senate der Gleichbehandlungskommission
Der erste Teil des vorliegenden Berichts betrifft die Gleichbehandlungskommission. In die Zuständigkeit des
Senat I fällt dort die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt und damit zusammenhängende
Mehrfachdiskriminierung. Im Berichtszeitraum von Anfang 2016 bis Ende 2017 wurden insgesamt 133 Anträge an
den Senat I eingebracht. Davon sind mehrfach auch unterschiedliche Diskriminierungstatbestände betroffen.
Etwa im Bereich der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
waren es 70 Fälle. Die Anzahl der Fälle mit sexueller Belästigung beträgt 32, diejenigen mit
mangelnder Abhilfe bei sexueller Belästigung 19. In den anderen Bereichen der Diskriminierung liegt die Zahl
der Fälle im Schnitt zwischen 12 und 24 Fällen, hinsichtlich Weltanschauung waren drei Fälle zu
verzeichnen. 111 Anträge kamen von Frauen, zwei von Transgenderpersonen und 21 von Männern – die Zahl
134 ergibt sich daraus, dass ein Antrag von einem Mann und von einer Frau eingebracht wurde.
Senat II ist für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder
Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt zuständig. Im Verlauf des Berichtszeitraums
wurden 61 Anträge für den Senat eingebracht und 31 Prüfungsergebnisse erstellt. 39 Anträge
wurden in verschiedenen Verfahrensstadien zurückgezogen, davon 27 aufgrund eines Vergleichs. Die meisten Anträge
– nämlich jeweils 16 – wurden in Zusammenhang mit einer Belästigung mit dem Diskriminierungsgrund der
ethnischen Zugehörigkeit sowie zu Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Alters eingebracht.
24 Anträge kamen von Frauen, 37 von Männern.
Im Senat III, der für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit
in sonstigen Bereichen zuständig ist, wurden in den beiden Jahren 28 Verfahren eingeleitet und 12 Prüfungsergebnisse
versendet. Die deutlich meisten Fälle, nämlich 21 davon, betreffen den Diskriminierungsgrund ethnische
Zugehörigkeit und den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit
zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum. 4 Anträge wurden hier von Frauen eingebracht, 22
von Männern.
Angeführt werden in dem Berichtsteil auch einschlägige gerichtliche Entscheidungen, vor allem des Obersten
Gerichtshofs, aber auch richtungsweisende Urteile des Europäischen Gerichtshofs, wie etwa zum Kopftuchverbot
am Arbeitsplatz, sowie EU-Richtlinienvorschläge zur Weiterentwicklung des EU-Rechts hinsichtlich Gleichbehandlung.
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