Von jüdischer Mystik bis Popkultur

 

erstellt am
30. 10. 18
13:00 MEZ

Jüdisches Museum Wien: Neue Ausstellung widmet sich der „Kabbalah“
Wien (rk) - Das Jüdische Museum Wien, ein Museum der Wien Holding, widmet sich von 31. Oktober 2018 bis 3. März 2019 in der neuen Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Joods Historisch Museum Amsterdam entstanden ist, der Kabbala in ihren verschiedensten Ausprägungen. Die Kabbala umfasst einen Bereich des Judentums, der sich mit seinen esoterischen Ausformungen auseinandersetzt und versucht, auf die Rolle des Menschen im Universum und seiner Beziehung zu Gott Antworten zu geben. Dabei handelt es sich um universelle Grundsätze, die sich an Menschen jeglichen Glaubens und jeglicher Religion wenden.

Neue Ausstellung folgt den Spuren der Kabbala
Die Kabbala stellt eine Säule, einen ständigen Wegbegleiter jüdischer Geschichte, Kultur und Religion dar. Weit über das Judentum hinaus beschäftigten sich Humanisten und Wissenschaftler mit diesem Phänomen der europäischen Kulturgeschichte. Die Ausstellung „Kabbalah“ im Jüdischen Museum Wien betrachtet die Kabbala im weitesten Sinne des Wortes und ihre historischen Entwicklungen im Lauf vieler Jahrhunderte. Die klassische Kabbala, die frühe jüdische Mystik, die Magie, wie auch ihre modernen Ausprägungen in Kunst und Populärkultur werden vorgestellt. Die Ausstellung folgt dabei etwa den Spuren, die die Kabbala in den unterschiedlichsten Formen moderner Kunst hinterließ: der Malerei, der Bildhauerei, dem Design, der Literatur, dem Film und der Musik (klassisch, wie populär). Mit einem erstaunlichen Blick hinter die Kulissen wird dieses Thema, das allgemein als „verborgene Welt“ gilt, erlebbar.

Nicht (mehr) nur für Eingeweihte
Die Kabbala (=Überlieferung, Übernahme, Weiterleitung, Tradition) umfasst einen Bereich des Judentums, der sich mit seinen esoterischen Ausformungen auseinandersetzt. Seit der Renaissance spielt diese mystische Tradition überlieferter Bräuche und Schriften eine wichtige Rolle in den spirituellen Lehren des Judentums und später des Christentums. Die kabbalistischen Lehren sind ein Teil des jüdischen Erbes in Europa und haben bis heute weltweit SchriftstellerInnen, KünstlerInnen, ArchitektInnen und FilmemacherInnen entscheidend beeinflusst.

Viel ist über die Kabbala geschrieben worden, was bis heute aber fehlte, ist ein profunder Überblick, der von Beginn der kabbalistischen Lehren bis in die Gegenwart führt. Durch die Zusammenarbeit und die gemeinsame Ausstellung des Jüdischen Museums Wien und des Joods Historisch Museum in Amsterdam entstand nun mit dem Katalog zur Ausstellung eine Publikation, die zurecht ein Standardwerk zur Einführung in die Kabbala darstellt.

Was ist Kabbala?
Wenn heute das Wort „Kabbala“ verwendet wird, dann haben Menschen davon durchaus sehr verschiedene Vorstellungen. Die einen sehen in ihr die alte mystische Weisheit der ÄgypterInnen, die anderen eine der wichtigsten mystischen Richtungen des Abendlandes, manche wiederum verbinden sie mit dem Christentum, vergessen aber dabei vielfach, dass es sich hier um eine ursprünglich jüdische Erscheinung handelt.

Die Kabbala hat sich im Laufe von mehreren Jahrhunderten in vielfältige Richtungen entwickelt und eine große Anzahl von Schriften hervorgebracht. Die erste Periode beginnt mit den mystischen Zirkeln in der südfranzösischen Provence und in Spanien, die sich im 12. und 13. Jahrhundert ausgebildet haben. Die günstige geografische Lage und der Seehandel mit Byzanz sowie dem Orient führten zu regem Ideenaustausch innerhalb der einzelnen jüdischen Gemeinden.

Nach der Zerstörung der spanisch-jüdischen Gemeinde 1492 wurde im 16. Jahrhundert die kleine Stadt Safed in Obergaliläa zum Zentrum der Kabbala. Bedeutende Personen der Schulen von Safed waren Moses Cordovero und Isaak Luria. Cordovero versuchte die bisherigen kabbalistischen Lehren neu zu interpretieren. Er beabsichtige die Masse der Jüdinnen und Juden, die nicht zur mystischen Versenkung fähig sind, im Geiste der Kabbala zu führen. Die Lebensgeschichte Lurias ist zum Gegenstand der ersten kabbalistischen Hagiographien geworden. Legenden rühmen ihn als meisterhaften Kabbalisten. Ab dem Ende des 16. Jahrhunderts verbreitete sich die lurianische Kabbala, da sie durch ihre historischen Bezüge und ihre mythischen Bilder den Zeitgeist getroffen haben dürfte, durch die gesamte Diaspora.

Die kabbalistischen Lehren entwickelten sich in kleinen Zirkeln weiter und führten zur großen Volksbewegung des Chassidismus im 18. Jahrhundert. Trotz der Vielfalt der unterschiedlichen Kabbalisten, mit ihren manchmal widersprüchlichen Lehren, haben die schillernden Bilder der kabbalistischen Schriften die Welt des traditionellen Judentums bis heute befruchtet.

Doch Kabbala ist nicht immer Kabbala
Neben der traditionellen jüdischen Kabbala entstand in der Renaissance die christliche Kabbala. Die damit einsetzende Übersetzertätigkeit ins Lateinische macht es möglich, dass Elemente und Ideen der Kabbala in zahlreichen Texten von Alchemisten und Magiern in mehr oder weniger entstellter Form zu finden sind. So schöpfen auch moderne esoterische Richtungen aus diesem reichen Fundus und tauchen heute Symbole der Kabbala, wie der Sefirotbaum, oft in Schriften auf, die spirituelle und universale Erneuerungswege aufzeigen wollen.

Die moderne Kabbala
Der chassidische Kabbalist Yehuda Ashlag kommentierte die lurianische Kabbala vor dem Hintergrund seiner Zeit. Durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und der Vernichtung des osteuropäischen Judentums, aus dem Ashlag stammte, kam er zu dem Schluss, dass die Mächte des Bösen nun so stark geworden seien, dass es erlaubt sei die Kabbala nicht mehr als verborgenen Lehre zu betrachten, sondern zu verbreiten. Für ihn waren die Übel der Zeit der Egoismus und die Egozentrik der Menschheit. Den Kampf gegen das Ego verstehen Ashlag und alle Schulen, die seine Lehren adaptieren, als zentrale Lebensaufgabe. Durch Sängerin Madonna, das Kabbalah-Centre der Familie Berg und andere berühmte Persönlichkeiten, wurde vor allem das „rote Band“ zum Accessoire der Pop-Kultur. Die gegenwärtigen Formen der Kabbala sind aber, welches es zu betonen gilt, ernst zu nehmen und nicht nur Teil der modernen Pop-Kultur, sondern auch Teil der jüdischen Kulturgeschichte.

„Kabbalah“ ist von 31. Oktober 2018 bis 3. März 2019 im Jüdischen Museum Wien, einem Museum der Wien Holding, zu sehen. Zur Ausstellung, die von Domagoj Akrap und Klaus Davidowicz in Kooperation mit dem Joods Historisch Museum Amsterdam kuratiert und von Conny Cossa gestaltet wurde, erscheint ein Katalog zum Preis von 29,90 € im Kerber Verlag. Das Jüdische Museum Wien, Dorotheergasse 11, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Freitag 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der zweite Standort, Museum Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr, freitags 10 bis 14 Uhr (Winterzeit) bzw. 17 Uhr (Sommerzeit) geöffnet.

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.jmw.at

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at