EP-Vizepräsidentin Gebhardt: EU-Recht muss Verbraucher und Anbieter schützen
Brüssel/Wien (pk) -Wie steht es um Verbraucherrechte und Unternehmensinteressen in der digitalen Geschäftswelt?
Darüber diskutierten Nationalratsabgeordnete von ÖVP, FPÖ, SPÖ und Liste Pilz am 8. November
mit der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments (EP), Evelyne Gebhardt. Sorge herrscht bei allen
Fraktionen, neue Verbraucherschutzregelungen der EU könnten vor allem für kleine und mittelständische
Betriebe (KMU) zu überbordender Bürokratie führen und somit der Entwicklung des digitalen Binnenmarkts
entgegenstehen. Gebhardt versicherte als Mitglied des EP-Ausschusses für Verbraucherschutz, die Anliegen der
Wirtschaft im Blick zu haben. Dennoch müsse die EU angesichts der Zunahme von Produkten wie selbstfahrende
Autos schon aus Sicherheitsgründen über eine klare Rechtsgrundlage verfügen. Auch Anbieter aus Drittstaaten
hätten dann diese EU-Vorgaben zu befolgen.
Debattengrundlage für den Austausch mit Vizepräsidentin Gebhardt bei ihrem Besuch im Parlament war ein
Richtlinienvorschlag der EU-Kommission, der eine einheitliche Regelung der Gewährleistung für digitale
Inhalte und Dienste vorsieht. Mängel bei Spotify beispielsweise sollten so für MusikkonsumentInnen in
der gesamten Union die gleichen vertragsrechtlichen Ansprüche nach sich ziehen. Komplizierter wird es allerdings
bei Produkten wie softwareunterstützen Fernsehern oder Handys mit vorinstallierten Apps, führte Gebhardt
aus. Das Gewährleistungsrecht für die Ware wäre nämlich von der ebenfalls noch zu finalisierenden
Warenhandelsrichtlinie umfasst, jenes für die digitalen Inhalte müsste aber auf die vorgeschlagene Richtlinie
für Digitale Inhalte abstellen, wodurch Rechtslücken entstehen könnten.
Offene Fragen bei Gesprächen auf EU-Ebene
Knackpunkte in den laufenden Gesprächen zu den beiden Kommissionvorschlägen zwischen Europäischem
Parlament und Rat sind Gebhardt zufolge zum einen der Harmonisierungsgrad der Gewährleistungsfrist und deren
Dauer sowie die Beweislastumkehr in Haftungsbelangen und zum anderen die Frage, von welcher Richtlinie Softwareupdates
umfasst sind. Jedenfalls müssten schon zum Schutz vor Cyberkriminalität Sicherheitsupdates ausreichend
lange angeboten werden, unterstrich die Europapolitikerin. Im Zusammenhang mit der Gewährleistung sei den
Mitgliedstaaten wichtig, dass bei einer Vollharmonisierung der Regelungen für den Binnenmarkt ihre nationalen
Standards nicht gesenkt würden. Sie hoffe jedoch, dass die Trilog-Verhandlungen über die Digitale Inhalte-Richtlinie
noch unter dem österreichischen Vorsitz abgeschlossen werden, sagte Gebhardt auf Nachfrage von Stephanie
Cox (Liste Pilz), die dabei auch die Elektromobilität als zentrales Thema beim Umgang mit digitalen Diensten
ins Treffen führte.
Österreich warnt vor zusätzlichen Hürden für KMU
Österreichs kritische Haltung zum Richtlinienentwurf für Digitale Inhalte drückten die GesprächsteilnehmerInnen
der ÖVP, Eva Maria Himmelbauer und Maria Theresia Niss, sowie Doris Margreiter (SPÖ) und Christian Höbart
(FPÖ) in ihren Wortmeldungen aus. Margreiter und Höbart betonten zwar die hohe Bedeutung des Verbraucherschutzes,
sie vermissen im aktuellen Kommissionsvorschlag aber eine ausreichende Balance zwischen Verbraucher- und Unternehmensinteressen.
Die EU müsse für beide Seiten eine praktikable Lösung finden, so Höbart, ansonsten falle die
Union im globalen Wettbewerb zurück. Wirtschaftspolitisch problematisch sehen das Kommissionsvorhaben auch
Himmelbauer und Niss, besonders hinsichtlich der angedachten Haftungsverpflichtungen für Betriebe. Grundsätzlich
dürften EU-Regelungen kein Hindernis für KMU darstellen, grenzüberschreitend im Binnenmarkt tätig
zu werden, appellierte Himmelbauer.
Digitale Inhalte-Richtlinie soll auch kostenfreie Dienste umfassen
Zu den spezielle Gewährleistungsregeln im Richtlinienvorschlag für Digitale Inhalte gehören unter
anderem Update-Verpflichtungen für Unternehmen. Weiters wird darin VerbraucherInnen das Recht eingeräumt,
eine Mängelbehebung nicht nur bei Verträgen, durch die sie für die digitalen Inhalte und Dienste
mit Geld zahlen, einzufordern, sondern auch in Bereichen, in denen sie ihre personenbezogenen Daten für die
kostenlose Nutzung eines Dienstes zur Verfügung stellen. Datenanbieter, die ihre Dienste mit freiwilligen
Spenden durch die NutzerInnen verbinden, würden die neuen Regelungen allerdings nicht treffen, versicherte
Gebhardt.
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