Wirtschaftlicher Nutzen im EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert
Wien (pk) - Geeint für mehr Sicherheit in der EU, diese Maxime hat sich die Europäische Kommission
auf die Fahnen geheftet. Am Kommissionsvorschlag für einen Europäischen Verteidigungsfonds begrüßten
die BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ in der EU-Ausschusssitzung vom 7. November vor allem, dass die
EU nun Fördermittel für die gemeinsame Forschung im Bereich innovativer Verteidigungstechnologien und
–güter bereitstellen will. Neue Gefahren wie hybride Angriffe und Cyberattacken erforderten neue Schwerpunkte
in der Verteidigungspolitik, meinte Christoph Längle (FPÖ/V) mit Verweis auf den Verordnungsvorschlag
der Kommission. Generell seien EU-Initiativen im Sinne der Sicherheit positiv zu sehen.
Wie Österreich als neutrales Land mit den EU-Förderungen für militärische Produkte umgehen
wird, wurde allerdings von der SPÖ kritisch hinterfragt. Die Kritik Stefan Schennachs (SPÖ/W) an möglichen
Förderungen für Waffenexporte in Krisenregionen versuchte ein Vertreter des Verteidigungsministeriums
mit dem Hinweis zu relativieren, Österreich verfüge über eines der strengsten Regime beim Umgang
mit Kriegsmaterial. Außerdem könnten militärische Technologien oftmals im zivilen Feld genutzt
werden, skizzierte er am Beispiel von Drohnen im Katastrophenschutz.
EU-Kommission setzt bei Verteidigung auf europäische Firmen
Der Experte des Verteidigungsministeriums (BMLV) unterstrich im Ausschuss, die EU wolle eine funktionierende Unternehmenslandschaft
in Europa für den Militärbereich sicherstellen, wobei auch europäische NATO-Länder mit von
den USA kontrollierten Waffenproduktionen um Projektförderungen ansuchen könnten. Hinsichtlich der Unterstützung
für österreichische Unternehmen gab Sonja Zwazl (ÖVP/N) zu bedenken, zur Mobilisierung von EU-Mitteln
brauche es auch nationale Förderung. Aus der Wirtschaftskammer wurde diese Sichtweise bestätigt, da einzig
Forschungskosten zu 100% von der EU refundiert würden. Andere Ausgaben der Verteidigungswirtschaft, die in
Österreich zu 85% aus kleinen und mittelständischen Betrieben (KMU) mit Tätigkeit im Zulieferbereich
bestehe, erhielten nur eine Kofinanzierung von 20%. Konkret gehe es hier um rund 300 Betriebe mit etwa 11.000 direkt
und 20.000 indirekt beschäftigten Personen.
Als Hauptproblem in der europäischen Verteidigung ortet die EU-Kommission die derzeitige Fragmentierung beziehungsweise
Doppelung von Ressourcen auf nationaler Ebene. Während die USA über 30 Waffensysteme verfügten,
bestünden in der EU 178 derartige Systeme. Dadurch ergäben sich nicht zuletzt beträchtliche Marktineffizienzen,
zumal die nationalen Verteidigungshaushalte, insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung, in den vergangenen
zehn Jahren beträchtlich gekürzt worden seien. Mit dem nächsten EU-Finanzrahmen soll ab 2021 daher
mehr Geld aus dem EU-Haushalt für die Verteidigungsagenden ausgeschüttet werden.
Insgesamt würden nach Berechnung der Kommission die Verteidigungsausgaben den EU-Haushalt 2021 – 2027 mit
13 Mrd. € belasten, wovon 4,1 Mrd. € für Forschungsmaßnahmen schlagend würden und 8,9 Mrd. € für
Entwicklungsmaßnahmen. Die Mitgliedstaaten könnten dagegen bis zu 30% ihrer jährlichen Verteidigungsaufwendungen
einsparen, heißt es aus Brüssel. Auch die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte würde durch
die Bündelung der Verteidigung verbessert.
Neutralität soll EU-Fördermitteln nicht entgegenstehen
Von Hubert Koller (SPÖ/St) auf die Auswirkung der Neutralität auf die EU-Mittelverteilung an Österreich
angesprochen, hielt der BMLV-Experte fest, die Republik habe ein "vorbehaltloses Bekenntnis zur Außen-
und Sicherheitspolitik der EU" abgelegt. Abgesehen davon stünden vor allem die wirtschaftlichen Interessen
bei der Ausgestaltung des vorgeschlagenen EU-Verteidigungsfonds im Vordergrund, sodass die heimischen KMU in diesem
Bereich profitieren könnten. Das Verteidigungsministerium erwartet sich mithilfe der EU-Mittel einen "Technologieschub",
der militärisch und zivil genutzt werden kann. Dennoch zeigte Schennach kein Verständnis für die
Ausschüttung von EU-Geldern im Militärbereich, zumal Waffenexporte der EU in Drittstaaten derzeit unionsweit
heftig diskutiert würden, wie er sagte. Die "Waffenschmiede Österreich" habe Gott sei Dank
zuletzt an Bedeutung verloren.
Ausschussobmann Christian Buchmann verwies hingegen erneut auf wertvolles Wissen aus der militärischen Forschung,
das zivil genutzt wird. Über derartige Schnittstellen berichtete das Verteidigungsministerium in Hinblick
auf zahlreiche Synergien, die Brüssel mit dem Verteidigungsfonds anstrebt: Kooperationen sind beabsichtigt
mit dem Weltraumprogramm der Union, den EU-Initiativen im Bereich der Cybersicherheit und mit koordinierten Maßnahmen
zur Forschungsagenda für maritime Sicherheit bzw. mit dem Seeverkehr. Andere einschlägige EU-Programme
im Bereich Sicherheit, wie der Fonds für die innere Sicherheit und
der Fonds für integriertes Grenzmanagement würden ebenfalls mit dem Verteidigungsfonds verknüpft.
Darüber hinaus sei der Fonds Teil des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation "Horizont Europa".
Unterstützung für Forschungsprojekte läuft bereits
Als Vorbereitung auf den Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) hat die Kommission bereits letztes Jahr 90
Mio. € bis Ende 2019 bereitgestellt. Projekte mit Potential für EU-Finanzierung sind beispielsweise in den
Bereichen Elektronik, Metawerkstoffe, verschlüsselte Software oder Robotertechnik zu finden, etwa für
unbemannte Systeme im Marineumfeld. Anträge auf Fördermittel kamen laut Kommission sowohl aus dem öffentlichen
als auch dem privaten Sektor, wobei 30% der Antragsteller KMU waren. Ab 2020 sollen dem Verordnungsvorschlag zufolge
jährlich 500 Mio. € im Rahmen eines EU-Verteidigungsforschungsprogramms ausgeschüttet werden, wodurch
die EU zu einem der größten Investoren in die Verteidigungsforschung in Europa würde. Dabei erhalte
auch die bessere Nutzung des industriellen Potenzials von Innovation, Forschung und technologischer Entwicklung
in jeder Phase des industriellen Zyklus entsprechende Förderung, ist man im Verteidigungsministerium (BMLV)
überzeugt. Dies sei ein wichtiger Beitrag zur strategischen Autonomie der Union.
Neben der Forschung soll der Verteidigungsfonds bei Entwicklung und Beschaffung neue Standards setzen. Durch Kofinanzierung
von 500 Mio. € bis 2020 aus dem EU-Haushalt und mit praktischer Unterstützung der Kommission will man Anreize
für die Mitgliedstaaten schaffen, bei der gemeinsamen Entwicklung und Beschaffung von Verteidigungsgütern
und -technologien zu kooperieren. So könnten EU-Länder gemeinsam in die Entwicklung von Drohnentechnologie
oder Satellitenkommunikation investieren oder Hubschrauber in großer Stückzahl ankaufen und damit ihre
Ausgaben reduzieren. Nur gemeinsame Projekte von EU-Ländern erhalten gemäß EU-Plan Finanzhilfen
und ein Teil der Förderungen für Projekte zweckgebunden, an denen KMU aus mehreren Ländern teilnehmen.
Nach 2020 soll ein größer angelegtes Programm ins Leben gerufen werden, das jährlich mit 1 Mrd.
€ ausgestattet ist. Ausnahmen bei der bis zu 100%igen Kofinanzierung sind dort bei der Entwicklung von Systemprototypen
vorgesehen, die maximal zu 20% durch EU-Mittel gedeckt würde, sowie beim Test, Eignungsnachweis und der Zertifizierung
von Produkten – hier sollen 80% der Kosten als förderfähig gelten.
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