Bundesrat begrüßt Intensivierung im EU-Beitrittsprozess der Westbalkanstaaten, Skepsis
bei Beitrittsverhandlungen mit Türkei
Wien (pk) - Die Europäische Kommission will die Staaten des Westbalkans verstärkt auf dem Weg
in die Europäische Union unterstützen. Die dafür vorgesehenen finanziellen Mittel sollen daher im
nächsten EU-Finanzrahmen 2021 - 2027 von 12 Mrd. € auf 14,5 Mrd. € erhöht werden, schlägt Kommission
vor. Eingebettet in einer neuen Strategie für den westlichen Balkan sollen die Finanzhilfen nach thematischen
Kriterien wie Stärkung der Demokratie, Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Bekämpfung von Korruption
ausgeschüttet werden. Im EU-Ausschuss des Bundesrats vom 7. November fand dieses Vorhaben großteils
Zuspruch, sei doch die gute Nachbarschaft mit dem Westbalkan ein erklärtes Ziel der österreichischen
Ratspräsidentschaft, wie Ausschussobmann Christian Buchmann (ÖVP/St) betonte.
Kritisch äußerten sich die BundesrätInnen allerdings in Bezug auf das Verhältnis EU-Türkei.
Buchmann zitierte in diesem Zusammenhang Erweiterungskommissar Johannes Hahn, der mehr "Wahrhaftigkeit im
Umgang mit der Türkei" eingefordert habe. Monika Mühlwerth (FPÖ/W) und Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O)
bekräftigten, die EU solle ein maßgeschneidertes Handelsabkommen mit dem Land am Bosporus ausverhandeln,
anstatt die Türkei mit dem Versprechen eines Beitritts hinzuhalten. Tatsächlich bewerte der Erweiterungskommissar
in Hinblick auf die Türkei die "Fortführung einer Beitrittsfiktion" negativ, meinte eine Expertin
des Außenministeriums im Ausschuss dazu, jedoch finde sich unter den EU-Mitgliedstaaten derzeit nicht die
nötige Mehrheit, um die Beitrittsverhandlungen zu stoppen.
EU-Nachbarschaftspolitik mit Priorität Südosteuropa
Größere Erwartungen gibt es hingegen beim Heranführungsprozess der Staaten des Westbalkans an die
EU, wie eine Vertreterin des Außenministerium mit Verweis auf den derzeit verhandelten mehrjährigen
EU-Finanzrahmen verdeutlichte: "Südosteuropa hat für Österreich große Priorität".
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ/W) appellierte, "die Verpflichtungen der EU rasch einzulösen",
etwa in Bezug auf die Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien. Aus dem Außenministerium hieß es dazu,
die südosteuropäischen Länder befänden sich derzeit in höchst unterschiedlichen Stadien
des Beitrittsprozesses, die EU beabsichtige aber mit leistungsorientierten Finanzhilfen einen "positiven Wettbewerb"
zu initiieren, um die Staaten gesellschaftlich und wirtschaftlich auf EU-Niveau zu heben. Für die Kandidatenländer
bedeute dies "enorme Kraftanstrengungen", so die Bmeia-Vertreterin, weswegen sie viel Hilfe von der EU
benötigten, sowohl in finanzieller als auch in politischer Hinsicht.
Vor diesem Hintergrund will die EU-Kommission das "Instrument für Heranführungshilfe" (IPA
III) für Beitrittskandidatenländer und potenzielle Kandidaten für den Westbalkan neu ausrichten.
Eine für die Stabilisierung in Südosteuropa zuständige Bmeia-Expertin erläuterte, mittels thematischer
Finanzierung wolle die EU die Beitrittskandidaten zu schnelleren Reformen und Veränderungen ermutigen, die
Mittel also für eingereichte Projekte anstatt wie bisher länderspezifisch ausschütten. Die Ziele
der IPA III sind dem Verordnungsvorschlag zufolge nach politischen Prioritäten ausgerichtet, die für
eine EU-Mitgliedschaft erforderlich sind. Zusätzlich zu den schon bislang im Rahmen der Heranführungshilfen
vorgesehenen Parametern wie Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, sozioökonomische Entwicklung, EU-Recht bzw.
-Politik und regionale Zusammenarbeit würden demnach auch andere zentrale Herausforderungen wie Migration,
Sicherheit, Umweltschutz und Klimawandel mehr Gewicht erhalten.
Zielgerichteter Einsatz der EU-Förderungen
Durch die Leistungsorientierung erreiche man bei der Mittelvergabe auch mehr Flexibilität, da von einem Land
ungenutzte Fördergelder nicht mehr brach liegen würden, so die Südosteuropa-Expertin. Ihr Kollege
aus dem Außenministerium ergänzte auf Nachfrage der SPÖ-Mandatare aus der Steiermark, Andrea Karhofer
und Hubert Koller, Indikatoren zur Zielerreichung würden von EU-Delegationen vor Ort jährlich festgelegt.
Bei der Qualitätsüberprüfung der Ergebnisse verfüge die Union bereits aus den vergangenen Jahren
über ausreichend Erfahrung, etwa seitens des Europäischen Rechnungshofs. Viel zu tun gebe es noch im
Bereich der Korruptionsbekämpfung, den der Vorarlberger Freiheitliche Christoph Längle ansprach. Die
IPA-Gelder kämen hier sinnvoll zum Einsatz, etwa bei der Durchleuchtung der Justizsysteme. Mühlwerth
mahnte allerdings auch die Eigenverantwortung der Beitrittsländer ein, den Reformprozess voranzutreiben, und
nicht nur auf Zahlungen aus Brüssel zu setzen. Gerade beim Kampf gegen Korruption gehe es vor allem um einen
Einstellungswandel in der Gesellschaft, finanzielle Hilfen reichten nicht aus.
Mit den Zahlungen will Brüssel erreichen, dass die Westbalkanstaaten einen schrittweisen und nahtlosen Übergang
vom Heranführungsstatus zum Status eines Mitgliedstaats schaffen. Erforderlich sei dabei der Aufbau der notwendigen
Absorptionskapazitäten – etwa ausreichend Arbeitskräfte und technisches Wissen - für die EU-Mittel
bei den Partnern, so die Kommission, damit die Investitionen effektiv genutzt werden. Dies gelte insbesondere für
die Umsetzung der Agrar- und der Kohäsionspolitik. Eine der "Leitlinien" in der EU-Unterstützung
ist dem Außenministerium zufolge aber auch die Sicherstellung eines friedlichen Miteinanders der Balkanstaaten,
was Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP/T) ebenso als Grundvoraussetzung hervorhob wie ihr Fraktionskollege
Tiefnig.
EU-Beitrittsverhandlungen wurden bereits mit Montenegro und Serbien aufgenommen, und auch mit der Türkei,
wobei die Kommission in ihrem Verordnungsentwurf festhält, die neuen Heranführungshilfen würden
"den Entwicklungen in den Beziehungen zur Türkei Rechnung tragen".
Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien ist seit 2005 Kandidat, Albanien wurde 2014 der Kandidatenstatus
zuerkannt. Bosnien und Herzegowina sowie das Kosovo sind potenzielle Beitrittskandidaten. Voraussetzungen für
einen EU-Beitritt sind die sogenannten "Kopenhagener Kriterien", zu denen unter anderem die Stabilität
der Institutionen, der Schutz von Minderheiten und deren Rechten, eine funktionierende Marktwirtschaft und die
Einhaltung der EU-Verträge gehören.
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