Paarbindung und Verdauungseffizienz bei Graugänsen haben engen Zusammenhang
Wien (univeristät) - Bei gruppenlebenden Tieren werden Physiologie, Verhalten, Fortpflanzungserfolg
und sogar Ernährungsstrategien durch das soziale Umfeld beeinflusst. Ein Team der Konrad Lorenz Forschungsstelle
(KLF) der Universität Wien um Didone Frigerio hat nun gemeinsam mit KollegInnen der Universität Udine
(Italien) herausgefunden, dass stabile soziale Beziehungen mit verbesserter Verdauungseffizienz und erhöhtem
Fortpflanzungserfolg zusammenhängen – zumindest bei hochsozialen Graugänsen. Die Ergebnisse ihrer Studie
erscheinen aktuell in "Scientific Reports".
Die meisten Gänsearten leben in Scharen mit einer komplexen Sozialstruktur, die erweiterte Familienverbände
und weiblich-zentrierte Clans inkludiert, wie die Ergebnisse der langjährigen Forschung der Konrad Lorenz
Forschungsstelle der Universität Wien (KLF) verdeutlichen. Im Allgemeinen spielt die Anwesenheit von Nachkommen
eine große Rolle in den sozialen Beziehungen zwischen den Gänsen: Familien dominieren Paare ohne Nachwuchs
in aggressiven Begegnungen und verpaarte Individuen sind unverpaarten überlegen.
Im Rahmen der aktuellen Studie begleitete das Forschungsteam Graugänse im Winter und untersuchte die Verdauungseffizienz
der Tiere bei standardisierter Fütterung. "Wir dachten, dass langfristige soziale Bindungen über
die emotionale soziale Unterstützung dazu beitragen könnten, langfristig den Glukokortikoidspiegel zu
senken und auf indirekte Weise die Verdauung zu optimieren", erklärt Didone Frigerio von der KLF. Untersucht
wurde die Verdauungseffizienz von 38 Tieren aus verschiedenen sozialen Gruppen.
Die Verdauungsleistung ist bei Paaren mit Nachkommen höher als bei Paaren ohne Nachwuchs oder unverpaarten
Gänsen. Zudem ist es wahrscheinlicher, dass sich Individuen mit hoher Verdauungseffizienz in der folgenden
Saison erfolgreich fortpflanzen, als solche mit niedriger Verdauungseffizienz. "Unsere Ergebnisse zeigen,
dass der soziale Status den Stoffwechsel moduliert, wahrscheinlich über eine Kette von physiologischen Mechanismen,
einschließlich einer geringeren Stressreaktion bei jenen Vögeln, die stabile soziale Beziehungen zu
ihren Familienmitgliedern genießen."
Das Team in Udine analysierte 184 individuelle Kotproben, um das "apparent digestibility of organic matter",
also die Scheinverdaulichkeit organischer Substanz, zu bestimmen. Dabei nutzten die WissenschafterInnen Lignin
als unverdaulichen Marker in der Nahrung und im Kot. Außerhalb der Brutzeit sind Graugänse sehr gesellig
und pflegen starke Familienbindungen. In der Schar sind rivalisierende Interaktionen zwischen Tieren mit unterschiedlichem
sozialem Status üblich. Diese lösen Stressreaktionen aus, welche sich wiederum auf die physische und
emotionale Unterstützung sozialer Partner auswirkt. Die Reaktion der sozialen Unterstützung hängt
dabei von der Familiengröße ab, denn bei Graugänsen mit Nachkommen nimmt die Ausscheidung von Kortikosteron-Metaboliten
mit zunehmender Anzahl der Nachkommen ab.
Darüber hinaus interagieren soziale und ökologische Faktoren mit dem Immunsystem, wie Frigerio und ihr
Team bereits 2017 zeigten. Hämatologische Parameter sind abhängig von einer Reihe von individuellen (d.h.
Geschlecht, Alter), sozialen (d.h. Paarbindung, Fortpflanzungserfahrung) und ökologischen Faktoren. "Wir
konnten nun zeigen, dass soziale Umfeld und Verdauungseffizienz zusammenspielen. Diese Ergebnisse bieten ein spannendes
Vorfeld für weiterführende Forschungsansätze", so Frigerio abschließend.
Publikation in "Scientific Reports": Frigerio,
D., Kotrschal, K., Fabro, C., Puehringer-Sturmayr, V., Iaiza, L., Hemetsberger, J., Mason, F., Sarnataro, C., Filacorda,
S. Social context modulates digestive efficiency in greylag geese (Anser anser).
DOI: 10.1038/s41598-018-34337-3; www.nature.com/articles/s41598-018-34337-3
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