Wien (wienmuseum) - Mit der Ausstellung „Drei Bauten von Karl Schwanzer – fotografiert von Sigrid Neubert“,
feiert das Wien Museum einen spektakulären Sammlungszuwachs: Das Karl Schwanzer Archiv zählt zu den umfangreichsten
und wertvollsten Architekten-Nachlässen des 20. Jahrhunderts in Österreich. Vor wenigen Tagen ist ein
Großteil des Archivs, sorgfältig verpackt in 80 Aluminiumkisten, im Depot des Wien Museums angekommen.
Die wissenschaftliche Erschließung und Inventarisierung beginnt im Jänner 2019. Eine große Ausstellung
zum Werk Karl Schwanzers und zahlreiche weitere Aktivitäten, darunter auch eine Online-Plattform, sind in
Planung.
Als Auftakt zu dieser Phase der intensiven Auseinandersetzung mit dem Schaffen und der internationalen Strahlkraft
Karl Schwanzers (1918-1975) präsentiert eine von Leonie Manhardt und Andreas Nierhaus kuratierte Ausstellung
im Wien Museum ab 8. November drei seiner Hauptwerke in historischen Fotografien: das Wohnhaus des Architekten
in Pötzleinsdorf (1962), die BMW-Bauten in München (1973) und die Österreichische Botschaft in Brasilia
(1975). Sigrid Neubert (1927-2018) zählte zu den meistbeschäftigten deutschen Architekturfotografinnen
nach 1945. Ihre Aufnahmen, die Sachlichkeit und Pathos vereinen, bringen die spezifischen städtebaulichen
und räumlichen Qualitäten von Schwanzers Bauten kongenial zum Ausdruck. „Bekenntnis zur Form“ heißt
eine von Schwanzers zahlreichen Publikationen – er bekannte sich zu einer funktional begründeten Architektur,
die sich zugleich ihrer hohen ästhetischen und sozialen Bedeutung bewusst ist. Seine Bauten folgen daher keinem
Schema, sondern sind stets präzise aus der jeweiligen Aufgabe entwickelt: Das Familienwohnhaus mit offenem
Grundriss, die ikonische Zentrale des Autokonzerns, das repräsentative Botschaftsgebäude.
Die Bedeutung Karl Schwanzers für die österreichische Architektur nach 1945 kann nicht hoch genug eingeschätzt
werden: dank seiner Neugierde zählte er zu den Ersten, die nach der geistigen Abschottung der NS-Zeit den
Kontakt zur internationalen Moderne suchten; er plante und baute in Europa, Asien, Nord- und Südamerika; als
Professor an der Technischen Hochschule in Wien prägte er durch seinen unkonventionellen Zugang zur Lehre
eine ganze Generation von Architekten.
Das Karl Schwanzer Archiv wurde in den letzten Jahren durch das Engagement Martin Schwanzers, Sohn des Architekten,
systematisch gesichtet und mit großem Aufwand geordnet, was die weitere wissenschaftliche Bearbeitung im
Wien Museum bedeutend erleichtern und die Veröffentlichung beschleunigen wird. Der materielle Wert des Archivs
ist hoch, der ideelle unschätzbar – handelt es sich doch um eine einzigartige Dokumentation zur Architektur-,
Kultur- und Zeitgeschichte von 1945 bis 1975. Der beeindruckende Umfang lässt sich am Besten in Zahlen ausdrücken:
Rund 7000 Pläne zu rund 170 Projekten, 10 000 Fotografien, mehr als 6 000 Diapositive, 22 Filmdosen, 1 382
Akteneinheiten, rund 400 Bücher und Zeitschriften, 16 772 Mikrofilmkarten, außerdem Modelle und zahlreiche
Möbel.
Mit dem Karl Schwanzer Archiv erfährt die Architektursammlung des Wien Museums die bedeutendste Erweiterung
seit vielen Jahren. Zum Nachlass Otto Wagners gesellt sich nun auch jener Karl Schwanzers, dessen Wirken in vielerlei
Hinsicht Parallelen zum großen Erneuerer der Architektur um 1900 aufweist. Nach Abschluss der Inventarisierung
wird das „Karl Schwanzer Archiv“ als Teil der Architektursammlung des Wien Museums für die Forschung und die
Öffentlichkeit nach Voranmeldung zugänglich sein. Ziel ist es, das Werk Schwanzers international bekannt
zu machen; erster Höhepunkt wird eine umfassende Ausstellung im neuen Wien Museum sein.
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