Dringlicher Antrag der SPÖ in Nationalrats-Sondersitzung abgelehnt
Wien (pk) - Die Differenzen zwischen Regierung und Opposition zu den neuen Arbeitszeitregelungen konnten
auch in der weiteren Debatte der Sondersitzung des Nationalrats am 16. November nicht ausgeräumt werden.
Der Dringliche Antrag der SPÖ, die nach den kürzlich bekanntgewordenen Verstößen gegen das
Prinzip der Freiwilligkeit die Neuverhandlung des Arbeitszeitgesetzes verlangte, wurde nach hitziger Debatte mit
Mehrheit der Regierungsparteien abgelehnt.
Keine Mehrheit fanden auch zwei Anträge der NEOS, mit denen diese mehr Rechtssicherheit und betriebsspezifische
Lösungen im Arbeitszeitgesetz fordern, sowie ein Antrag der Liste Pilz, die auf die Beibehaltung der Notstandshilfe
pocht.
Muchitsch (SPÖ) sieht Probleme bei Freiwilligkeit von Mehrarbeit
Der SPÖ-Bereichssprecher für Arbeit und Soziales, Josef Muchitsch, wollte festhalten, dass sich schon
zwei Monate nach "Durchpeitschen" des "Husch-Pfusch-Gesetzes" eindeutige Gewinner und Verlierer
der Neuregelung zeigen würden. Dass die ArbeitnehmerInnen nun als Verlierer dastünden, würde seiner
Ansicht nach bestätigen, dass das neue Arbeitszeitgesetz nicht funktioniere. Die unlängst bekanntgewordenen
Beispiele, etwa die Blankoschecks, würden faktisch beweisen, dass Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer bereits
zu einem 12-Stunden-Tag, bzw. einer 60-Stunden-Woche gezwungen werden und dass ein Verzicht auf die Leistung der
elften und zwölften Arbeitsstunde negative Auswirkungen nach sich ziehe. Die SPÖ habe genau diese Problematik
der nur angeblichen Freiwilligkeit bereits von Anfang an gesehen, wies Muchitsch den Vorwurf der Angstmache zurück.
"Was früher eine illegale Überschreitung war, ist jetzt legalisiert", gab er zu bedenken.
Im neuen Arbeitszeitgesetz vermisst Muchitsch außerdem den Rechtsanspruch auf eine Vier-Tage-Woche, die längere
Freizeitblöcke ermöglichen würde, stärkere Sanktionen gegen Verstöße sowie die Möglichkeit
längerer Kündigungsfristen. Muchitsch äußerte sich zudem kritisch über die Abwesenheit
von Bundeskanzler Sebastian Kurz bei der Sondersitzung. Bei der 100-Jahrfeier anlässlich des österreichischen
Demokratie-Jubiläums wurde ja verkündet, Gemeinsames vor Trennendes stellen zu wollen. Daher forderte
der SPÖ-Abgeordnete die Bundesregierung auf, einen Dialog auf Augenhöhe mit der Opposition zu führen,
um ein funktionierendes Gesetz mit Rechtssicherheit auf die Beine zu bringen. "Bauen wir gemeinsam ein neues
Gesetz. Dieses ist nicht mehr reparabel, also bauen wir besser neu, bevor wir sanieren", so sein Vorschlag.
Wöginger (ÖVP): SPÖ betreibt unbegründete Panikmache
Als Reaktion auf die Oppositionskritik zur Abwesenheit des Bundeskanzlers, betonte ÖVP-Klubobmann August
Wöginger die Bedeutsamkeit der Gespräche mit EU-Ratspräsident Tusk, Chefverhandler Barnier und EU-Kommissionspräsident
Juncker zum Thema Brexit, die zeitgleich in Brüssel stattfanden. Als Vorsitzender im Rat der Europäischen
Union sei es seine Pflicht in dieser Situation Gespräche mit den Vertretern der EU-zu führen. Das eigentliche
Thema der Sondersitzung verstand er als Panikmache der SPÖ-Fraktion, die seines Gleichen suche. Was sich seitens
der SPÖ in letzter Zeit im Nationalrat abspiele, habe in einer funktionierenden Demokratie nichts verloren,
sagte Wöginger. Seines Erachtens würde die Fraktion nun alles als "Teufelswerk" darstellen,
was sie nicht selbst mitverhandelt habe. Er kritisierte dabei insbesondere die Sozialpartner. Wenn diese nicht
in der Lage seien, der modernen Ausrichtung der Arbeitszeitflexibilisierung, die sich an den Wünschen der
ArbeitnehmerInnen orientiert, nachzukommen, so sei es eben Aufgabe der Politik, Lösungen auf den Tisch zu
legen. Ergebnis davon seien die neue Rechtsvorschrift für das Arbeitszeitgesetz. "Grundsätzlich
bleiben wir bei einem 8-Stunden-Tag und einer 40-Stunden-Woche", stellte der Klubobmann klar.
Die vehemente Behauptung, es werde ein 12-Stunden-Tag und einer 60-Stunden-Woche eingeführt, sei einfach nicht
richtig. Dabei würde die Opposition bewusst ignorieren, dass die Stundenanhebung ohnehin nur für eine
gewisse Anzahl an Wochen im Jahr möglich ist. Es sei wichtig, dass nun diese Möglichkeit der Flexibilisierung
bestehe. "Das Prinzip der Freiwilligkeit war noch nie so klar wie jetzt im Gesetz verankert", sagte Wöginger.
"Lassen wir also die Kirche im Dorf und verallgemeinern wir einige Beispiele nicht für Millionen von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern." Jene, die gegen das Gesetz verstoßen, würde man genau wie
in der Vergangenheit auch weiterhin zur Verantwortung ziehen und alle Fälle seien mit der Härte des Gesetzes
zu ahnden.
Gudenus (FPÖ): Freiwilligkeitsgarantie ganz klar im Gesetz verankert
Geschäftsführender FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus sah in der Aufregung rund um das Arbeitszeitgesetz
eine andere Ursache. "Wir, die FPÖ, sind das soziale Gewissen in Österreich", meinte er. Die
SozialdemokratInnen seien aufgeregt, weil ihnen die "Felle davonschwimmen" und sie nichts mehr weiterbringen
würden, die derzeitige Regierung hingegen schon. Außerdem sei das Bekenntnis der SPÖ zum "Weg
des Dialogs" unglaubwürdig, nachdem sie die FPÖ jahrzehntelang vom Dialog ausgeschlossen habe. Das
Arbeitszeitgesetz bringe keine Verschlechterung, ganz im Gegenteil werde die Freiwilligkeitsgarantie klar im Gesetz
verankert, außerdem ermögliche es größere Freizeitblöcke. Das bedeute Flexibilität
und habe mit generellem 12-Stunden-Tag nichts zu tun, so Gudenus. Anhand einer Statistik des Sozialministeriums
belegte er, dass bereits "wesentlich weniger Verstöße gegen das Gesetz zu verzeichnen" seien.
Während es im Oktober 2017 allein 170 Übertretungen der Höchstarbeitszeit gab, waren es diesen Oktober
nur 22 Fälle. Daraus erkenne man eindeutig, dass die Regierung etwas für die Bevölkerung mache.
Auch beim Ausstieg aus dem UNO-Migrationspakt zeige sich Österreichs Vorreiterrolle in der Europäischen
Union, sagte er.
Meinl-Reisinger (NEOS): Begriff "Freiwilligkeit" führt zu Rechtsunsicherheit
Dass die Arbeitszeitflexibilisierung eine dringend notwendige Maßnahme sei, die sowohl der Erwartungshaltung
des Unternehmertums als auch einer neuen Generation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entspreche, betonte
NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Sie fand es schade, dass ein derartiges Gesetz nicht schon früher zustande
gekommen sei, da sich ja auch die SPÖ schon in ihrem "Plan A" dazu bekannt habe. Dieses von der
ÖVP-FPÖ-Koalition "durchgepeitschte Pfusch-Gesetz" halte sie allerdings für ein schlechtes,
insbesondere da es nicht in Begutachtung geschickt und der Dialog gänzlich verweigert worden sei. Der Begriff
"Freiwilligkeit" sei mit Rechtsunsicherheiten und Unklarheit behaftet. Von Anfang an habe man seitens
der Opposition auf diese Fehler hingewiesen.
Meinl-Reisinger forderte für die Zukunft eine Kultur konstruktiver Zusammenarbeit. Wenn Mehrheitsparteien
regieren, müssten sie in den Dialog gehen, gewillt sein, Verbesserungsvorschläge und berechtigte Bedenken
anzuhören. Immerhin habe man die Verantwortung gegenüber den ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen,
klare Gesetze zu schaffen. Sie appellierte an die Regierungsmitglieder, "von ihren hohen Rössern runterzukommen",
und nach schwarzen Schafen in den eigenen Reihen zu suchen, etwa in Bezug auf die Überschreitung der erlaubten
Wahlkampfkosten.
Holzinger-Vogtenhuber (PILZ) besorgt über "Zwangs-12-Stunden-Tag"
"Zeit für die Familie und Freunde zu haben sollte kein Luxus, sondern ein Grundrecht sein", meinte
die Familien- und Sozialsprecherin der Liste Pilz, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, als Antwort auf das neue Arbeitszeitgesetz,
das nun einen "Zwangs-12-Stunden-Tag" ermögliche. Von Freiwilligkeit könne keine Rede sein,
wenn schon nach so kurzer Zeit von Kündigungen berichtet wird, wenn Arbeitnehmer die vermeintliche Freiwilligkeit
verwehren. Auch die Berichte über die Blankoschecks würden davon zeugen. Sie kritisierte, dass das Gesetz
"durchgepeitscht" und nicht begutachtet worden sei, darüber hinaus nicht dem Ausschuss für
Arbeit und Soziales, sondern direkt dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen worden sei.
Die Plenardebatte am 14. Juni 2018 verglich die Abgeordnete mit dem parallel stattfindenden Auftakt der Fußball-Weltmeisterschaft.
Es habe auch im Parlament ein Match gegeben, nämlich zwischen jenen Kräften, die eine Vereinbarkeit von
Familie und Arbeit anstrebten, und jenen türkis-blauen Kräften, die es zugelassen hätten, dass "einige
wenige Industrielle Profite auf Kosten der Lebensqualität der Mehrheit der gesamten Bevölkerung machen",
so Holzinger-Vogtenhuber. Sie fürchte auch, dass gerade die, die von Kündigungen aufgrund des neuen Gesetz
betroffen sein würden, in weiterer Folge von der Abschaffung der Notstandshilfe betroffen sein würden.
Holzinger-Vogtenhuber appellierte insbesondere an die FPÖ-Fraktion, dem Antrag der Liste Pilz zur Sicherstellung
der Notstandshilfe zuzustimmen.
Hartinger-Klein: Es ist unfair, ordentliche Unternehmer unter Generalverdacht zu stellen
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein betonte in ihrer Reaktion auf die HauptrednerInnen, dass es sich in
den vorgebrachten Beispielen nur um einzelne Fälle handle und man nicht pauschalisieren dürfe. Sie warf
den Antragstellern vor, eine Verunsicherungskampagne anhand vereinzelter Vorfälle zu betreiben. Tatsächlich
habe man sich seit Gesetzesbeschluss in nur einem einzigen Fall an ein Arbeitsinspektorat gewandt. "Gegen
Verstöße und Rechtsmissbrauch muss natürlich vorgegangen werden, aber ich finde es unfair gegenüber
jenen Unternehmerinnen und Unternehmern, die sich ans Gesetz halten, auf gutes Betriebsklima achten und Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer ordentlich behandeln, weil einige schwarze Schafe unter Generalverdacht gestellt werden",
sagte die Ministerin.
Ihrer Ansicht nach ist die Neuregelung ein guter Kompromiss zwischen Unternehmern und Beschäftigten. Arbeitgeber
können somit flexibel reagieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben, Arbeitnehmer können ihre Arbeitszeit
flexibler gestalten. Die Ministerin habe bereits Maßnahmen veranlasst, um schwarze Schafe besser aufzuspüren.
Die Arbeitsinspektorate sollen auf die gesetzlichen Möglichkeiten hingewiesen, die Unternehmerinnen und Unternehmer
besser über Kündigungsschutz informiert werden.
SPÖ: Arbeitszeitgesetz muss mehr Zeitautonomie für ArbeitnehmerInnen bringen
Alois Stöger (SPÖ) widersprach in einer tatsächlichen Berichtigung den Ausführungen der Sozialministerin.
ArbeitnehmerInnen könnten nicht, wie sie behauptet habe, von einer vereinbarten Wochenendregelung jederzeit
wieder zurücktreten. Auch sei unrichtig, dass ArbeitnehmerInnnen, die Überstunden verweigern, nicht gekündigt
werden könnten. Sie hätten nur das Recht, die Kündigung anzufechten, das sei etwas ganz Anderes.
In seiner Wortmeldung forderte Stöger dann eine Diskussion über tatsächliche Arbeitszeitflexibilisierung,
die auch eine Arbeitszeitverkürzung bringen müssten. Die Möglichkeiten für ArbeitnehmerInnen,
ihre Arbeitszeiten autonom zu gestalten, müssten ausgeweitet werden.
Seine Fraktionskollegin Gabriele Heinisch-Hosek betonte, es habe schon vor dem neuen Arbeitszeitgesetz die Möglichkeit
zu flexiblen Arbeitszeiten bei entsprechendem Ausgleich in Form von Geld oder Freizeit gegeben. Nun habe die Koalition
mit einem Arbeitszeitverlängerungsgesetz die Bedingungen der ArbeitnehmerInnen verschlechtert und den Leistungsdruck
erhöht. Die Fälle, in denen sich das deutlich zeige, häuften sich.
Rainer Leopold Wimmer (SPÖ) schloss sich dieser Kritik an und sagte, die Sozialdemokratie werde alles tun,
um den ArbeitnehmerInnen jene Rechte wieder zurückzuholen, die ihnen durch das neue Arbeitszeitgesetz genommen
worden seien. Die Möglichkeit, vor das Arbeitsgericht zu ziehen, gebe ArbeitnehmerInnen keinen ausreichenden
Rückhalt, um unzumutbare Überstunden abzulehnen. Die Koalition stelle die Errungenschaft des Acht-Stunden-Tages
in Frage. SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried wiederholte die Kritik seiner Fraktion an Bundeskanzler Sebastian
Kurz. Er sei der Debatte ferngeblieben, wohl im Wissen, dass er die Verantwortung für ein Husch-Pfusch-Gesetz
trage, und weil er sich der Kritik nicht stellen wolle, vermutete Leichtfried.
ÖVP: Gesetz ist Chance für Unternehmen und ArbeitnehmerInnen, Verstöße sind zu ahnden
In einer tatsächlichen Berichtigung reagierte August Wöginger (ÖVP) auf die Rede von SPÖ-Abgeordneter
Heinisch-Hosek und sagte, entgegen dem, was die Abgeordnete behauptet habe, seien Überstunden ebenso wie das
Recht auf geblockte Freizeit im Gesetz ganz klar geregelt.
Die Flexibilisierung der Arbeitszeit stelle gerade für kleine und mittlere Unternehmen in Gastronomie und
Tourismus eine große Chance dar, im Wettbewerb bestehen zu können, ist Barbara Krenn (ÖVP) überzeugt.
Das setze natürlich nur ein gutes Einvernehmen der ArbeitgeberInnen mit ihren MitarbeiterInnen voraus. Das
flexible Arbeitszeitmodell sei auch wichtig für den Pflegebereich. Freiwilligkeit müsse selbstverständlich
sichergestellt werden und die Arbeitszeitgesetze eingehalten werden.
Der gemeinsame Beschluss einer Arbeitszeitflexibilisierung sei von der Sozialdemokratie verweigert worden, obwohl
die Sozialpartner sich auf ein Modell geeinigt hatten. Daher habe die Regierung handeln müssen, argumentierte
Peter Haubner (ÖVP). Er bekenne sich klar zum ArbeitnehmerInnenschutz, die gesetzlichen Bestimmungen dazu
müssten selbstverständlich eingehalten werden.
Die SPÖ setze in ihrer Kritik auf Angstmache, nicht auf Fakten, sagte Georg Strasser (ÖVP). Das sei ein
unredliches Vorgehen. Die Regierung habe gezeigt, dass sie erfolgreich gute Kompromisse aushandeln könne.
In diesem Sinne würden im Gefolge der neuen Arbeitszeitregelungen auch im Landarbeitergesetz notwendige Klarstellungen
erfolgen, von denen sowohl Unternehmen als auch ArbeitnehmerInnen profitierten. Das Gesetz funktioniere gut, meinte
auch Maria Theresia Niss (ÖVP). Sie verstehe daher insbesondere die Kritik der NEOS daran nicht, die sich
stets für die Arbeitszeitflexibilisierung ausgesprochen hätten.
FPÖ: Neues Arbeitszeitgesetz hat Rechte der ArbeitnehmerInnen gestärkt
Die Vorwürfe der Sozialdemokratie würden nicht zutreffen, argumentierten Christian Hafenecker seitens
der FPÖ. Sie scheitere mit ihrer Kampagne gegen das neue Arbeitszeitgesetz daran, dass die Realität eine
andere sei, als sie diese zeichne. Die Koalition habe tatsächlich eines der besten Gesetze zur Arbeitszeitflexibilisierung
in Europa beschlossen, es sei ausgewogen und habe die Rechte der ArbeitnehmerInnen gestärkt. Die Zahl der
angezeigten Übertretungen der Arbeitszeit sei seit Einführung der neuen gesetzlichen Regelung sogar deutlich
zurückgegangen.
Die SPÖ setze nur auf Verunsicherung und arbeite mit unrichtigen Behauptungen, sagte Dagmar Belakowitsch (FPÖ).
Es gebe keinen generellen 12-Stundentag und es werde kein Zwang zu Mehrarbeit geschaffen, sondern die Freiwilligkeit
gestärkt. Die Koalition wolle auch die Rechte jener Frauen stärken, die Kinderbetreuungspflichten haben.
Verstöße gegen das Arbeitsrecht habe es auch früher gegeben und müssten selbstverständlich
geahndet werden, das gelte auch für die neue Regelung. Auch Walter Rosenkranz (FPÖ) kritisierte die SPÖ
heftig und meinte, sie könne keine stichhaltigen Argumente gegen das Arbeitszeitgesetz bringen, sondern nur
mit dem Schüren von Ängsten und einem populistischen Klassenkampf arbeiten. Die Koalition wolle hingegen
das Miteinander von ArbeitsnehmerInnen und ArbeitgeberInnen stärken.
NEOS: Für Flexibilisierung, aber mit Rechtssicherheit
Er halte Arbeitszeitflexibilisierung für eine notwendige Maßnahme, habe aber von Anfang an darauf hingewiesen,
dass die Bundesregierung dazu ein schlechtes Gesetz vorgelegt habe, sagte Gerald Loacker (NEOS). Die von der Koalition
propagierte Freiwilligkeit der Überstunden entspreche nicht der Realität der Arbeitswelt, vielmehr sei
die Rechtsunsicherheit gestiegen. Die so genannte "neue Form des Ablehnungsrechts" für die elfte
und zwölfte Stunde widerspreche der bisherigen Rechtsordnung zu angeordneten Überstunden. Loacker brachte
daher einen Entschließungsantrag ein, die gesetzlichen Begriffe der bisherigen Rechtsprechung anzupassen,
um wieder Rechtssicherheit herzustellen. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit.
Die Regierung habe ein Gesetz durchgepeitscht, das vor allem die ArbeitgeberInnen verunsichere, befand auch Josef
Schellhorn (NEOS). Zum einen habe man ihnen Entbürokratisierung versprochen, nun kündige man schärfere
Kontrollen an. Die Unternehmen brauchen Arbeitszeitflexibilisierung zur Abdeckung von Spitzenzeiten, das sei unbestritten.
Notwendig sei aber Klarheit und ein fairer Umgang mit den MitarbeiterInnen. Die Neugestaltung der Arbeitswelt müsse
breit ausgehandelt werden, die Lösung sei weder die Ausrufung des Klassenkampfes noch eine fehlerhafte Husch-Pfusch-Gesetzgebung.
Schellhorn forderte daher in einem Entschließungsantrag eine Novellierung des Arbeitszeitgesetzes, die auf
eine Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung bei der Festlegung flexibler Arbeitszeiten hinauslaufe. Auch
sein Antrag wurde abgelehnt.
Irmgard Griss (NEOS) kritisierte, dass das neue Arbeitszeitgesetz ohne ausreichende Begutachtung zustande gekommen
sei. Das widerspreche dem demokratischen Ideal des Ausgleichs divergierender Interessen. Sie könne daher nicht
verstehen, warum die Koalition diese Vorgehensweise gewählt habe. Mit einem angemessenen Begutachtungsverfahren
hätte man Rechtsunsicherheit, etwa bei der Definition von Freiwilligkeit der Leistung von Überstunden,
vermeiden können.
Liste Pilz: Arbeitszeit verkürzen, Notstandshilfe beibehalten
Die Rahmenbedingungen für die österreichische Industrie seien derzeit ausgezeichnet, stellte Bruno Rossmann
(PILZ) fest. Die Geschenke der Regierung an sie brauche es daher also nicht. Gegen lange Arbeitszeiten gebe es
viele gute Argumente, sowohl arbeitsmedizinische als auch ökonomische. Eine moderne Arbeitswelt brauche eine
Verkürzung der Arbeitszeiten, denn das schaffe eine höhere Produktivität. Die Antwort müsse
daher "35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich" lauten. Die im Gesetzestext verankerte Freiwilligkeit
gebe es aufgrund des Ungleichgewichts zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen nicht.
Der Klubobmann der Liste Pilz brachte auch einen Entschließungsantrag auf Beibehaltung der Notstandshilfe
ein. Er wolle damit Klarheit über die Absichten der ÖVP und FPÖ schaffen, von denen man widersprüchliche
Aussagen höre, erklärte Rossmann. Laut Regierungsprogramm solle es nämlich zur Abschaffung der Notstandshilfe
und damit zu einem Zugriff auf das Vermögen von Langzeitarbeitslosen kommen. Was hier geplant sei, laufe auf
ein Harz-IV-Modell und eine Umverteilung von unten nach oben hinaus, auch wenn die Koalition das in Abrede stelle.
Die fraktionslose Abgeordnete Martha Bißmann vermisste in der Diskussion über die Flexibilisierung der
Arbeitszeit den Aspekt der Digitalisierung. Durch diese werde aber der Arbeitsmarkt nicht mehr wachsen, sondern
effektiver werden. Körperliche Schwerarbeit werde somit bald der Vergangenheit angehören. Das neue Arbeitszeitgesetz
biete keine Antworten auf diese tiefgreifenden Veränderungen der Arbeitswelt. Die Wirtschaft sei nach ihrer
Wahrnehmung bereit, ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen. Das bedeute auch, ernsthaft über den Systemwandel
und ein bedingungsloses Grundeinkommen zu reden. An die Stelle einer Lagerdebatte, wie sie heute geführt worden
sei, sollte die gemeinsame Suche nach Einigkeit und Übereinstimmung treten, wie es dem Geist der Zweiten Republik
entspreche, forderte Bißmann.
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