Zwischen Frühjahr 2017 und Herbst 2018 wurde das gesamte historische Notenarchiv fotografiert
– Ein Werk von Joseph Haydn existiert weltweit einzig in diesem Archiv, das eine wahre Schatzkammer für die
internationale musikwissenschaftliche Forschung ist.
Eisenstadt (martinus) - Pünktlich zum Martinsfest wurde das digitalisierte Notenarchiv und damit das
Ergebnis eines musikwissenschaftlichen Großprojekts der letzten zwei Jahre präsentiert: Die Digitalisierung
des historischen Notenarchivs der Dommusik St. Martin ist abgeschlossen. Das Archiv mit seinen rund 50.000 Seiten
historischer Notenblätter ist eine einzigartige Schatzkammer für die heimische und internationale Forschung.
Die ältesten Handschriften stammen aus den 1720er Jahren. Darunter ist auch ein Werk von Joseph Haydn (Libera),
das einzig in diesem Archiv existiert. Durch die Digitalisierung konnte dieser einzigartige Schatz nun via Internet
zugänglich gemacht werden.
Jahrhundertealtes Kulturgut drohte Gefahr
Dom- und Diözesanmusikdirektor Thomas Dolezal habe zum damaligen Zeitpunkt seines Dienstbeginns (2011)
das historische Notenarchiv "in einem besorgniserregenden Zustand" vorgefunden: "Hunderte Werke,
in abertausenden, bis zu 300 Jahre alten Handschriften notiert, ‚lagerten‘ in Kartonumschlägen verschnürt
in alten Holzkästen auf der Orgelempore." Dieses "jahrhundertealte Kulturgut" von unermesslichem
Wert wäre etwa im Fall eines Brandes oder Wasserschadens "binnen Minuten vernichtet gewesen." Der
stets offene Zugang zur Empore bedeutete zudem eine permanente Gefahr für das Archiv, das der Dom- und Diözesanmusikdirektor
als "europaweit bedeutende Musiksammlung" bezeichnet.
Diözese, Stadtgemeinde und Dompfarre unterstützten Großprojekt
Finanziert werden konnte das Großprojekt der Digitalisierung des Notenarchivs der Dommusik dank Unterstützung
der Diözese Eisenstadt, der Freistadt Eisenstadt mit persönlicher Fürsprache von Bürgermeister
Thomas Steiner sowie der Dompfarre. "Zur musikwissenschaftlichen Begleitung konnte mit dem burgenländischen
Landesmusikreferenten Martin Czernin eine äußerst kompetente Persönlichkeit eingebunden werden",
freute sich Dolezal.
Zuordnung bislang nicht erfasster Werke
Den inhaltlich größten Teil der Sammlung bilden Gradualien, gefolgt von Messen, Psalmen, Vespern
und Litaneien. 30 Prozent aller beschriebenen Notenseiten sind Messen. Werke von Gregor Joseph Werner, den Brüdern
Joseph und Michael Haydn sowie des Wiener Domkapellmeisters Georg Reutter bilden den Hauptbestand der Kompositionen.
Rund 50 Werke konnten im Zuge der Digitalisierungsarbeit erfasst und mit Signatur versehen werden, die im Ur-Katalog
von 1837 noch nicht enthalten waren. 14 Kompositionen, die im Katalog als "anonym" eingetragen waren,
konnten zweifelsfrei einem Komponisten zugeordnet werden.
Zukunftssicherung und allgemeine Zugänglichkeit
Die Fotografien der rund 50.000 Seiten historischer Notenblätter erfolgte zwischen Frühjahr 2017
und Herbst 2018 durch die Firma Photogreissler vom Berufsfotografen und Spezialisten für die Digitalisierung
historischer Musiknoten, Konrad Khittl, und seinem Team. Die Digitalisierung, für die bis zu vier Kameras
gleichzeitig zum Einsatz kamen, bedeutet vor allem zweierlei: einerseits Zukunftssicherung durch die Herstellung
von Sicherungskopien und die Möglichkeit einer Schonung der Handschriften angesichts der geringeren manuellen
Benutzung. Andererseits werden die Kostbarkeiten des Dommusikarchivs einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.
Mehr als 1200 Arbeitsstunden
Alleine für die Fotografien bedurfte es eines Arbeitsaufwands von 346 Stunden. Zusammen mit ihrer Nachbearbeitung,
der Zuschneidung für die Online-Präsentation, der Umwandlung in das richtige Dateiformat und schließlich
der Benennung der einzelnen Aufnahmen ergab sich ein Zeitaufwand von rund 1200 Arbeitsstunden. Die Arbeit an den
historischen Noten selbst erfolgte direkt auf der Empore der Eisenstädter Domkirche. Bearbeitete Quellen wurden
in neu geschaffene und absperrbare Metallschränke umgelagert. Kälte im Dom und mitunter schlechter Zustand
der Notenblätter erschwerten die Arbeiten, Anforderungen nach einer möglichst optimalen Ausleuchtung
stellte das Team vor eine besondere Herausforderung.
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