London/Brüssel/Linz (lk-ooe) - Großbritannien mit einer Selbstversorgung bei Lebensmitteln von lediglich
61 Prozent ist ein unverzichtbarer Absatzmarkt für Lieferungen aus den anderen EU-Mitgliedsländern. Die
Lebensmittelimporte des Vereinigten Königreiches lagen zuletzt bei knapp 40 Milliarden Euro. Bei einem ungeordneten
EU-Austritt würden für den Handel zwischen Großbritannien und der EU die geltenden WTO-Zollregelungen
wirksam und damit insbesondere der Warenverkehr zwischen Großbritannien und der verbleibenden EU massiv beeinträchtigt.
„In diesem Fall würden die Folgen für die heimische Landwirtschaft wohl noch dramatischer ausfallen als
bei dem immer noch geltenden Russlandembargo, dass für die Bauern in den vergangenen Jahren massive negative
wirtschaftliche Auswirkungen hatte“, warnt LK-Präsident Franz Reisecker und fordert von den Verhandlungspartnern
nun eine rasche Ratifizierung des erzielten Verhandlungsergebnisses mit der vorgesehenen Beibehaltung einer Zoll-Union.
Harter Brexit brächte EU-Agrarmärkte massiv unter Druck
Ein harter Brexit würde vor allem in den zentralen agrarischen Produktionssparten einen massiven Druck am
EU-Binnenmarkt auslösen. Die Selbstversorgung Großbritanniens mit Rindfleisch liegt bei nur 65 Prozent.
Mit einer jährlichen Lieferung von etwa 270.000 Tonnen deckt alleine Irland etwa 70 Prozent der britischen
Rindfleischimporte. Würde der zollfreie Zugang auf den britischen Rindfleischmarkt im Gefolge des Brexits
wegfallen, so hätte das dramatische Rückwirkungen auf den gesamten EU-Rindfleischmarkt. Die Situation
würde sich weiter verschärfen, wenn Großbritannien im Gegenzug anderen Rindfleischexporteuren aus
Südamerika oder Australien einen zollfreien Marktzugang einräumen würde um den Rindfleischpreis
für die Konsumenten möglichst niedrig zu halten. Der Wegfall des freien Marktzugangs nach Großbritannien
hätte aber auch für die europäische Milchwirtschaft dramatische Rückwirkungen und würde
in der Folge die gesamte EU-Milch- und Molkereiwirtschaft zu einer breiten Umstellung der bisherigen Produktpalette
zwingen. Bei Schweinen und Geflügel gibt es ebenfalls einen intensiven innergemeinschaftlichen Handel zwischen
Großbritannien und den anderen EU-Mitgliedsländern, insbesondere mit Dänemark, Deutschland und
den Niederlanden. Zudem geht es auch im Agrarhandel um die weitere enge Abstimmung bei der Festlegung von Standards
in der Agrar- und Lebensmittelproduktion, um auch hier unnötige Handelshemmnisse auszuschließen. Mit
dem nunmehr erzielten Verhandlungsergebnis zur Schaffung einer Zollunion wären die aufgezeigten Probleme vorerst
einer praxistauglichen Lösung zugeführt. Derzeit ist aber nach wie vor offen ob der erzielte Verhandlungskompromiss
auf Seiten Großbritanniens tatsächlich politisch ratifiziert werden kann.
Appell für rasche Ratifizierung
Der aufgrund der innenpolitischen Situation in Großbritannien immer noch im Raum stehende harte Brexit mit
einer vollständigen Loslösung Großbritanniens von der EU hätte vor allem für die EU-Land-
und Ernährungswirtschaft äußerst dramatische Rückwirkungen. „Für die EU-Landwirtschaft
ist der weiterhin uneingeschränkte Zutritt zum britischen Lebensmittelmarkt absolut unverzichtbar. Eine Störung
bestehender agrarischer Handelsströme muss in beiderseitigem Interesse verhindert werden. Die Landwirtschaftskammer
fordert daher von der EU und Großbritannien eine möglichst rasche Ratifizierung des erzielten Verhandlungsergebnisses
über ein Austrittsabkommen um drohende Turbulenzen für die Agrarmärkte wirksam zu verhindern“, appelliert
Kammer-Präsident Franz Reisecker.
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