EU-Unterausschuss des Nationalrats diskutiert über aktuelle Vorschläge und sieht
reine Aktiensteuer kritisch
Brüssel/Wien (pk) - Was bleibt vom ursprünglichen Vorstoß für eine Finanztransaktionssteuer
übrig, die auf eine Besteuerung des Handels und der Derivate von Aktien und Anleihen abzielte? Dieser Frage
widmete sich der EU-Unterausschuss des Nationalrats am 14. November, der auf Verlangen der SPÖ zusammentrat.
Finanzminister Hartwig Löger bekräftigte einmal mehr, dass er auch weiterhin für eine möglichst
breite Bemessungsgrundlage eintritt und dafür auch engagiert werbe. Im Laufe der jahrelangen Diskussion sei
diese ursprüngliche Basis aber erodiert, Österreich befürworte daher den aktuellen Stand nicht,
machte der Finanzminister unmissverständlich klar. Die Bemessungsgrundlage müsse breit bleiben. Der Vorschlag
von Deutschland und Frankreich, der auf eine reine Aktiensteuer hinausläuft, ist für ihn keine Alternative
zur Finanztransaktionssteuer. Er müsse aber diesen Vorschlag in der Gruppe der 10 Mitgliedstaaten diskutieren,
sonst würden in der Gruppe nur mehr 8 Staaten verbleiben, womit auch die verstärkte Zusammenarbeit in
dieser Frage europarechtlich nicht mehr möglich wäre. Er widersprach damit auch SPÖ und Liste Pilz,
die Löger vorgeworfen hatten, er wolle die Finanztransaktionssteuer begraben. Vielmehr, so Löger, blockierten
der deutsche sozialdemokratische Finanzminister Olaf Scholz und sein französischer Kollege Bruno Le Maire
eine Finanztransaktionssteuer mit breiter Bemessungsgrundlage.
Der Tagesordnungspunkt wurde schließlich im Hinblick auf die kommende Sitzung der 10er-Runde am 4. Dezember
2018 mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ vertagt. Das gilt auch für den Antrag auf Stellungnahme, den
seitens der SPÖ Andreas Schieder eingebracht hat. Darin wird die Bundesregierung und insbesondere der Finanzminister
aufgefordert, sich weiterhin für die Einführung einer breit bemessenen Finanztransaktionssteuer einzusetzen,
die über eine reine Aktiensteuer hinaus geht und sowohl Wertpapier- als auch Derivatgeschäfte erfasst.
Der Ausschuss befasst sich heuer zum zweiten Mal mit der Frage der Umsetzung der Finanztransaktionssteuer . (siehe
Meldung der Parlamentskorrespondenz Nr. 612/2018 ).
Die Finanztransaktionssteuer auf Messers Schneide
Bereits im September 2011 hat die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer
vorgelegt, "damit auch der Finanzsektor einen fairen Beitrag leistet". Sie sollte einen Lenkungseffekt
gegen Spekulationen haben. Der Steuersatz sollte 0,1% auf den Handel von Aktien und Anleihen und 0,01% für
Derivate von Aktien und Anleihen betragen. Dadurch sollten Finanzdienstleister angemessen an den Kosten der Finanzkrise
beteiligt und geeignete Negativanreize für Transaktionen geschaffen werden, die die Stabilität der Finanzmärkte
gefährden.
Innerhalb der EU konnte darüber jedoch keine Einigung erzielt werden. Deshalb einigten sich 2012 insgesamt
elf EU-Länder, darunter auch Österreich, die Finanztransaktionssteuer in Rahmen einer "verstärkten
Zusammenarbeit" einzuführen, was der Rat im Jahr 2013 auch genehmigte. Seither ziehen sich die Verhandlungen
ohne Ergebnis dahin. Nunmehr sind nur noch 10 Länder – neben Österreich und Deutschland auch Belgien,
Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien - an einer Einführung interessiert.
Außerdem sieht der aktuelle Kommissionsvorschlag eine Vielzahl von Befreiungen und Ausnahmen vor, wodurch
die Bemessungsgrundlage sehr stark eingeschränkt würde.
Beim Treffen der Finanzminister der zehn Länder im Juni 2018 wurde laut Information des Finanzministeriums
wegen der offensichtlichen Aussichtslosigkeit einer Einigung von Deutschland und Frankreich der Vorschlag einer
reinen Aktienbesteuerung nach dem Emissionsprinzip (die Steuer würde somit nur Aktien betreffen, die in einem
teilnehmenden Mitgliedstaat emittiert wurden) nach französischem Modell eingebracht. Das Aufkommen der Steuer
soll demnach als Eigenmittelquelle für den mehrjährigen Finanzrahmen dienen.
Durch die ständige Verkleinerung der Bemessungsgrundlage wären beim aktuellen Stand der Debatte um die
Finanztransaktionssteuer für Österreich Einnahmen von 30 Mio. € zu erwarten, bemerkte Finanzminister
Löger gegenüber SPÖ-Abgeordnetem Andreas Schieder, der auf eine WIFO-Studie aus dem Jahr 2008 hingewiesen
hatte, wonach Österreich beim ursprünglichen Modell 500 Mio. € an Einnahmen erzielt hätte. Eine
reine Aktiensteuer würde Österreich kaum mehr als 25 Mio. € bringen. Er, Löger, habe daher immer
wieder klargestellt, dass eine breitere Bemessungsgrundlage notwendig sei und die Aktienbesteuerung kein Ersatz
für die Transaktionssteuer sein könne.
Er könne aber nicht voraussagen, ob Deutschland und Frankreich auf ihren Vorschlag beharren. Würde er
diesen nicht zur Diskussion stellen, dann würden beide Länder die 10er Runde verlassen und 8 Länder
wären für das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit zu wenig, stellte der Finanzminister gegenüber
den Vorwürfen von Andreas Schieder (SPÖ), Kai Jan Krainer (SPÖ) und Bruno Rossmann (PILZ) fest.
Die drei Oppositionspolitiker hatten ihm im Vorfeld vorgeworfen, gerade unter dem österreichischen Ratsvorsitz
die Finanztransaktionssteuer ad acta legen zu wollen. Er habe nicht den Eindruck, dass Löger für den
Kommissionsvorschlag zur Finanztransaktionssteuer engagiert eintrete, sagte Rossmann. Schieder wies auf ein Interview
im Handelsblatt hin, das den Eindruck vermittelt, dass Löger die Steuer bereits begraben habe. Er erinnerte
auch an den im Jahr 2008 erfolgten einstimmigen Beschluss des Nationalrats zur Finanztransaktionssteuer und regte
an, diesen zu wiederholen.
Unterstützung fand Löger seitens der Abgeordneten Peter Weidinger (ÖVP) und Wendelin Mölzer
(FPÖ). Weidinger bedauerte die Entwicklung der Diskussion in der 10er Gruppe und auch Mölzer unterstrich,
dass man sich in puncto Finanztransaktionssteuer in Österreich einig sei. Man könne aber nichts dagegen
tun, wenn die Partner abhandenkommen.
Was die Frage in Bezug auf den Brexit betrifft, so meinte Löger in Beantwortung einer Frage von Abgeordneter
Claudia Gamon (NEOS), dass die Einführung der Finanztransaktionssteuer durchaus eine zusätzliche Stimulation
für den Londoner Finanzplatz bringen könnte
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