Öffnung zum Osten

 

erstellt am
22. 11. 18
13:00 MEZ

Forscher der Universität Graz zu möglicher EU-Erweiterung in Richtung Südosteuropa
Graz (universität) - Da waren es nur noch 27: Wenn Großbritannien die EU im März 2019 verlässt, schrumpft das Staatenbündnis erstmals seit den Anfängen der europäischen Integration, die bis in die 1950er Jahre zurückreichen. Doch es warten bereits andere Staaten auf die Aufnahme in die Union: In Südosteuropa haben zumindest Serbien und Montenegro eine realistische Chance, die Beitrittsverhandlungen bis 2025 auf Schiene gebracht zu haben. Andere Staaten harren noch dieser Perspektive. Liegt die Zukunft der Europäischen Union im Osten des Kontinents? Florian Bieber vom Zentrum für Südosteuropastudien der Universität Graz umreißt die derzeitigen Positionen der Länder in der Warteschleife:

Serbien und Montenegro
„Serbien und Montenegro führen Beitrittsgespräche und gelten als die Länder mit den besten Perspektiven auf die Mitgliedschaft. In beiden gibt es allerdings schwerwiegende Probleme mit Rechtsstaatlichkeit sowie ein ernstzunehmendes Demokratiedefizit. Serbien kann weiterhin erst der EU beitreten, wenn es eine Klarheit in der Kosovofrage gibt.“

Mazedonien und Albanien
„Für Juni 2019 sind beginnende Verhandlungen in Aussicht gestellt worden. Die Vorbereitungen dafür gehen jetzt los. Wie rasch und positiv diese voranschreiten, wird davon abhängen, wie professionell diese beiden Länder in der Phase der Beitrittsgespräche agieren. Für Mazedonien wird es auch darauf ankommen, ob es gelingt, das Abkommen zur Lösung der Namensfrage mit Mazedonien umzusetzen. Die größte Hürde wurde am 19. Oktober genommen, als der Prozess zur Verfassungsänderung im mazedonischen Parlament mit der nötigen zwei Drittel Mehrheit beschlossen wurde. Es bedarf jedoch noch zwei weiterer Abstimmungen im dortigen Parlament, sowie einer im griechischen Parlament. Scheiterten diese, wird Mazedonien weiter warten müssen. Die nächste Gelegenheit den Namensstreit mit Griechenland beizulegen, wird es erst in einigen Jahren geben.“

Bosnien und Herzegowina und der Kosovo
„Kosovo wird derzeit von fünf EU-Mitgliedern – Rumänien, Zypern, Griechenland, Slowakei und Spanien – nicht anerkannt, hauptsächlich, weil in diesen Ländern ethnische Minderheiten leben und man keinen Präzedenzfall schaffen will. Das Problem ist daher auch innerhalb der EU symbolisch aufgeladen. Ein Ausgleich zwischen Serbien und Kosovo muss sicherstellen, dass diese fünf Staaten einer Annäherung des Kosovo an die EU nicht im Weg stehen. Für Bosnien liegen die Herausforderungen im komplexen Staatsaufbau und der ethnischen Polarisierung durch die politischen Eliten. Somit sind beide Länder am weitesten von der EU entfernt und es besteht keine klare Vorstellung, wie dieser Prozess beschleunigt werden könnte.“

Wie intensiv kann und soll Österreich also in den restlichen drei Monaten seines EU-Ratsvorsitzes die Frage der EU-Erweiterung nach Südosteuropa thematisieren? Florian Bieber dazu: „Dieses Thema hat in den vergangenen zehn Jahren keine Priorität erfahren. Aktuell ist die Migration mit all ihren Konsequenzen ein Hauptthema, neben dem andere schwer bestehen. Österreich hätte die Chance gehabt, in seiner Ratsvorsitzperiode Südosteuropa wieder auf die Tagesordnung zu bringen, hat sich aber leider für ein defensives Motto – ‚Ein Europa, das schützt‘ – entschieden. Die Warteschleifen-Position führt innerhalb der Bevölkerung der südosteuropäischen Staaten zu Skepsis gegenüber Europa und Abwehrhaltungen auf der einen, sowie zu Perspektivenlosigkeit und Abwanderung auf der anderen Seite. Eine Entwicklung, die dem Kontinent insgesamt nicht guttut. Verzögert werden die Beitrittsverhandlungen aber hauptsächlich durch antidemokratische Strömungen in den Balkan-Regionen sowie durch Regierungen, die autokratisch agieren und natürlich keinesfalls zu akzeptieren sind. Leider fehlt das politische Bekenntnis zu Veränderung in den Ländern Südosteuropas.“

     

Weitere Informationen:
https://www.aircampus-graz.at/podcasts/eu-ratsvorsitz/
Österreichs EU-Vorsitz
https://www.eu2018.at

   

 

 

 

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