Wien (bmasgk) - Am 15. und 16. November 2018 fand im Rahmen des österreichischen Vorsitzes im Rat der Europäischen
Union eine Konferenz der EU-Ombudsleute für Menschen mit Behinderungen im Austria Center Vienna statt. Diese
stand im Zeichen des Themas „Beschäftigung für Menschen mit Behinderungen.“
Nachfolgend die Abschlusserklärung des Österreichischen Behindertenanwalts zur Konferenz der EU-Ombudsleute
für Menschen mit Behinderungen im Wortlaut:
„Menschen mit Behinderungen sind seit einigen Jahren verstärkt in den Fokus der Politik der Europäischen
Union wie auch der Mitgliedstaaten gerückt. Einen entscheidenden Beitrag dazu haben auch die entsprechenden
Richtlinien der EU – wie beispielsweise die Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für
die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – geleistet. Aber auch das Übereinkommen
der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) hat maßgeblich zu einem
Paradigmenwechsel beigetragen. Im Mittelpunkt stehen nunmehr die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die mit
Schlagworten wie Partizipation, Selbstbestimmung, Barrierefreiheit und Inklusion verdeutlicht werden.
Ein ganz wesentlicher Aspekt eines selbstbestimmten Lebens ist die volle Teilhabe am Erwerbsleben. Eine Beschäftigung
am allgemeinen Arbeitsmarkt bildet nicht nur die Grundlage dafür, den Lebensunterhalt selbst erwirtschaften
zu können, sondern trägt in unseren europäischen Gesellschaften auch entscheidend zum Selbstwert
eines Menschen bei. Aus diesen Gründen muss gewährleistet werden, dass Menschen mit Behinderungen in
gleicher Weise wie Menschen ohne Behinderungen teilzuhaben vermögen.
In der Realität sind die Möglichkeiten von Menschen mit Behinderungen zur vollen Teilhabe am Erwerbsleben
allerdings stark eingeschränkt. Dies gilt umso mehr für Menschen mit Behinderungen, die auch anderen
schutzbedürftigen Gruppen angehören und Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sind. Im Durchschnitt sind
Menschen mit Behinderungen früher, öfter und länger vom Phänomen der Arbeitslosigkeit betroffen
als Menschen ohne Behinderungen. Oftmals gilt dies in besonderem Maße für junge Menschen mit Behinderungen
oder für Frauen sowie für Menschen mit Behinderungen, die ethnischen Minderheiten angehören. In
vielen Fällen steht Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt von
vorne herein nicht offen und sie werden mangels entsprechend angemessener Vorkehrungen auf segregierende Sonderformen
der Beschäftigung beschränkt.
Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilhabe am Erwerbsleben ist die bestmögliche Ausbildung.
Zwar gilt dies für alle Menschen, doch da Menschen mit Behinderungen ohnehin stark benachteiligt sind, ist
Bildung und Ausbildung für diese Personengruppe noch bedeutsamer. Inklusive Bildung beginnend mit dem Kindergarten
ist daher eine Grundvoraussetzung für einen inklusiven Arbeitsmarkt.
Der Übergang von der Schule zum Berufsleben stellt für jeden Menschen eine Zäsur dar und ist oftmals
eine echte Herausforderung. In dieser Lebensphase benötigen junge Menschen mit Behinderungen oft erhebliche
Unterstützung um sicherzustellen, dass aus einer möglichen Nahtstelle keine Schnittstelle wird.
Die Wiener Tagung der EU-Ombudsleute für Menschen mit Behinderungen legte besonderes Augenmerk auf praktische
Beispiele für die Unterstützung von jungen Menschen mit Behinderungen für einen nachhaltigen, erfolgreichen
Einstieg in das Erwerbsleben. Denn viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben herausragende Projekte,
Ansätze und Strukturen mit dem Ziel entwickelt und umgesetzt, es Menschen mit Behinderungen leichter zu machen,
am allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die vorgestellten Projekte eignen sich vorzüglich dazu, in
anderen Staaten, Regionen oder Kommunen der EU entsprechend angepasst und nachempfunden zu werden.
Die Tagung der EU-Ombudsleute für Menschen mit Behinderungen fordert die Mitgliedstaaten der Europäischen
Union auf, Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt zu gewährleisten und den gleichberechtigten
Zugang zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten sowie dieselben Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten
wie für Menschen ohne Behinderungen sicherzustellen.
Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, dem Übergang von der Schule zum Berufsleben insbesondere
im Hinblick auf Jugendlichen mit Behinderungen besonderes Augenmerk zu schenken. Denn es ist nicht nur eine menschenrechtliche
Verpflichtung, sondern auch ein ökonomisches Gebot, Menschen mit Behinderungen die volle und uneingeschränkte
Teilhabe am Erwerbsleben zu ermöglichen.
Schließlich werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, das Mandat ihrer Gleichstellungsstellen und Behindertenbeauftragten
im Zusammenhang mit dem Diskriminierungsgrund der Behinderung auf alle Lebensbereiche auszudehnen und die Unabhängigkeit
und Wirksamkeit dieser Strukturen im Einklang mit der Empfehlung der Europäischen Kommission zu Standards
für Gleichstellungsstellen (C 2018/3850 final) sicherzustellen.“
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