Uraufführung von Die Weiden

 

erstellt am
21. 11. 18
13:00 MEZ

… von Johannes Maria Staud und Durs Grünbein am 8. Dezember 2018 an der Wiener Staatsoper
Wien (staatsoper) - Die Weiden ist nach Berenice und Die Antilope bereits die dritte gemeinsame Oper des aus Tirol stammenden Komponisten Johannes Maria Staud und des deutschen Lyrikers Durs Grünbein. Kurz vor der Uraufführung der Antilope im Jahr 2014 erhielt Johannes Maria Staud den Opernauftrag der Wiener Staatsoper. Wie Andreas Láng für das Staatsopernmagazin "Prolog" mit dem Komponisten erörtert, stand von Anfang an fest, dass das aufeinander eingespielte Team Staud-Grünbein auch in diesem Fall zusammenarbeiten würde. In den ersten Monaten gingen die beiden zahllose mögliche Themenfelder durch, vieles wurde gelesen, intensiv diskutiert, verworfen, neu überdacht. Für eine eskapistische Künstleroper etwa, schien, nach der Flüchtlingskrise 2015 und den daraus resultierenden politischen Reaktionen, nicht die richtige Zeit zu sein, es sollten vielmehr Dinge angesprochen werden, die die Menschen heute bewegen, keine fiktive Epoche also, sondern das Hier und Jetzt: Bedenkt man die internationale Strahlkraft der Wiener Staatsoper, so geht es ja nicht zuletzt auch um das (künstlerische) Wahrnehmen der gesellschaftspolitischen Verantwortung. Schlussendlich kristallisierte sich ein Gedanke heraus: Eine Reise, entlang an einem großen Strom. Mehrere literarische Vorlagen - Joseph Conrads Heart of Darkness, ferner The Willows des englischen Horrorschriftstellers Algernon Blackwood sowie Howard Phillips Lovecrafts The Shadow over Innsmouth wurden zusammengeführt respektive als Basis einer neuen Geschichte gewählt, die als verzweifelter Aufschrei verstanden werden soll, als hingeworfener Fehdehandschuh an die Bürger eines wohlhabenden Kontinents, an die Bürger wohlhabender Länder, die, getrieben von irrationalen Ängsten, hemmungslos die Ideale der Aufklärung über Bord werfen und sich den Rattenfängern des Hasses willenlos hingeben. Wichtig war Johannes Maria Staud und Durs Grünbein allerdings, dass hier nicht ein moralischer Zeigefinger erhoben wird, kein diskurspolitisches Stück vorgestellt wird. "Wir wollen nicht Politik machen mit unserer Oper, wir machen Kunst", so Staud, "und deshalb changieren Die Weiden zwischen Realem und Surrealem. Wir zeigen im poetischen Modell, was uns unter den Fingern brennt." Die Reise am Strom, von der hier berichtet wird, beginnt idyllisch, eine junge Frau möchte gemeinsam mit ihrem Geliebten dessen Heimat erkunden, doch mit der bieder scheinenden Bevölkerung, vor der die Eltern der jungen Frau gewarnt haben, stimmt etwas nicht: Drohendes und Gefährliches bricht nach und nach unter der freundlichen Fassade hervor und schließlich beginnen die meisten eine sonderbare, gruselige Verwandlung durchzumachen: Sie mutieren stückweise zu kaltblütigen Karpfen - genauso wie dies schon einmal, in einer dunklen und schrecklichen Zeit, geschehen war …

Statements der Autoren
Johannes Maria Staud: "Bei Die Weiden handelt es sich um eine Reise ‚into the heart of darkness' an einem großen Strom in Mitteleuropa heute, den man, wenn man so will, unzweifelhaft als ‚Die Donau' identifizieren kann. Das Geschehen schwankt zwischen einer Reisegeschichte zweier sich entzweiender Liebender und einem surreal verzerrten Beobachten der bedrohlichen Entwicklungen heute. Stichworte: der Wutbürger, die Bürgerwehr, das zunehmende Abschotten von außen und die Verrohung der gesellschaftlichen Mitte - und dies trotz unserer schwer belasteten Geschichte. Das erreichen wir mit pandämonischen Halluzinationen einer der Protagonistinnen wie auch durch das Verwandlungsmotiv Mensch-Karpfen."

Durs Grünbein: "Die Oper ist eine Expedition in das Herz Europas, eines neuerdings wieder zerrissenen Kontinents" und beschreibt: "In sechs Bildern und mehreren Zwischenstücken (‚Passagen' genannt) entfaltet sich das epische Panorama einer Flussreise. Der Strom ist der stille Protagonist, er verbindet die Erzählmotive, in ihm finden Landschaft, Musik und Geschichte zusammen. Entlang des Wasserweges entwickelt sich, über mehrere Stationen hinweg, die Handlung. Die Stationen heißen ‚Der Rastplatz', ‚Das Grillfest am Strom', ‚Die verlassene Waldschänke', ‚Eine Villa auf dem Hügel überm Fluss', ‚Die verschlossene Stadt' und ‚Die Weideninsel'. Dort, in einer Gegend aus Auenwäldern und Inseln mit dichtem Weidenbestand, im Volksmund das Land der Verlassenheit genannt, kommt es zu einem tragischen Ende in einer Hochwasserflut und bei schwerem Sturm. Was genau in diesen letzten dramatischen Stunden mit den vier jungen Menschen geschah, wird nie ganz geklärt werden können."

Das Leading Team
Ingo Metzmacher leitet die Premierenserie musikalisch. An der Wiener Staatsoper debütierte der deutsche Dirigent 2009 mit der Premiere von Lady Macbeth von Mzensk und dirigierte hier weiters die Premieren von Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny und Lulu sowie Vorstellungen von Parsifal, Jen?fa und Elektra.

Inszeniert wird die Uraufführungsproduktion von Andrea Moses. Die aus Dresden stammende Regisseurin, die bisher u. a. an der Staatsoper Stuttgart, in Hannover, Weimar, Bremen, bei der Münchner Biennale, in Dessau und an der Berliner Staatsoper Unter den Linden tätig war, präsentiert mit Die Weiden nun erstmals eine ihrer Arbeiten an der Wiener Staatsoper.

Das Bühnenbild gestaltet Jan Pappelbaum, die Kostüme stammen aus der Feder von Kathrin Plath - beide sind mit Die Weiden erstmals für das Haus am Ring tätig.

Für das Lichtdesign zeichnet Bernd Purkrabek verantwortlich, für Videoprojektionen Arian Andiel, für die Dramaturgie Moritz Lobeck und Thomas Wieck.

Für die Live-Elektronische Realisation arbeitet Komponist Johannes Maria Staud mit Michael Acker am SWR Experimentalstudio zusammen.

Die Besetzung
Als Lea ist die israelische Mezzosopranistin Rachel Frenkel zu erleben. Sie ist Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper, wo sie bisher u. a. als Rosina (Il barbiere di Siviglia), Angelina (La cenerentola), Ruggiero (Alcina), Komponist (Ariadne auf Naxos) und Cherubino (Le nozze di Figaro) zu erleben war. Nach Les Troyens (sie verkörperte den Ascagne) ist Die Weiden nun ihre zweite Staatsopern-Premiere.

Tomasz Konieczny verkörpert den Peter. Der international gefragte polnische Bassbariton ist dem Publikum des Hauses am Ring u. a. durch seine Auftritte als Wotan und Alberich (Der Ring des Nibelungen), Mandryka (Arabella), Jochanaan (Salome), Cardillac sowie zuletzt Caspar (Der Freischütz) bestens bekannt. Die Weiden ist seine siebte Premiere an der Wiener Staatsoper nach Siegfried, Götterdämmerung, Das Rheingold (Alberich), Cardillac (Goldhändler), Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (Dreieinigkeitsmoses) und La fanciulla del West (Jack Rance).

Die Kitty singt Andrea Carroll. Die US-amerikanische Sopranistin ist Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper, wo sie bisher u. a. als Norina (Don Pasquale), Zerlina (Don Giovanni), Nannetta (Falstaff), Adina (L'elisir d'amore) und Susanna (Le nozze di Figaro) sowie in der Titelpartie der Kinderopern-Uraufführung Fatima, oder von den mutigen Kindern Erfolge feierte. Die Weiden ist nach Fatima ihre zweite Premiere am Haus.

Thomas Ebenstein verkörpert den Edgar. Auch er ist Ensemblemitglied des Hauses am Ring und verkörperte hier bereits zahlreiche Partien wie Froh (Das Rheingold), Steuermann (Der fliegende Holländer), Valzacchi (Der Rosenkavalier), Alfred und Dr. Blind (Die Fledermaus). Die Weiden ist die achte Staatsopernpremiere des aus Kärnten stammenden Tenors nach Monostatos (Die Zauberflöte), Caliban (The Tempest), Vítek (V?c Makropulos), Dr. Cajus (Falstaff), Parsifal (3. Knappe), Marquis (Der Spieler) sowie zuletzt Dantons Tod (Robespierre).

Als Fernsehreporterin bzw. Krachmeyer sind die beiden u. a. aus zahlreichen Burgtheater-Produktionen bekannten Schauspieler Sylvie Rohrer und Udo Samel erstmals an der Wiener Staatsoper zu erleben.

In weiteren Partien sind die Staatsopern-Ensemblemitglieder KS Wolfgang Bankl als Demagoge / Oberförster, Monika Bohinec als Leas Mutter, Herbert Lippert als Leas Vater / Angler am Ufer, Donna Ellen als Peters Mutter und Alexandru Moisuc als Peters Vater zu erleben.

Ihre Debüts im Haus am Ring geben Katrina Galka und Jeni Houser als Fritzi bzw. Frantzi sowie die Schauspieler Selina Ströbele als Wasserleiche und Gregor Buchhaus als Kameramann.

Es spielt das Orchester der Wiener Staatsoper und das Bühnenorchester der Wiener Staatsoper, es singt der Chor der Wiener Staatsoper.

Einführungsmatinee zur Uraufführung
Im Gespräch mit den Staatsoperndramaturgen Dr. Andreas Láng und Dr. Oliver Láng geben Mitwirkende der Premiere in der Einführungsmatinee am Sonntag, 2. Dezember 2018 (11.00 Uhr im Großen Haus) Einblicke in die Neuproduktion und stellen das Werk im Detail vor.

Die Weiden im Radio sowie im Livestream
Radio Ö1 (+EBU) überträgt die Premiere am 8. Dezember 2018 ab 19.00 Uhr live. Die Vorstellung am 16. Dezember wird mit Wiener Staatsoper Live at home weltweit live in HD übertragen: http://www.staatsoperlive.com

Inhaltsangabe
Mit einem Kanu sind die Philosophin Lea und der Künstler Peter, ein junges, frischverliebtes Paar, unterwegs auf dem Großen Strom. Es ist ihr erster gemeinsamer Sommer und Peter möchte seiner aus dem Westen stammenden Geliebten auf diese Weise seine Heimat präsentieren. Für Lea ist die Flussexpedition zugleich eine Reise in die Vergangenheit ihrer Familie - schließlich sind ihre Vorfahren einst aus eben dieser Gegend vertrieben worden. Nicht zuletzt darum hatten Leas Eltern, von dunklen Vorahnungen getrieben, vergeblich von diesem Unternehmen abgeraten und an die Karpfenmenschen-Legende erinnert: an die Parabel von den Anwohnern des Großen Stromes, die sich eines Tages in Wesen mit Fischköpfen verwandeln und gegen alles Fremde, Andersstämmige und Nicht-Zugehörige mobilmachen.

Zunächst scheint nichts das Liebesglück der beiden jungen Menschen zu stören und auch die Landschaft rund um den Großen Strom zeigt sich von einer freundlich-pittoresken Seite. Doch nach und nach wird die Umgebung immer unwirtlicher, düsterer, ja geradezu gefährlich und auch Leas und Peters Beziehung erfährt mit Fortgang der Geschehnisse immer größere Risse. So löst sehr bald ein nicht identifizierbarer vorübertreibender Kadaver erste Kälteschauer und Missverständnisse zwischen ihnen aus. Eine noch größere Belastung ihrer Beziehung bringt das Zusammentreffen mit Peters ehemaligem Schulfreund, dem Jungunternehmer und Hochstapler Edgar und dessen Braut Kitty auf deren Hochzeit - die wechselseitige, auch erotische Anziehung der beiden Paare und nicht zuletzt die Tatsache, dass die vier jungen Leute die Flussreise zu Leas Widerstreben gemeinsam mit Edgars weißer Yacht fortsetzen und das Kanu lediglich im Schlepptau mitführen, entfremden Peter und Lea immer mehr: Als es Abend wird und sie an einer verschwiegenen Stelle an Land gehen, kommt es regelrecht zur Verwandlung der Paare. In bester Alkohollaune schwinden die letzten Hemmungen. Während Lea im Wald Halluzinationen zu erleben scheint, kommt es zwischen Peter, Edgar und Kitty zu einer erotischen Annäherung. Zwar kann sich Lea ihren Geliebten zurückholen und mit ihm fluchtartig im Kanu in die Nacht verschwinden, aber der Verrat ist geschehen.

Unerfüllbar zeigt sich die Sehnsucht Leas, "zum Anfang zurückzukehren". Vielmehr hat sie sich, von Peters Eltern zum Abendessen eingeladen, einer tausendjährigen reaktionären Enge, einem Berg von Mehlspeisen, der Waffensammlung von Peters Vater und den zynischen Äußerungen des Komponisten Krachmeyer, einem dämonisch-rückwärtsgewandten Hausfreund der Familie, zu stellen. Mit der Bemerkung "Peter, du tust mir leid" verlässt Lea die fressende Gesellschaft und gerät in die Wahlkampfveranstaltung eines Demagogen, der fremdenfeindliche Parolen absondert. Sie beginnt wieder zu halluzinieren und meint ihre Eltern durch die Menge herannahen zu sehen.

Peter reißt Lea aus ihren Halluzinationen und macht ihr Vorwürfe, seinen Familientisch verlassen zu haben. Die beiden Leute sind sich endgültig fremd geworden - Peter streckt Lea schließlich mit einem Flossenschlag nieder. Wenig später sehen Edgar und Kitty, am sonnenbeschienenen Landesteg sitzend, das Kanu vorbeitreiben: Eskortiert von der stummen Lea, sitzt Peter nackt und gefesselt darin und verflucht seine Heimat und seine Familie. Da bricht ein mächtiges Gewitter los und im wilden unaufhörlich steigenden Wasser und zwischen den sich scheinbar von allen Seiten nähernden Weiden gehen Edgar und Kitty sterbend unter.

Es kommt zur finalen Auseinandersetzung zwischen Lea und Peter. Zu spät möchte Peter die Beziehung retten, aber Leas Entschluss die Reise zu beenden und Peter zu verlassen ist endgültig. Schließlich springt Peter, möglicherweise schon vollständig verkarpft, über Bord. Lea ist im Reich der Weiden alleingeblieben. Die Natur wird zum Sprachrohr der Opfer des großen politischen Gewaltverbrechens an diesem Strom, Lea beschwört die Natur und denkt über Schuld und Geschichte nach …

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.staatsoper.at

 

 

 

 

 

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