Die Gemeinsame Agrarpolitik der
 EU 2021-2027 – ein aktueller Überblick

 

erstellt am
20. 11. 18
13:00 MEZ

Brüssel/Linz (lk) - Im Rahmen einer Pressekonferenz im Landhaus in Linz präsentierte Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger am 19. November gemeinsam mit Direktor Dr. Georg Häusler, Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission, und Präsident ÖR Ing. Franz Reisecker, Landwirtschaftskammer OÖ, einen aktuellen Überblick über die Gemeinsame Agrarpolitik.

Mit der bisherigen Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in Österreich wurden seit dem EU-Beitritt wesentliche Schritte zur Einkommenssicherung, zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, für eine verstärkte Qualitätsorientierung, Ökologisierung und Diversifizierung der heimischen Landwirtschaft gesetzt. Gerade Oberösterreich ist, als Agrarland Nummer Eins, eine zentrale Säule der österreichischen Landwirtschaft. Die Entwicklungen der Branche betreffen deshalb auch im größten Ausmaß die bäuerlichen Familienbetriebe in unserem Bundesland.

Basis der neuen GAP-Reform ist der mehrjährige Finanzrahmen (MFR) von 2021 bis 2027, der bereits am 02. Mai dieses Jahres veröffentlicht wurde. Für die Gemeinsame Agrarpolitik ist eine Kürzung um 10,6 Prozent vorgesehen. Rechnet man den Anteil des Vereinigten Königreichs am Volumen heraus, würde sich diese Reduktion auf 4,1 Prozent verringern. Die Säule Eins würde um 0,5 Prozent und die Säule Zwei um 15,3 Prozent und somit überproportional reduziert werden. In Österreich würden die Direktzahlungen der Säule Eins um 3,97 Prozent und in Säule Zwei sogar um 14,5 Prozent sinken. In Summe ist für Österreich somit eine Kürzung der EU-Mittel für die GAP um rund 110 Millionen Euro für beide Säulen jährlich vorgesehen, was einer Reduktion um etwa 8,7 Prozent entsprechen würde, obwohl derzeit eine Erhöhung der Beiträge der Mitgliedsstaaten vorgesehen ist.

"Nur eine produzierende Landwirtschaft sorgt für die besten Lebensmittel und unseren gewohnt hohen Standard. Der Druck auf die Bäuerinnen und Bauern wird aber immer größer. Unsere bäuerlichen Familienbetriebe stehen den steigenden Ansprüchen der Gesellschaft, der Globalisierung, Wetterextremen und dem Klimawandel gegenüber. Deshalb braucht es mehr Unterstützung und nicht weniger. Diese Stärkung landwirtschaftlicher Familienbetriebe, die das Gegengewicht zur Agrarindustrie darstellen, muss europaweit erfolgen, dazu braucht es eine Umverteilung der Fördermittel", so Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger.

LK-Präsident Franz Reisecker warnt: "Mit den nunmehr von der EU- Kommission vorgeschlagenen Kürzungen im EU-Agrarbudget sowie weit überzogenen bürokratischen Anforderungen drohen vor allem die klein- und mittelbäuerlichen Betriebe sowie Bergbauernbetriebe aus der Produktion gedrängt zu werden."


Direktor Dr. Georg Häusler, Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission
Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 2021 bis 2027: Vereinfachung der Regeln und mehr Spielraum der Mitgliedstaaten bei der Bestimmung ihrer agrarpolitischen Bedürfnisse, so der Vorschlag der Europäischen Kommission.

Für die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik von 2021 bis 2027 schlägt die Europäische Kommission vor, den Mitgliedstaaten bei der Definition der agrarpolitischen Maßnahmen einen erheblich größeren Spielraum zu geben. Dadurch können die Mitgliedstaaten deutlich mehr als heute die Fördermöglichkeiten der GAP auf die konkreten nationalen, regionalen und lokalen Bedingungen zuschneiden. Das ist die zentrale Neuerung für die GAP der Zukunft. Diese neue Ausrichtung nimmt die Mitgliedstaaten allerdings gleichzeitig verstärkt in die Pflicht, die GAP zu einem Erfolg zu machen.

Die GAP-Verordnungen der EU, so der Vorschlag, sollen sich auf die durch die GAP zu erreichenden Ziele, die darauf anzuwendenden Maßnahmen und gewisse EU-Grundanforderungen ("Leitplanken") beschränken. Den näheren Inhalt bestimmen die Mitgliedstaaten selbst und legen ihn in einem GAP-Strategieplan nieder, den die Kommission genehmigen muss. Das ist eine Abkehr vom "alles über einen Kamm scheren"-Prinzip der bisherigen GAP-Verordnungen, die jedes agrarpolitische Detail von Nord bis Süd und von Ost bis West regeln will. Es geht also in Zukunft nicht mehr um die Einhaltung der Detailvorschriften, sondern ob agrarpolitische Ziele tatsächlich erreicht werden.
Durch diese neue Struktur wird sich die GAP deutlich vereinfachen, und diese Vereinfachungen müssen bei den Bauern ankommen.
In Zukunft soll die GAP daran gemessen werden, was sie erreichen muss: bäuerliche Einkommen zu stabilisieren, Märkte zu harmonisieren, zum Umweltschutz beizutragen und Klimaveränderungen abzufedern, den ländlichen Raum moderner und attraktiver zu machen. Ergebnisse müssen zählen.


EU-Budget Kürzungen und überzogene Bürokratie gefährden bäuerliche Landwirtschaft in Oberösterreich

Direktzahlungen als Einkommensausgleich unverzichtbar
Die bisher von der EU gewährten Direktzahlungen sind für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Landwirtschaft absolut unverzichtbar. Diese Zahlungen nun mit einer Vielzahl neuer kostentreibender Auflagen zu versehen ist für die bäuerlichen Familienbetriebe keinesfalls verkraftbar, da diese Zahlungen dann nicht mehr direkt einkommenswirksam wären.

"Wir dürfen nicht übersehen, dass das Golden Plating bereits jetzt unsere Landwirtschaft in eine enorme Konkurrenzsituation drängt. Es gilt Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU zu verhindern, denn bereits jetzt sprechen wir von unterschiedlichen

Produktionsstandards, einer unterschiedlichen Kaufkraft und unterschiedlichen Lohnniveaus in den Mitgliedsstaaten. Diese müssen Beachtung finden. Unser Ziel darf nicht die Konkurrenz mit den internationalen Rohstoffmärkten sein sondern die konsequente Qualitäts- und Marktorientierung und die Stärkung unserer bäuerlichen Familienbetriebe", erklärt Hiegelsberger.

"Die neuen Auflagen stehen zudem in einem diametralen Gegensatz zu dem von der EU-Kommission postulierten Ziel einer verstärkten Unterstützung klein- und mittelbäuerlicher Betriebe. Mit den im Raum stehenden Kürzungen würden genau diese Betriebe aus der Produktion gedrängt", so Reisecker.

LE-Mittelkürzungen im Widerspruch zu neuen GAP-Zielen
Die EU-Mittelkürzungen von über 15 Prozent in der zweiten Säule der GAP würden vor allem das Programm Ländliche Entwicklung als Herzstück der österreichischen Agrarpolitik massiv treffen.

"Das ist insofern unverständlich, als einerseits der Umwelt- und Klimaschutz sowie die Aufrechterhaltung der Bewirtschaftung in benachteiligten Gebieten als besondere Priorität der EU genannt werden und andererseits diese Kürzungen insbesondere das bisher erfolgreich umgesetzte Agrar-Umweltprogramm und die Bio- Bergbauernförderung treffen würden", zeigt sich Präsident Reisecker verwundert.

Landesrat und Präsident betonen: "Als Bauernvertretung fordern wir mit allem Nachdruck eine zumindest stabile Agrarfinanzierung und eine uneingeschränkte Fortsetzung der bewährten Programme in der Ländlichen Entwicklung, die letztendlich für den gesamten ländlichen Raum ein unverzichtbarer Wirtschaftsimpuls sowie zentrale Grundlage für den Erhalt der Lebensqualität in diesen Räumen sind."

Drohende neue Bürokratielasten als Hauptsorge
Die im Rahmen der sogenannten Konditionalität festgelegten Grundanforderungen gehen weit über gesetzliche Standards und die bisher geltenden Grundanforderungen hinaus. Das vorgeschlagene System von Indikatoren zur Erreichung von GAP-Zielen wird sich in der praktischen Umsetzung als bürokratisch äußerst aufwendig und in der Praxis wenig treffgenau erweisen. Kritisiert werden insbesondere das neue Betriebsnachhaltigkeitsinstrument für Nährstoffe, eine inhaltlich neue Fruchtfolgeauflage sowie ein neues Verbot vegetationsloser Perioden auf Böden. Das Management einer Vielfalt unterschiedlicher Indikatoren ist für klein- und mittelbäuerliche Betriebe kaum machbar und droht gerade diese aus der Produktion zu drängen. Zudem wird mit den vorgeschlagenen Verpflichtungen der Spielraum für freiwillige Maßnahmen in Umweltprogrammen inhaltlich massiv eingeschränkt, sodass der bisherige österreichische Erfolgsweg einer flächendeckenden Ökologisierung mittels freiwilliger Maßnahmen im Agrar-Umweltprogramm ÖPUL nachhaltig in Frage gestellt wird.

"Es braucht eine Entbürokratisierung der ersten Säule und diese muss auch auf unseren Höfen ankommen. Oberösterreichs Bäuerinnen und Bauern brauchen stabile und planbare Rahmenbedingungen und keine zentimetergenauen Kontrollen", so der Agrar-Landesrat.

Mehrwert nationaler Strategiepläne noch nicht erkennbar
Die vorliegende Form der Umsetzung nationaler Strategiepläne mit den festgelegten umfassenden inhaltlichen und administrativen Anforderungen lässt für die bäuerlichen Betriebe keinen Mehrwert gegenüber bisher geltenden EU-weiten Regelungen erkennen. Vielmehr dürfte damit die Planungs- und Rechtsunsicherheit gerade zu Periodenbeginn weiter ansteigen. Zudem kann mit dem vorliegenden Vorschlag das Ziel einer allgemeinen

Verwaltungsvereinfachung keinesfalls erreicht werden. Das Problem liegt darin, dass von der EU auch künftig sehr detaillierte inhaltliche Kriterien für die Erstellung der nationalen Strategiepläne vorgegeben werden. Als Beispiel sind die Regelungen zur Dauergrünlandwerdung zu nennen, für die weiterhin sehr detaillierte Vorgaben und die bisherigen Fünf-Jahres-Frist verankert sind. Der in Österreich in vielen Regionen betriebenen Wechselwiesenwirtschaft kann damit nicht entsprochen werden. Diese einschränkende Regelung führt insbesondere in Oberösterreich auf vielen Flächen zum vorzeitigen Umbruch auf Wechselwiesen, was sowohl umwelt- als auch klimapolitisch als äußerst kontraproduktiv einzustufen ist. In wesentlichen inhaltlichen Fragen werden den Mitgliedsstaaten bei der Erstellung der nationalen Strategiepläne keine wirklichen Spielräume eingeräumt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zielführend, dass die detaillierte verwaltungstechnische Umsetzung von Maßnahmen und Interventionen in jedem Mitgliedsstaat neu konzipiert und umgesetzt werden muss. In diesem Bereich müssen daher dringend tatsächlich wirksame inhaltliche Spielräume für die Mitgliedsstaaten eingeräumt werden.

"Neben den rückläufigen Finanzmitteln drohen vor allem die administrativen Anforderungen zunehmend zu einem Hemmschuh für die erfolgreiche wirtschaftliche Weiterentwicklung der Land- und Forstwirtschaft in Österreich zu werden. Der vorliegende Vorschlag für die GAP-Reform bedarf daher noch dringend grundsätzlicher Korrekturen und Anpassungen", appelliert Kammerpräsident Franz Reisecker.

Abschließend sind sich Landesrat Hiegelsberger und Präsident Reisecker einig: "Die gemeinsame Agrarpolitik muss erhalten bleiben. Eine Renationalisierung wäre für Europa, Österreich und Oberösterreich kontraproduktiv. Dennoch kämpfen wir für jeden Cent um unsere heimische Landwirtschaft, den Arbeitsplatz Bauernhof und unseren ländlichen Raum vital und marktfähig zu halten."

 

 

 

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