Brüssel/Linz (lk) - Im Rahmen einer Pressekonferenz im Landhaus in Linz präsentierte Agrar-Landesrat
Max Hiegelsberger am 19. November gemeinsam mit Direktor Dr. Georg Häusler, Generaldirektion Landwirtschaft
und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission, und Präsident ÖR Ing. Franz Reisecker,
Landwirtschaftskammer OÖ, einen aktuellen Überblick über die Gemeinsame Agrarpolitik.
Mit der bisherigen Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in Österreich wurden seit dem EU-Beitritt
wesentliche Schritte zur Einkommenssicherung, zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, für eine verstärkte
Qualitätsorientierung, Ökologisierung und Diversifizierung der heimischen Landwirtschaft gesetzt. Gerade
Oberösterreich ist, als Agrarland Nummer Eins, eine zentrale Säule der österreichischen Landwirtschaft.
Die Entwicklungen der Branche betreffen deshalb auch im größten Ausmaß die bäuerlichen Familienbetriebe
in unserem Bundesland.
Basis der neuen GAP-Reform ist der mehrjährige Finanzrahmen (MFR) von 2021 bis 2027, der bereits am 02. Mai
dieses Jahres veröffentlicht wurde. Für die Gemeinsame Agrarpolitik ist eine Kürzung um 10,6 Prozent
vorgesehen. Rechnet man den Anteil des Vereinigten Königreichs am Volumen heraus, würde sich diese Reduktion
auf 4,1 Prozent verringern. Die Säule Eins würde um 0,5 Prozent und die Säule Zwei um 15,3 Prozent
und somit überproportional reduziert werden. In Österreich würden die Direktzahlungen der Säule
Eins um 3,97 Prozent und in Säule Zwei sogar um 14,5 Prozent sinken. In Summe ist für Österreich
somit eine Kürzung der EU-Mittel für die GAP um rund 110 Millionen Euro für beide Säulen jährlich
vorgesehen, was einer Reduktion um etwa 8,7 Prozent entsprechen würde, obwohl derzeit eine Erhöhung der
Beiträge der Mitgliedsstaaten vorgesehen ist.
"Nur eine produzierende Landwirtschaft sorgt für die besten Lebensmittel und unseren gewohnt hohen Standard.
Der Druck auf die Bäuerinnen und Bauern wird aber immer größer. Unsere bäuerlichen Familienbetriebe
stehen den steigenden Ansprüchen der Gesellschaft, der Globalisierung, Wetterextremen und dem Klimawandel
gegenüber. Deshalb braucht es mehr Unterstützung und nicht weniger. Diese Stärkung landwirtschaftlicher
Familienbetriebe, die das Gegengewicht zur Agrarindustrie darstellen, muss europaweit erfolgen, dazu braucht es
eine Umverteilung der Fördermittel", so Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger.
LK-Präsident Franz Reisecker warnt: "Mit den nunmehr von der EU- Kommission vorgeschlagenen Kürzungen
im EU-Agrarbudget sowie weit überzogenen bürokratischen Anforderungen drohen vor allem die klein- und
mittelbäuerlichen Betriebe sowie Bergbauernbetriebe aus der Produktion gedrängt zu werden."
Direktor Dr. Georg Häusler, Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen
Kommission
Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 2021 bis 2027: Vereinfachung der Regeln und mehr Spielraum der Mitgliedstaaten bei
der Bestimmung ihrer agrarpolitischen Bedürfnisse, so der Vorschlag der Europäischen Kommission.
Für die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik von 2021 bis 2027 schlägt die Europäische Kommission
vor, den Mitgliedstaaten bei der Definition der agrarpolitischen Maßnahmen einen erheblich größeren
Spielraum zu geben. Dadurch können die Mitgliedstaaten deutlich mehr als heute die Fördermöglichkeiten
der GAP auf die konkreten nationalen, regionalen und lokalen Bedingungen zuschneiden. Das ist die zentrale Neuerung
für die GAP der Zukunft. Diese neue Ausrichtung nimmt die Mitgliedstaaten allerdings gleichzeitig verstärkt
in die Pflicht, die GAP zu einem Erfolg zu machen.
Die GAP-Verordnungen der EU, so der Vorschlag, sollen sich auf die durch die GAP zu erreichenden Ziele, die darauf
anzuwendenden Maßnahmen und gewisse EU-Grundanforderungen ("Leitplanken") beschränken. Den
näheren Inhalt bestimmen die Mitgliedstaaten selbst und legen ihn in einem GAP-Strategieplan nieder, den die
Kommission genehmigen muss. Das ist eine Abkehr vom "alles über einen Kamm scheren"-Prinzip der
bisherigen GAP-Verordnungen, die jedes agrarpolitische Detail von Nord bis Süd und von Ost bis West regeln
will. Es geht also in Zukunft nicht mehr um die Einhaltung der Detailvorschriften, sondern ob agrarpolitische Ziele
tatsächlich erreicht werden.
Durch diese neue Struktur wird sich die GAP deutlich vereinfachen, und diese Vereinfachungen müssen bei den
Bauern ankommen.
In Zukunft soll die GAP daran gemessen werden, was sie erreichen muss: bäuerliche Einkommen zu stabilisieren,
Märkte zu harmonisieren, zum Umweltschutz beizutragen und Klimaveränderungen abzufedern, den ländlichen
Raum moderner und attraktiver zu machen. Ergebnisse müssen zählen.
EU-Budget Kürzungen und überzogene Bürokratie gefährden bäuerliche
Landwirtschaft in Oberösterreich
Direktzahlungen als Einkommensausgleich unverzichtbar
Die bisher von der EU gewährten Direktzahlungen sind für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit
der österreichischen Landwirtschaft absolut unverzichtbar. Diese Zahlungen nun mit einer Vielzahl neuer kostentreibender
Auflagen zu versehen ist für die bäuerlichen Familienbetriebe keinesfalls verkraftbar, da diese Zahlungen
dann nicht mehr direkt einkommenswirksam wären.
"Wir dürfen nicht übersehen, dass das Golden Plating bereits jetzt unsere Landwirtschaft in eine
enorme Konkurrenzsituation drängt. Es gilt Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU zu verhindern, denn bereits
jetzt sprechen wir von unterschiedlichen
Produktionsstandards, einer unterschiedlichen Kaufkraft und unterschiedlichen Lohnniveaus in den Mitgliedsstaaten.
Diese müssen Beachtung finden. Unser Ziel darf nicht die Konkurrenz mit den internationalen Rohstoffmärkten
sein sondern die konsequente Qualitäts- und Marktorientierung und die Stärkung unserer bäuerlichen
Familienbetriebe", erklärt Hiegelsberger.
"Die neuen Auflagen stehen zudem in einem diametralen Gegensatz zu dem von der EU-Kommission postulierten
Ziel einer verstärkten Unterstützung klein- und mittelbäuerlicher Betriebe. Mit den im Raum stehenden
Kürzungen würden genau diese Betriebe aus der Produktion gedrängt", so Reisecker.
LE-Mittelkürzungen im Widerspruch zu neuen GAP-Zielen
Die EU-Mittelkürzungen von über 15 Prozent in der zweiten Säule der GAP würden vor allem
das Programm Ländliche Entwicklung als Herzstück der österreichischen Agrarpolitik massiv treffen.
"Das ist insofern unverständlich, als einerseits der Umwelt- und Klimaschutz sowie die Aufrechterhaltung
der Bewirtschaftung in benachteiligten Gebieten als besondere Priorität der EU genannt werden und andererseits
diese Kürzungen insbesondere das bisher erfolgreich umgesetzte Agrar-Umweltprogramm und die Bio- Bergbauernförderung
treffen würden", zeigt sich Präsident Reisecker verwundert.
Landesrat und Präsident betonen: "Als Bauernvertretung fordern wir mit allem Nachdruck eine zumindest
stabile Agrarfinanzierung und eine uneingeschränkte Fortsetzung der bewährten Programme in der Ländlichen
Entwicklung, die letztendlich für den gesamten ländlichen Raum ein unverzichtbarer Wirtschaftsimpuls
sowie zentrale Grundlage für den Erhalt der Lebensqualität in diesen Räumen sind."
Drohende neue Bürokratielasten als Hauptsorge
Die im Rahmen der sogenannten Konditionalität festgelegten Grundanforderungen gehen weit über gesetzliche
Standards und die bisher geltenden Grundanforderungen hinaus. Das vorgeschlagene System von Indikatoren zur Erreichung
von GAP-Zielen wird sich in der praktischen Umsetzung als bürokratisch äußerst aufwendig und in
der Praxis wenig treffgenau erweisen. Kritisiert werden insbesondere das neue Betriebsnachhaltigkeitsinstrument
für Nährstoffe, eine inhaltlich neue Fruchtfolgeauflage sowie ein neues Verbot vegetationsloser Perioden
auf Böden. Das Management einer Vielfalt unterschiedlicher Indikatoren ist für klein- und mittelbäuerliche
Betriebe kaum machbar und droht gerade diese aus der Produktion zu drängen. Zudem wird mit den vorgeschlagenen
Verpflichtungen der Spielraum für freiwillige Maßnahmen in Umweltprogrammen inhaltlich massiv eingeschränkt,
sodass der bisherige österreichische Erfolgsweg einer flächendeckenden Ökologisierung mittels freiwilliger
Maßnahmen im Agrar-Umweltprogramm ÖPUL nachhaltig in Frage gestellt wird.
"Es braucht eine Entbürokratisierung der ersten Säule und diese muss auch auf unseren Höfen
ankommen. Oberösterreichs Bäuerinnen und Bauern brauchen stabile und planbare Rahmenbedingungen und keine
zentimetergenauen Kontrollen", so der Agrar-Landesrat.
Mehrwert nationaler Strategiepläne noch nicht erkennbar
Die vorliegende Form der Umsetzung nationaler Strategiepläne mit den festgelegten umfassenden inhaltlichen
und administrativen Anforderungen lässt für die bäuerlichen Betriebe keinen Mehrwert gegenüber
bisher geltenden EU-weiten Regelungen erkennen. Vielmehr dürfte damit die Planungs- und Rechtsunsicherheit
gerade zu Periodenbeginn weiter ansteigen. Zudem kann mit dem vorliegenden Vorschlag das Ziel einer allgemeinen
Verwaltungsvereinfachung keinesfalls erreicht werden. Das Problem liegt darin, dass von der EU auch künftig
sehr detaillierte inhaltliche Kriterien für die Erstellung der nationalen Strategiepläne vorgegeben werden.
Als Beispiel sind die Regelungen zur Dauergrünlandwerdung zu nennen, für die weiterhin sehr detaillierte
Vorgaben und die bisherigen Fünf-Jahres-Frist verankert sind. Der in Österreich in vielen Regionen betriebenen
Wechselwiesenwirtschaft kann damit nicht entsprochen werden. Diese einschränkende Regelung führt insbesondere
in Oberösterreich auf vielen Flächen zum vorzeitigen Umbruch auf Wechselwiesen, was sowohl umwelt- als
auch klimapolitisch als äußerst kontraproduktiv einzustufen ist. In wesentlichen inhaltlichen Fragen
werden den Mitgliedsstaaten bei der Erstellung der nationalen Strategiepläne keine wirklichen Spielräume
eingeräumt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zielführend, dass die detaillierte verwaltungstechnische
Umsetzung von Maßnahmen und Interventionen in jedem Mitgliedsstaat neu konzipiert und umgesetzt werden muss.
In diesem Bereich müssen daher dringend tatsächlich wirksame inhaltliche Spielräume für die
Mitgliedsstaaten eingeräumt werden.
"Neben den rückläufigen Finanzmitteln drohen vor allem die administrativen Anforderungen zunehmend
zu einem Hemmschuh für die erfolgreiche wirtschaftliche Weiterentwicklung der Land- und Forstwirtschaft in
Österreich zu werden. Der vorliegende Vorschlag für die GAP-Reform bedarf daher noch dringend grundsätzlicher
Korrekturen und Anpassungen", appelliert Kammerpräsident Franz Reisecker.
Abschließend sind sich Landesrat Hiegelsberger und Präsident Reisecker einig: "Die gemeinsame Agrarpolitik
muss erhalten bleiben. Eine Renationalisierung wäre für Europa, Österreich und Oberösterreich
kontraproduktiv. Dennoch kämpfen wir für jeden Cent um unsere heimische Landwirtschaft, den Arbeitsplatz
Bauernhof und unseren ländlichen Raum vital und marktfähig zu halten."
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