COSAC-Konferenz der Europaausschüsse tagt in Wien

 

erstellt am
20. 11. 18
13:00 MEZ

Europäische ParlamentarierInnen warnen vor hartem Brexit – EU will Antworten auf den Klimawandel geben
Brüssel/Wien (pk) - Wie geht es nun nach der Einigung zwischen der Europäischen Union und Großbritannien und den dadurch ausgelösten innenpolitischen Turbulenzen in London mit dem Brexit weiter? Mit dieser Frage beschäftigte sich die COSAC-Konferenz der Europaausschüsse am 19. November, die im Rahmen der parlamentarischen Dimension der österreichischen Ratspräsidentschaft im Austria Center Vienna tagt.

Danuta Hübner, die Vorsitzende des Ausschusses für konstitutionelle Fragen im Europäischen Parlament, warb für das Abkommen, das ihrer Meinung nach Rechtssicherheit für alle gewährleistet, während der Abgeordnete des britischen Unterhauses Sir William Cash schwere demokratiepolitische Bedenken gegen die Einigung anmeldete und meinte, das Vereinigte Königreich habe gute Gründe, die EU zu verlassen. Sein Kollege vom House of Lords, Timothy Boswell of Aynho, warnte hingegen, ein No-Deal wäre das schlimmste Ergebnis für alle Beteiligten. Unter den Abgeordneten überwog in der Debatte das Bedauern über den Austritt Großbritanniens, aber auch der Wunsch nach weiterhin möglichst freundschaftlichen und engen Beziehungen über den Ärmelkanal hinweg.

Hübner: Abkommen ist beste Option für alle
Sie bedaure die Entscheidung Großbritanniens, die Europäische Union zu verlassen, schickte Danuta Hübner voraus und meinte, ein Austritt, der auf einem Abkommen basiert, wäre nun für alle die beste Option. Bei der Einigung vorige Woche seien jedenfalls entscheidende Fortschritte erzielt worden, gelte es doch vor allem, die Störungen für BürgerInnen und Unternehmen zu minimieren und darüber hinaus sicherzustellen, dass es keine harte Grenze zwischen dem Vereinigten Königreich und Irland geben wird.

Die Europäische Union und Großbritannien sollen gute Nachbarn bleiben und möglichst enge Beziehungen aufrechterhalten, damit die zahlreichen gemeinsamen Interessen auch weiterhin gefördert werden können, unterstrich Hübner den Hintergrund der Vereinbarung, die ihrer Überzeugung nach Rechtssicherheit für alle garantiert und damit Basis für eine neue Beziehung zwischen den beiden ehemaligen Partnern in der Zukunft bilden könnte. Klar ist für die Vorsitzende des Ausschusses für konstitutionelle Fragen im Europäischen Parlament allerdings, dass das letzte Wort beim britischen Parlament liegt. Deshalb brauche es auch Notfallmaßnahmen mit dem Ziel, die Folgen eines No-Deals abzumildern, gab sie zu bedenken.

Cash: Einigung für Großbritannien nicht akzeptabel
Das Vereinigte Königreich habe gute Gründe gehabt, die Europäische Union zu verlassen, bekräftigte Sir William Cash und übte heftige Kritik an der Einigung zwischen Brüssel und London. Die Parteien hätten klargemacht, dass dieses Abkommen nie durch das Unterhaus gehen werde, die Zahlen würden nicht für die Regierung reichen. Für Cash zeigen allein schon die vielen Rücktritte aus Mays Kabinett, dass zentrale Punkte der Einigung, wie etwa die Regelung über die Grenze mit Irland oder auch die Übergangsbestimmungen, keine Unterstützung finden.

Als völlig undenkbar für sein Land bezeichnete es der Vertreter des Unterhauses, dass dem britischen Parlament durch die Vereinbarung nun Gesetze von außen aufgezwungen werden. Dies stehe im klaren Widerspruch zu einem entsprechenden Gesetz aus dem Jahr 1972 und verstoße darüber hinaus gegen sämtliche demokratische Grundvorstellungen Großbritanniens, argumentierte Cash, der überdies davon ausgeht, dass es kein zweites Referendum geben werde. Was die zukünftigen Beziehungen zur EU betrifft, meinte er, die beiden ehemaligen Partner werden zwar nicht Geschwister, aber jedenfalls Cousins in Europa bleiben. Das Vereinigte Königreich habe in Europa über die Jahrhunderte hinweg immer für Freiheit und Demokratie gekämpft und werde dies auch weiter tun, fügte er an die Adresse der KollegInnen aus den europäischen Parlamenten an.

Lord Boswell warnt vor No-Deal
Als engagierter Pro-Europäer ersuche er um Verständnis für sein Land, wandte sich Lord Timothy Boswell in seinem Statement an die Abgeordneten. Das Referendum sei der Gipfel einer 40 Jahre dauernden Diskussion gewesen, es verschärfe nun die Spaltungen im Vereinigten Königreich und führe zu einer gefährlichen Destabilisierung, lautete sein Befund. Auch Boswell wandte sich gegen ein zweites Referendum, durch das die Emotionen nur noch weiter hochkochen würden, meinte aber, ohne ein Umdenken könne man einen derart drastischen Schritt wie den Austritt nicht mittragen. Er appellierte an die Geduld Europas, zumal die Entwicklung nur schwer vorauszusehen sei und das Trauma jedenfalls weitergehen werde. Keine Seite in der Debatte sollte aber die Brücken abreißen, steht für ihn fest. Ein No-Deal wäre für alle Beteiligten das schlimmste Ergebnis – nicht nur für Großbritannien, sondern auch für Irland und die BürgerInnen der Europäischen Union.

Was immer die Zukunft nun bereithalte, wir müssen die engen Beziehungen zueinander weiter pflegen, mahnte Lord Boswell. Er sprach von einem gemeinsamen Erbe und gemeinsamen demokratischen Werten und erinnerte, dass hinter der Fassade der Brexit-Diskussion die konkreten Interessen der BürgerInnen liegen.

Abgeordnete gegen Abbruch der Brücken zu Großbritannien
In der anschließenden Diskussion der Abgeordneten herrschte vor allem Bedauern über die Brexit-Entscheidung vor, wobei ein Teilnehmer aus Deutschland feststellte, der beste Brexit wäre kein Brexit. Aus Zypern und aus Tschechien kam der Wunsch, das Vereinigte Königreich sollte trotz des Austritts möglichst enge Beziehungen mit der EU aufrecht erhalten. Die Briten werden auch weiterhin BürgerInnen Europas bleiben, meinte etwa ein italienischer Abgeordneter. Ein Schweizer Mandatar, der als Beobachter an der Konferenz teilnahm, erinnerte, sein Land habe gezeigt, dass eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit der EU auch ohne Mitgliedschaft möglich sei. Ein Parlamentarier aus Estland betonte, die Brücken dürften nun nicht abgerissen werden, was auch sein Kollege aus Finnland mit der Hoffnung bekräftigte, dass man auch nach dem Brexit Freunde bleiben werde. Aus Bulgarien, Polen und Portugal kam vor allem das Anliegen, die in Großbritannien lebenden EU-BürgerInnen vor den Auswirkungen des Brexits zu schützen. Ein Vertreter aus Irland wies auf die Bedeutung einer offenen Grenze seines Landes zu Nordirland hin und appellierte an das britische Parlament, das Abkommen zu unterstützen. Solidarität für Irland kam auch aus Frankreich und Deutschland.

 

 

EU braucht mehr gemeinsame Lösungen
Österreich unterstütze konsequent die Bemühungen des EU-Brexit-Chefverhandlers Michel Barnier, betonte Staatssekretärin im Innenministerium Karoline Edtstadler. Als Ziele umriss sie die Vermeidung eines ungeordneten, "harten Brexits" und die Wahrung der Einheit der verbleibenden 27 EU-Mitgliedstaaten. Der Brexit dominiere derzeit zwar die Aufgabenliste der österreichischen EU-Präsidentschaft, allerdings werden die anderen Themen des Vorsitzes unter dem Motto "Ein Europa, das schützt" nicht vernachlässigt: der Kampf gegen illegale Migration, die Fortschreibung des digitalen Binnenmarkts, die Stärkung der Nachbarn am West-Balkan, der mehrjährige Finanzrahmen nach 2020 und das Thema Subsidiarität.

Kampf gegen illegale Migration
Im Kampf gegen die illegale Migration verwies Edtstadler auf den informellen Gipfel in Salzburg und den Europäischen Rat im Oktober nach der Trendwende des Europäischen Rates im Juni 2018. Jetzt stünden ein effektiver Schutz der Außengrenzen, die interne und die externe Dimension im Mittelpunkt der Bestrebungen für eine funktionierende Migrationspolitik. In der internen Dimension gehe es um neue Ansätze für die Dublin-Verordnung. "Der österreichische Vorsitz arbeitet seit Juli intensiv an solchen Ansätzen", versicherte die Staatssekretärin. Auf bilaterale Treffen im Sommer folge nun eine "Tour des Capitales", Expertentreffen auf hoher Ebene. Einigkeit bestehe im Rat, "dass es einen effektiven Schutz der gemeinsamen "EU-Außengrenze geben muss", betonte Edtstadler. In Bezug auf den Vorschlag der Europäischen Kommission, die europäische Grenz- und Küstenwache zu stärken, hofft die Staatssekretärin zumindest auf eine Teileinigung bis Jahresende.

In Bezug auf externe Aspekte berichtete Edtstadler über Kontakte mit Ägypten und anderen nordafrikanischen Staaten. Damit solle eine "breiter angelegte Partnerschaft" angestrebt werden. Die Staatssekretärin wies auf das geplante hochrangige "Forum Afrika-Europa" am 18. Dezember 2018 in Wien hin. Auch in puncto Digitalisierung werde in dieser Dimension in nächster Zeit einiges weitergehen, etwa im Bereich der Cybersicherheit, der Interoperabilität zwischen EU-Datenbanken oder im Bereich justizielle Zusammenarbeit das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS).

Digitaler Binnenmarkt
Was den digitalen Binnenmarkt betrifft, würden derzeit Reformen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit angestrebt. "In den letzten Wochen sind hier einige zentrale Vorschläge erfolgreich formell abgeschlossen worden", sagte Edtstadler. Sie verwies auf die Regelung zum freien Verkehr von nicht personenbezogenen Daten und die Richtlinie zur Bereitstellung audivisueller Mediendienste. Eine Annäherung der Positionen in der Frage einer digitalen Steuer habe es beim informellen Treffen der Finanzminister im September in Wien gegeben. Bis Jahresende sollten "greifbare Ergebnisse" vorliegen. Einen "Durchbruch" vermeldete Edtstadler bei mehreren Mehrwertsteuerdossiers.

Gemeinsame Position für Weltklimagipfel
Im Umwelt-Rat einigte man sich auf eine gemeinsame Position zu CO2-Emissionen neuer Pkws und leichter Nutzfahrzeuge. Eine ebenso gemeinsame EU-Position wurde für den kommenden Weltklimagipfel erzielt, der Anfang Dezember in Kattowitz in Polen stattfinden wird. Einen Erfolg berichtete Edtstadler auch im Bereich des Arbeitnehmerschutzes, nämlich die Ausverhandlung zur Karzinogenen II Richtlinie, womit das Verbot von krebserregenden Stoffen am Arbeitsplatz ausgedehnt wird.

Stabilisation am West-Balkan durch Integration
Die Staatssekretärin betonte die Wichtigkeit der politischen Stabilität und eine positive wirtschaftliche Entwicklung der Staaten des Westbalkans bzw. Südosteuropas. Österreich betreibe hier die Verhandlungen intensiv. "Wir hoffen, dass unter österreichischem Vorsitz weitere Verhandlungskapitel mit Serbien und Montenegro eröffnet bzw. geschlossen werden können", berichtete Edtstadler. Sie betonte auch die Fortschritte in der "Namensfrage" zwischen Skopje und Athen. Bundekanzler Sebastian Kurz, Edtstadler selbst und EU-Minister Gernot Blümel seien vor allem in letzter Zeit in intensive Gesprächen mit Serbien und dem Kosovo eingetreten.

Mehrjähriger Finanzrahmen
Was den mehrjährigen Finanzrahmen für die Zeit nach 2020 anbelangt, finden seit Juli wöchentlich Sitzungen auf Ebene der Ratsarbeitsgruppen statt. Auch sonst sei das Thema auf der Agenda sämtlicher Gremien. Edtstadler betonte, es sei wichtig, konkrete Ziele für die nächsten sieben Jahre zu definieren und keine Zeit dabei zu verlieren. Realistisch sei es allerdings nicht, dass es dabei noch während des Ratsvorsitzes Österreichs zu einem Abschluss kommen werde. "Uns geht es darum, für das nächste Vorsitzland Rumänien den Boden so gut wie möglich aufzubereiten", erläuterte die Staatssekretärin.

Subsidiarität als Bauprinzip der EU
Auch das Thema Subsidiarität bezeichnete Karoline Edtstadler als eines der Hauptanliegen. "Wir wollen eine EU, die stark ist bei den großen Herausforderungen, die sich aber in Fragen zurücknimmt, in denen die Mitgliedstaaten oder Regionen selber besser entscheiden können." Bei der Konferenz "Subsidiarität als Bauprinzip der Europäischen Union" vergangene Woche in Bregenz sei diskutiert worden, wie die Rolle der nationalen Parlamente in der Praxis effizienter ausgestaltet werden könnte, wie die regionale und lokale Ebene in die Entwicklungsprozesse besser eingebunden werden können, und wie mehr Transparenz der Legislative erreicht werden kann.

Pros und Contras zur Ablehnung Österreichs des UN-Migrationspakts
Ein Vertreter Rumäniens kündigte an, sein Land werde die Themengebiete aus dem österreichischen Vorsitz weiter vorantreiben. Die Mehrzahl der Wortmeldungen der Delegierten konzentrierte sich jedoch um das Thema Migration. Dabei gab es auch Pros und Contras zur Haltung Österreichs dem UN-Migrationspakt gegenüber. Auf die kritischen Anmerkungen antwortete Staatssekretärin Karoline Edtstadler, die Ablehnung des Paktes sei eine souveräne Entscheidung Österreichs gewesen und habe nichts mit dem Ratsvorsitz zu tun.

Italien und Griechenland unterstützen
In der Diskussion um die Migration allgemein herrschte ebenfalls eine rege Diskussion. Einigkeit herrschte nur darin, dass kein Staat allein die Migrationslage bewältigen kann – auch darin, dass selbst die EU Partner in den Herkunftsländern brauche. Italien und Griechenland betonten, die EU dürfe sie nicht alleine lassen bei der Bearbeitung der Flüchtlinge. Ein Abgeordneter aus Italien führte ins Treffen, dass die Länder entlang der Balkanroute erfolgreich unterstützt würden – "bei der Mittelmeerroute sind wir über Worte noch nicht hinausgekommen". Er forderte mehr Ressourcen, eine verstärkte Grenz- und Küstenwache, Hotspots für die Erstaufnahme sowie Unterstützung für Rückkehrer. In Richtung der Visegrad-Staaten erinnerte er daran, dass mit der EU-Mitgliedschaft nicht nur Rechte verbunden seien, sondern auch "Pflichten und Verantwortung". Staatssekretärin Karoline Edtstadler betonte in ihrem abschließenden Statement, Österreich arbeite auf eine Konsens-Lösung hin. Sie setzte große Hoffnung in die angekündigte "Tour des Capitales".

Mehrere Länder forderten eine Dublin-Reform ein sowie eine Verteilung der Flüchtlinge. Slowenien verlangte die Rückkehr zu den Schengen-Regeln und stellte insbesondere die Grenzkontrollen zwischen Österreich und Slowenien in Frage. Ein schwedischer Mandatar betonte, dass Deutschland, Österreich und Schweden die gesamte Last der Flüchtlinge nicht überlassen werden dürfe. Die EU-Mitgliedstaaten müssten gemeinsam "Schulter an Schulter" die Situation bewältigen. Nach dem österreichischen EU-Abgeordneten Othmar Karas befindet sich die EU in einem Dilemma: "Wir täten uns leichter, wenn unsere Grundprinzipien außer Streit stünden, etwa die Einhaltung der Charta der Grundrechte, die ökosoziale Marktwirtschaft oder das Diskriminierungsverbot. Aber wir verletzen diese Prinzipien nur allzu oft."

Fortschritte in West-Balkan-Ländern
Zu der von der österreichischen Ratspräsidentschaft auf die Prioritätenliste gesetzten Integration der West-Balkan-Länder gab es Wortmeldungen großteils von den betroffenen Ländern selbst. Albanien, Serbien, Montenegro und Mazedonien betonten, in ihren Ländern schreite der Werteprozess zügig voran. Sie lobten die Initiativen Österreichs in diesem Bereich. Ein serbischer Mandatar beispielsweise hob hervor, dass sowohl Bundespräsident Alexander Van der Bellen, als auch Bundeskanzler Sebastian Kurz sowie Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka sein Land besucht haben.

Eine albanische Abgeordnete wies auf die "radikalste Justizreform der Region" in ihrem Land hin. Ein anderer Vertreter Albaniens betonte, man habe viel getan im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und vor allem ihre Verflechtung mit der Politik. Auch in Montenegro würde die Umsetzung der demokratischen Werte, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte Fortschritte machen. Die Integration der West-Balkan-Länder sei wichtig für die Stabilität der Region und auch für das globale Bild der EU. Ein polnischer Abgeordneter warnte vor Versäumnissen in Südosteuropa. "Das könnte eine Destabilisierung zur Folge haben oder könnte für die Kohäsion der EU gefährlich werden."

Subsidiarität ein wichtiger Schlüssel
Seitens einiger Abgeordneter wurde auch die Schärfung des Subsidiaritätsprinzips thematisiert. Ein Vertreter Großbritanniens führte die mangelnde Klarheit dieser Grundvoraussetzung der EU als Grund für das negative Votum Englands 2016 an. Ein spanischer Mandatar warnte: "Es gibt keinen größeren Feind für die Wirtschaft als die Rückkehr zum Nationalismus." Ein italienischer Delegierter erklärte, die Ergebnisse in Bezug auf die Subsidiarität seien derzeit noch unzureichend. "Wir brauchen eine praktikable Lösung bei der Verteilung der Verantwortlichkeiten."

Digitalisierung zukunftsweisend
Auch die Digitalisierung wurde als wichtiges Thema erkannt. Ein Mandatar aus Slowenien betonte die Bedeutung der Digitalisierung im Gesundheitswesen und in der Forschung – etwa der Erforschung des menschlichen Genoms. Man müsse an der Interoperabilität der Systeme arbeiten und auch am Datenschutz. Ein französischer Abgeordneter führte ins Treffen, Europa fehle es an Hochleistungsrechnern wie es sie beispielsweise in den USA gebe. Für eine britische Vertreterin ist die Digitalisierung wettbewerbskritisch. Sie verwies auf Konkurrenz insbesondere aus Asien, was die Gebiete Datenmanagement und künstliche Intelligenz betreffe.

Polarisiert hat bei der Konferenz auch die Möglichkeit der Schaffung einer Digitalsteuer. Eine schwedische Abgeordnete sprach sich gegen eine solche aus. Sie berge mehr Risiken mit sich als sie brächte und sie könnte Innovation in kleineren Mitgliedsländern bremsen. Staatssekretärin Edtstadler betonte, es müsse eine gerechte Besteuerung von digitalen und traditionellen Unternehmen geben.

 

 

Klimapolitik und Energieunion
Die europäische Klimaschutzpolitik und das eng damit verbundene Ziel der Umsetzung einer Energieunion standen im Mittelpunkt des LX. COSAC-Treffens. Die Einleitungsstatements zur Diskussion über die Herausforderungen, vor welche der Klimawandel die Energie- und Wirtschaftspolitik der Union stellt, kamen von Maroš Šefcovic, dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission für die Energieunion, und von Monika Langthaler als Vertreterin der NGO "R20 - Regions of Climate Action".

Šefcovic: Europa muss Innovationen im Energiebereich stärken, um Klimaziele zu erreichen
Das Projekt der Energieunion sei auf einem guten Weg und werde rasch zur Realität, unterstrich EU-Kommissionsmitglied Maroš Šefcovic. Große Fortschritte habe man auch auf dem Weg zur Dekarbonisierung des Energiesystems gemacht. Zu den Zielen der Energieunion gehören laut Šefcovic neben der Erhöhung der Energiesicherheit auch die Steigerung der Energieeffizienz und der Klimaschutz. Derzeit werde daran gearbeitet, die Ziele des Pariser Klimaabkommens in nationale Strategien umzusetzen. Die Mitgliedstaaten zeigten sich dabei sehr ambitioniert, es sei zu erwarten, dass die Ziele der CO2-Reduktion bis 2030 um bis wesentlich übertroffen werden können, zeigte sich Šefcovic optimistisch. Die Wissenschaft lasse jedoch keinen Zweifel daran, dass die Anstrengungen zur Eindämmung der Erderwärmung noch weiter verstärkt werden müssen. Das Ziel müsse daher ein dekarbonisiertes Europa in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts sein. Das werde nicht ohne eine beträchtliche Steigerung der Energieeffizienz möglich sein.

Die EU müsse daher Innovation und Entwicklung in vielen Bereichen vorantreiben, stellte er fest. Als Beispiel nannte Šefcovic die steigende Nachfrage nach leistungsstarken Batterien. Hier gebe es einen stark wachsenden Markt, für den Europa eigene Produkte anbieten müsse. Auch die zu erwartende Nachfrage nach Elektroautos müsse Europa bedienen können, wenn es im Wettbewerb mithalten wolle. Das bedeute, technologische Lösungen in alle Richtungen voranzutreiben und in sie zu investieren. Bei der Umstellung auf erneuerbare Energien warnte Šefcovic davor, jene Regionen zu vergessen, die von traditionellen Energieträgern geprägt sind, insbesondere die europäischen Kohlereviere. Für sie gelte es, neue Wirtschaftsmodelle zu entwickeln, Investitionen zu sichern und sie nicht zurückzulassen. Industriepolitik werde ein entscheidender Faktor sein, um das 21. Jahrhundert so europäisch wie möglich zu machen, sagte Šefcovic. Er sehe aber gute Voraussetzungen dafür, dass sich Europa im internationalen Wettbewerb gegen die großen Player USA und China behaupten wird können.

Langthaler: Es gilt, die Zukunft zu gewinnen
Langthaler ist Direktorin des R20 Austrian World Summit, der jährlich von der NGO "R20 - Regions of Climate Actions" organisiert wird. Langthaler begann ihre Präsentation mit den drei Herausforderungen, die sich für die Energieversorgung in den nächsten Jahren stellen: Klimawandel, Zugang zu Elektrizität und Luftverschmutzung in den Städten, welche zu einem der größten Killer der Menschheit geworden sei. Neben zunehmender Instabilität der Energiemärkte zeigten sich aber auch positive Entwicklungen, so hätten mehr Menschen Zugang zu Elektrizität denn je zuvor. Bis 2040 werde der Energieverbrauch allerdings weiter steigen und es bestehe großer Bedarf in Investitionen im Energiebereich. Hier spielen die Gesetzgeber eine wichtige Rolle, da die öffentliche Hand derzeit einen Großteil der Investitionen für die Energieproduktion bereitstellt, so Langthaler.

Langthaler warb für die von Arnold Schwarzenegger 2011 gegründete NGO R20, die den Austausch von Best Practice Beispielen bei Klimaschutzprojekten fördern will. Ihr österreichisches Büro organisiere daher jährlich den R20 Austrian World Summit. Ziel dieses Gipfels sei es, offensiv den Umbau des Energiesystems in Richtung Nachhaltigkeit zu bewerben und dabei vor allem die Städte und Regionen einzubinden. Auf der subnationalen Ebene sehe man auch bereits erste Erfolge im Bereich der erneuerbaren Energie. Wichtig sei es, "Smart Money" mit den entsprechenden "Smart Projects" zusammenzubringen und das öffentliche Bewusstsein für die Herausforderungen des Klimawandels zu schaffen. Der Klimawandel sei eine unabweisbare Tatsache, und es gelte, jetzt die entscheidenden Maßnahmen zu setzen, um die Zukunft zu gewinnen.

Abgeordnete: Europa muss strategische Entscheidungen zum Umbau des Energiesystems treffen
In den Debattenbeiträgen der Abgeordneten stand außer Streit, dass die Europäische Union große Anstrengungen unternehmen müsse, um dem Klimawandel zu begegnen. Die Herausforderungen seien gewaltig, daher sei es erforderlich, sich ambitionierte Ziele zu setzen. Die BürgerInnen erwarten sich Antworten, wurde mehrfach betont. Die EU müsse und könne eine führende Rolle im Kampf gegen die Erderwärmung spielen. Auch wenn sie selbst nur für einen kleinen Teil der weltweiten Emissionen verantwortlich sei, könne die EU eine wichtige politische wie wirtschaftliche Rolle im Übergang zu einem nachhaltigen Energiesystem spielen, so der Tenor.

Dabei stellt sich für die Abgeordneten die Frage, inwieweit die EU und ihre einzelnen Mitgliedstaaten dafür gerüstet sind. Das nächste Jahrzehnt werde entscheiden, welche Antwort auf den Klimawandel gegeben werden kann, denn dieser sei nicht nur eine Frage der Umwelt, sondern auch der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und der Sicherheit. Die Frage sei daher, welche technologischen Lösungen für den Umbau des Energiesystems forciert werden sollen. Wichtig sei neben der Entwicklung alternativer Energieträger auch die Stärkung der Energieeffizienz. Für die Abgeordneten stellt sich neben den technischen Fragen in Bezug auf erneuerbare Energien und Energienetzwerken auch die Frage der leistbaren Energieversorgung. Hier brauche man transnationale Lösungen, hieß es. Gerade aus den südeuropäischen Mitgliedstaaten kam der Ruf nach stärkerer Unterstützung von Seiten der Europäischen Kommission.

Šefcovic: Europa hat Antworten anzubieten, muss aber strategisch investieren
EU-Kommissar Maroš Šefcovic verwies in seiner Antwort auf die Debattenbeiträge auf die Roadmap, welche die EU 2020 vorlegen will, um darzustellen, wie die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden können. Er sieht positive Entwicklungen. Europa habe viele Antworten anzubieten, doch gelte es, mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren. Europa könne mit Erfindungen und Innovationen aufwarten, die Herausforderung sei aber, dieses Wissen in praktische und wirtschaftlich erfolgreiche Anwendungen umzusetzen. Europa müsse innovative Finanzierungsmodelle und die Risikofinanzierung stärken. Hier gelte es, die Rahmenbedingungen zu stärken. Alle technologischen Möglichkeiten für nachhaltige Energieerzeugung werden verfolgt.

Zu Luftfahrt und Schifffahrt, die in der Diskussion angesprochen wurden, hielt Šefcovic fest, auch diese Bereiche würden nicht außer Acht gelassen. So sei man bereits übereingekommen, dass die Emissionen der Luftfahrt nach 2020 nicht mehr steigen sollen. Das stelle jedoch vor große technische Herausforderungen. Viele wichtige Entscheidungen müssten im Finanzbereich fallen. Koordination und langfristige Perspektiven seien notwendig, um den Ausbau der Energieerzeugung auch wirtschaftlich nachhaltig zu gestalten und keine Fehlinvestitionen zu tätigen.

Langthaler: Holistischer Ansatz der Politik ist notwendig
Monika Langthaler sieht die EU seit der Klimakonferenz 1992 in Rio de Janeiro in einer führenden Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Diese leitende Rolle müsse Europa weiter wahrnehmen und einen holistischen politischen Ansatz verfolgen. Das Thema Klimawandel betreffe schließlich nicht nur die Energiepolitik, sondern sei ein wichtiger Aspekt in anderen Politikfeldern, wie Gesundheit, Landwirtschaft oder Außenpolitik. Langthaler appellierte insbesondere auch an die Finanzpolitik, dem Thema Investitionen in den Klimaschutz besonderes Augenmerk zu schenken. Technische Innovationen seien der Schlüssel für den technischen Wandel. Dieser brauche zweifellos Zeit und betreffe die Mitgliedstaaten unterschiedlich. Es sei auch notwendig, auch den sozialen Aspekt im Auge zu behalten. Das Wichtigste sei jedoch, die Diskussion über den notwendigen Wandel aus ihrer elitären Kommunikationsblase herauszuholen und zu den Menschen zu bringen. Die Abgeordneten der europäischen Parlamente könnten hier eine wichtige Rolle spielen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at
http://www.eu2018parl.at

 

 

 

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