Für das Kunsthistorische Museum Wien entwickelte ein Team der TU Wien ein computergesteuertes
Kamera-Positioniersystem zum hochauflösenden Digitalisieren von Bildern.
Wien (tu) - Man könnte meinen, es sei ganz einfach: In vielen großen Museen drängen sich
Touristen mit Kameras und Smartphones vor den berühmtesten Werken und versuchen, die Bilder abzufotografieren.
Wenn man allerdings ernsthaft eine hochqualitative Digitalisierung eines Kunstwerks erstellen möchte, muss
man ganz anders an die Sache herangehen: Die TU Wien entwickelte nun ein computergesteuertes Kamera-Positioniersystem,
das Gemälde automatisch abrastert und eine Serie von Bildern aufnimmt, die dann zu einer hochauflösenden
digitalen Reproduktion zusammengesetzt werden können. In Auftrag gegeben wurde das Positioniersystem vom Kunsthistorischen
Museum Wien, wo es zur Vorbereitung der aktuellen großen Pieter-Bruegel-Ausstellung eingesetzt wurde.
Von Röntgen bis Infrarot
„Aus bis zu 200 Teilbildern werden hochwertige digitale Reproduktionen zusammengesetzt, um möglichst viele
Details abbilden zu können“, sagt Prof. Georg Kartnig vom Institut für Konstruktionswissenschaften und
Technische Logistik der TU Wien. Die Anforderungen an die Genauigkeit beim Fotografieren sind sehr hoch, daher
ist es sinnvoll, diese Präzisionsarbeit nicht einem Menschen zu überlassen, sondern ihm einen Roboter
zur Seite zu stellen.
Der Foto-Roboter, den Georg Kartnig mit seinem Team entwickelte, kann mit unterschiedlichen Kameras bestückt
werden – so lassen sich auch Infrarotaufnahmen und sogar Röntgenaufnahmen erstellen. Um die mittels unterschiedlicher
Techniken gewonnenen Bilder optimal vergleichen und auswerten zu können müssen die Einzelaufnahmen nicht
nur zusammengesetzt sondern auch registriert werden. „Das ist kunsthistorisch oft höchst interessant“, erklärt
Elke Oberthaler, Gemälderestauratorin vom Kunsthistorischen Museum Wien. „Immer wieder entdeckt man, dass
unter dem sichtbaren Bild noch andere, übermalte Schichten oder Unterzeichnungen des Künstlers verborgen
sind, oder man kann damit nachweisen, dass ein Bild ursprünglich kleiner oder sogar größer war.“
Millimeterarbeit
Der Roboter bringt die Kamera exakt in die richtige Position, nimmt ein Foto auf und transportiert die Kamera weiter,
so lange bis das ganze Gemälde digitalisiert wurde. „Wichtig ist, dass die Kamera nicht nur parallel zum Kunstwerk
transportiert werden kann, sondern auch in der dritten Dimension, zum Kunstwerk hin oder vom Kunstwerk weg“, erklärt
Georg Kartnig. Manche alten Gemälde sind nämlich nicht perfekt eben. Auf Holz gemalte Bilder sind manchmal
stark gewölbt, der Abstand zwischen Kamera und Kunstwerk soll aber immer konstant sein, um eine gleichbleibende
Bildschärfe zu gewährleisten. Mit einem Laser-Sensor wird bei jeder Aufnahme der Abstand gemessen und
präzise nachjustiert.
Insgesamt verfügt der Foto-Roboter über mehr als 20 Sensoren und vier verschiedene Antriebe. Trotzdem
durfte der Roboter eine gewisse Maximalgröße nicht übersteigen – schließlich muss er problemlos
im Aufzug des Kunsthistorischen Museums transportiert werden können.
Nicht nur die mechanische Konstruktion wurde an der TU Wien entwickelt, auch die elektronische Steuerung entstand
am Institut für Konstruktionswissenschaften und Technische Logistik, im Team von Prof. Manfred Grafinger.
Auch eine benutzerfreundliche Oberfläche wurde für das Kamera-Positioniersystem entwickelt.
„Ein derartig leistungsfähiges Gerät für das Digitalisieren von Kunst gab es bisher noch nicht“,
sagt Dr. Stefan Weppelmann, Direktor der Gemäldegalerie. „Wir sind sicher, dass es dem Kunsthistorischen Museum
noch wertvolle Dienste leisten wird.“ Die mit Hilfe des Kamera-Positioniersystems erstellten Reproduktionen zur
aktuellen Pieter-Bruegel- Ausstellung sind sowohl im Ausstellungskatalog als auch online zu bewundern.
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