Welche Probleme auf Österreich und Europa zukommen und was wir dagegen unternehmen können,
war Thema des Eröffnungsabends beim 12. Europäischen Mediengipfel in Lech am Arlberg
Lech am Arlberg (pro.media) - Den inhaltlichen Einstieg zum Mediengipfel lieferte am 29. November Heribert
Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, mit einer Analyse zu Populismus und Nationalismus
in Europa. Überall in der Welt sei der Nationalismus auf dem Vormarsch – in der Türkei und den USA ebenso
wie in Brasilien und Österreich. Vielerorts sei der Geist der Solidarität abhandengekommen. „Wo ist er
geblieben? Hat Trump ihn eingemauert? Hat Erdogan ihn in die Zelle geworfen? Haben Matteo Salvini, Heinz-Christian
Strache und Victor Orban ihn im Mistbeet des Nationalismus vergraben?“, fragte Prantl. Im Angesicht dieser Entwicklungen
dürfe man aber nicht den Fehler machen, den Nationalismus als unaufhaltsame Naturkraft zu sehen. Vielmehr
gelte es, aktiv zu werden und die EU zu stärken. "Zukunft gibt es nicht festgefügt, sie entsteht
in jedem Moment der Gegenwart, ist darum in jedem Moment auch veränderbar", betonte Prantl, und: „Wir
brauchen ein besseres Europa.“
Der Frage, wie man ein besseres Europa erreichen könne, stellte sich auch Johannes Hahn, EU-Kommissar für
Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, im Gespräch mit Hans-Peter Siebenhaar,
Präsident der Auslandspresse in Wien. „Wir verbringen ein Drittel der Zeit damit, ein oder zwei Staaten zu
überzeugen, um eine einstimmige Entscheidung treffen zu können. Diese Abstimmungsmodi müssen wir
ändern. Wir hätten schon so viel erreichen können mit anderen Entscheidungsmustern. Man muss als
‚Unterlegener‘ diese Mehrheitsentscheidung auch anerkennen“, so Hahn.
Im Anschluss diskutierten Faten Mukarker, palästinensische Friedensaktivistin aus Bethlehem, Ayre Shalicar,
deutsch-israelischer Schriftsteller, und Alexandra Föderl-Schmid, Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung
in Israel, mit Andreas Pfeifer, außenpolitischer Ressortleiter im aktuellen Dienst des ORF, die Teilung des
israelischen Staates und eine Rückkehr des Anti-Semitismus in Europa. Auch die Rolle der USA als Vermittler
war hier Thema. Laut Mukaker hätte Palästina hier keine wahre Alternative, obwohl sich die USA klar hinter
Jerusalem gestellt hätte. „Wir hoffen einfach, dass dieser Deal vielleicht – wir leben ja im Land der Wunder
– auch etwas beinhaltet, das gut für uns ist“, so Mukaker. Shalicar konstatierte, dass Jerusalem gegenüber
Trump und den USA abwartend reagiere, da man den Partner nicht einschätzen könne. Auch betonte er den
immer stärker werdenden Antisemitismus in Deutschland, für den er unter anderem die Medien verantwortlich
macht. Föderl-Schmid sah dies jedoch als zu kurz gegriffen und betonte dabei die Hürden, die journalistisches
Arbeiten oft erschweren würden: „Es ist nicht immer einfach, als Journalistin aus Israel zu berichten. Nicht
alle Pressekonferenzen stehen für alle Journalisten offen. Der letzte Empfang der Auslandspresse glich einer
Journalistenbeschimpfung.“
Im Anschluss bot der Autor Eliyah Havemann eine sehr persönliche Perspektive. Der gebürtige Deutsche
erzählte, warum er nach Israel ausgewandert und zum Judentum konvertiert ist. Auch den von Shalicar aufgebrachten
Vorwurf des wachsenden Antisemitismus in Deutschland griff er dabei auf: „Die doppelten Standards müssen aufhören.
„Nathan der Weise“ ist das schlimmste Buch für deutsche Juden, denn wir werden an diesem Vorbild gemessen.
Wir sind aber auch nicht besser als andere und machen Fehler – diese sollte man uns auch zugestehen.“
Den Abschluss des inhaltsreichen Abends machten Thomas Schulz, Bestsellerautor und Spiegel-Korrespondent im Silicon
Valley, und Richard Gutjahr, Mitarbeiter der Chefredaktion des Bayerischen Fernsehens, im Gespräch mit Daniela
Kraus, Geschäftsführerin des fjum_forum journalismus und medien. Zum Thema „Diktatur der Daten – Demokratie
unter Druck“ bemerkte Schulz gleich zu Beginn: „Entwicklungen dauern nicht mehr dreißig, sondern fünf
Jahre.“ Dabei waren sich beide Referenten einig, dass China in den Entwicklungen der nächsten Jahre einen
starken Einfluss haben werde. „Google will nach China expandieren, weil China im Tech-Bereich immer stärker
wird. Es gibt Bedenken, dass das chinesische Modell – das staatlich geförderte Wissenschaftsmodell – große
Erfolge bringt“, führte Schulz aus. „Die wertvollsten Start-ups sind in China – das führt zu Nervosität
im Silicon Valley“, ergänzte Gutjahr.
Über den Europäischen Mediengipfel
Seit dem Gründungsjahr 2007 bildet der Europäische Mediengipfel
in Lech am Arlberg einen außergewöhnlichen Rahmen für Diskussionen, in denen ungefilterte Einblicke
und fundierte Ausblicke in die anhaltend turbulente Welt der Medien, die europäische Politik und die wirtschaftlichen
wie gesellschaftspolitischen Zusammenhänge der europäischen Lebensrealität geboten werden. Der unter
der Schirmherrschaft des österreichischen Außenministeriums stehende Europäische Mediengipfel –
von der Kommunikationsagentur ProMedia Kommunikation initiiert und seither federführend mit Lech Zürs
Tourismus GmbH und dem Verband der Auslandspresse in Wien organisiert - wird von der Gemeinde Lech und dem Land
Vorarlberg, dem Presseclub Concordia sowie von der D. Swarovski Tourism Services GmbH, der BTV – Bank für
Tirol und Vorarlberg und BMW unterstützt. Weitere Partner sind das Land Tirol, das Verbindungsbüro des
Europäischen Parlaments in Österreich und die Tirol Werbung. Als Medienpartner der Veranstaltung fungieren
Der Standard, die APA - Austria Presse Agentur, das Handelsblatt, die Tiroler Tageszeitung sowie die Vorarlberger
Nachrichten.
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