Mehr als eine halben Million BesucherInnen – 2019: Vielschichtige Dauerpräsentation „Wien
um 1900“ und Expressionismus-Schwerpunkt
Wien (leopold museum) - Die Direktoren Hans-Peter Wipplinger und Gabriele Langer ziehen im Rahmen der Jahres-Pressekonferenz
ein beeindruckendes Resümee. Direktor Wipplinger stellt sein vielschichtiges Jahresprogramm für 2019
gemeinsam mit seinem KuratorInnenteam vor.
Rekorde und Zuwächse
Im erfolgreichsten Jahr in der Geschichte des Hauses verzeichnet das Leopold Museum noch nie dagewesene Rekorde:
Die höchst erfreuliche BesucherInnenentwicklung der vergangenen Jahre wurde mit einem Wachstum von knapp 37
% (2017: 8 %) im Zeitraum Jänner bis November 2018 wiederum gesteigert (2017: 380.000). Insgesamt werden heuer
bis Jahresende erstmals über eine halbe Million BesucherInnen das Haus besuchen, wobei der Anteil österreichischer
BesucherInnen auf 31 % (2017: 13 %), jener internationaler Gäste auf 69 % anstieg. Zudem stellt der Anteil
der vom Leopold Museum eigenwirtschaftlich verdienten Einnahmen von 60 % (2017: 56 %) der Gesamteinnahmen einen
herausragenden Wert dar.
Facettenreiche Ausstellungen, Kooperationen, Sponsoringaktivitäten
Neben dem facettenreichen Ausstellungsprogramm – insgesamt waren 13 zu sehen – rund um den Themenschwerpunkt
Wiener Moderne und deren ProtagonistInnen, sowie der erstmaligen, von Agnes Husslein-Arco kuratierten Präsentation
der Privatsammlung von Heidi Goëss-Horten in Kombination mit deren großzügiger Unterstützung,
zählen auch die Kooperationen, allen voran mit Wien Tourismus, zu den Erfolgsfaktoren. Zudem konnte durch
vermehrte Aktivitäten im Bereich des Kunstsponsoring, die kürzlich mit einer Maecenas-Auszeichnung gewürdigt
wurden, über 1 Million Euro eingenommen werden. Getätigte Mehreinnahmen wurden in diverse Umbauarbeiten
zur Erhaltung und Verbesserung der Infrastruktur und zur Optimierung des BesucherInnenservice, sowie in Erwerbungen
für die Sammlung und Förderung der Kunst- und Kulturvermittlung reinvestiert.
Wien um 1900, Kokoschka, Gerstl
Nach dem heurigen Themenschwerpunkt des Leopold Museum zur Wiener Moderne, mit umfassenden Ausstellungen zu
Egon Schiele und Gustav Klimt, widmet sich das Leopold Museum 2019 weiteren Protagonisten der österreichischen
Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts und stellt das Kunst- und Geistesleben in Wien um 1900 in den Mittelpunkt.
Auf die Eröffnung der bisher umfassendsten Wien 1900 - Präsentation des Leopold Museum zu Jahresbeginn
folgen umfassende Ausstellungen zu Oskar Kokoschka und Richard Gerstl.
Zum Auftakt des Ausstellungsjahres 2019 werden unter dem Titel „Wien um 1900. Urquell der Moderne“ jene künstlerischen
und geistigen Errungenschaften einer Epoche beleuchtet, die stark durch die Umbrüche und das radikale Aufeinandertreffen
von Tradition und Moderne gekennzeichnet sind. Dies nicht nur auf dem Gebiet der Künste, also der bildenden
Kunst, Literatur, Theater, Musik oder Architektur, sondern auch in anderen Wissensbereichen wie der Philosophie,
Psychologie oder Ökonomie. Darüber hinaus wird auf den Strukturwandel in der Gesellschaft eingegangen
und Themen wie die Krise des Bürgertums, die Veränderungen des Subjektbegriffs oder die Befreiung des
Körperlichen verwiesen. Historische und gesellschaftspolitische Implikationen im Schmelztiegel der Donaumetropole,
wie etwa der Börsenkrach 1873, die Gegensätzlichkeiten zwischen der armen und wohlhabenden Bevölkerung,
zwischen dem starren Konservatismus und innovativer Bewegungen oder etwa zwischen Antisemitismus und Zionismus
werden thematisiert.
Ein beratendes ExpertInnengremium unterstützte auf Einladung von Direktor Hans-Peter Wipplinger das Forschungsprojekt,
welches gemeinsam mit dem museologischen Team des Hauses in Form zahlreicher Symposien die unterschiedlichen Tendenzen
jener pluralistischen Zeit diskutierte.
Die Zeitreise setzt im Historismus um 1870 ein, beleuchtet realistische und stimmungsimpressionistische Tendenzen,
führt danach den radikalen Paradigmenwechsel durch die Gründung der Secession vor Augen, präsentiert
umfassend die Glanzleistung des Wiener Jugendstils und der Idee des Gesamtkunstwerks (nicht zuletzt durch die Erzeugnisse
der Wiener Werkstätte), befasst sich in der Folge mit den herausragenden Seelenforschern des österreichischen
Expressionismus, um abschließend auf die facettenreichen künstlerischen Ausformungen zwischen abstrahierend-expressionistischem
Stil und Positionen der Neuen Sachlichkeit bis 1930 zu fokussieren.
Die für rund fünf Jahre angelegte Dauerpräsentation auf drei Ausstellungsebenen mit ca. 500 Exponaten
wird zu 70% aus den eigenen Sammlungsbeständen bestückt, erfährt jedoch eine umfassende Unterstützung
durch externe, private wie institutionelle Sammlungen, die als Dauerleihgaben die Schau kongenial ergänzen.
So etwa aus dem Wien Museum, den Sammlungen der Akademie der bildenden Künste wie der Sammlung der Universität
für angewandte Kunst, der Oesterreichischen Nationalbank, der Sammlung Eisenberger, Sammlung Ploil, Sammlung
Klewan, Sammlung Grubman, Sammlung Muzikant, Sammlung Hummel oder der Privatsammlung Leopold.
Oskar Kokoschka (1886-1980), einem der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts widmet das Leopold Museum
in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich ab 6. April die retrospektive Ausstellung „Oskar Kokoschka. Expressionist,
Migrant, Europäer“. Es ist die erste umfassende, von Heike Eipeldauer kuratierte Schau zum Werk des „Enfant
Terrible“ (Ludwig Hevesi) und radikalen Erneuerers seit vielen Jahrzehnten. Anhand von rund 250 Exponaten, darunter
wichtigen Leihgaben aus internationalen Museen und Privatbesitz, wird das vielseitige Œuvre des Ausnahmekünstlers
gezeigt. Das malerische und grafische Werk werden bewusst gleichrangig präsentiert, Kokoschka in seinem Wirken
als Maler, Zeichner, Grafiker, Dichter, Dramatiker, Theatermacher, Lehrer, aber auch als Humanist, Pazifist und
durchaus ambivalenter „Homo politicus“ erfasst.
Mit Edmund Kalb (1900-1952) stellt das Leopold Museum ab 24. Mai einen Künstler vor, dessen Werk, dominiert
von über eintausend Selbstbildnissen, bisher weitgehend unbekannt ist. Kurator Rudolf Sagmeister präsentiert
den aus Dornbirn stammenden Künstler, der schonungslos und ohne Kompromisse als „Konzeptkünstler“ an
seinen Serien arbeitete. Anhand des eigenen Gesichtes lotete Kalb verschiedenste Mittel der grafischen Darstellung
aus. Zeitlebens verkaufte er kein Werk, dokumentierte sein Schaffen jedoch fotografisch und korrespondierte mit
KünstlerkollegInnen weltweit. Mathematik, Mechanik, Wahrnehmungspsychologie, Atomphysik, Weltraumtechnik und
Pflanzenzucht bestimmten ab 1930 sein Denken und prägten zuvor schon seine Selbstbildnisse. Seine Autoritätsskepsis
führte während des Nazi-Regimes aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg zu Haftstrafen. Rund 100 Werke umfasst
die künstlerische Wiederentdeckung des Querdenkers Kalb im Leopold Museum.
Mit Olga Wisinger-Florian (1844–1926), kuratiert von Marianne Hussl-Hörmann und mit Unterstützung von
Alexander Giese, zeigt das Leopold Museum, ebenfalls ab 24. Mai, die erste umfassende Personale einer der bedeutendsten
österreichischen KünstlerInnen an der Wende zum 20. Jahrhundert. Malerkollegin von Emil Jakob-Schindler
und Tina-Blau, gehört ihr Œuvre zur Avantgarde der Landschaftsmalerei ab den 1880er-Jahren. Neben Landschaften
und Interieurs setzte sich die Malerin vor allem mit dem Motiv der Blume auseinander. Mittels scharfer Perspektivenlinien
und hoher Horizonte experimentierte Wisinger-Florian mit neuen Raum- und Seherlebnissen. Parallelen zur zeitgenössischen
Fotografie lassen sich Tendenzen zu nahsichtigen Aufnahmen erkennen, deren Detailgenauigkeit sie besonders in ihrem
Spätwerk zugunsten eines wegweisenden Farbexpressionismus auflöste.
Dem Frühexpressionisten Richard Gerstl (1883–1908), dessen Leben und Schaffen eng mit dem Komponisten Arnold
Schönberg verbunden ist, wird im Herbst 2019 eine Ausstellung gewidmet, die am 27. September startet. Sein
enger Kontakt mit dem Musikerkreis um Schönberg spielte eine zentrale Rolle in Gerstls Leben. Der junge Künstler
zeigte außerordentliches Interesse an Philosophie, Psychologie, Musik und Literatur. Die Freundschaft mit
Schönberg fand im Sommer 1908 ein jähes Ende, als seine Liebesbeziehung mit Mathilde Schönberg,
der Frau des Musikers, bekannt wurde. Die daraus resultierende gesellschaftliche Isolierung Gerstls führte
zu Vereinsamung und Depression, die 1908 mit Suizid endete. Gerstl hatte sich zu Lebzeiten geweigert seine Werke
öffentlich zu zeigen. Erst 1931 präsentierte der Galerist und Kunsthistoriker Otto Kallir-Nirenstein
zum ersten Mal sein Schaffen. Das Leopold Museum besitzt heute dank Rudolf Leopold mit 16 Gemälden den größten
Bestand an Werken Gerstls. Nach Personalen in Frankfurt und New York kehrt der Ausnahmekünstler mit dieser
von Diethard Leopold und Hans-Peter Wipplinger kuratierten Schau, rund 25 Jahre nach der letzten monografischen
Ausstellung, nach Wien zurück. Die Präsentation ermöglicht darüber hinaus erstmals eine vertiefende
Auseinandersetzung mit Vorbildern, Zeitgenossen und Gegenwartskünstlern und schließt somit durch ihren
kontextualisierenden Ansatz Vergangenheit und Gegenwart kurz.
Nach der erfolgreichen Präsentation der „Heidi Horten Collection“ wird die Schiene der Präsentation privater
Sammlungen, im Herbst fortgesetzt. Die Ausstellung „Deutscher Expressionismus. Die Sammlungen Braglia und Johenning“
zeigt ab 11. Juli ausgewählte Werke aus der Schweizer Privatsammlung der Fondazione Gabriele e Anna Braglia
(Lugano) und der deutschen Stiftung Renate und Friedrich Johenning. Die rund 130 Exponate umfassende, von Ivan
Ristic kuratierte Schau, präsentiert eine Auswahl herausragender Werke von Emil Nolde, Max Pechstein, Ernst
Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Wassily Kandinsky, Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin, August Macke, Franz
Marc, Paula Modersohn-Becker etc. Werke der jungen Rebellen aus der Dresdner Künstlergemeinschaft „Brücke“,
die sich gegen die industrialisierte Gesellschaft und ihre Konventionen auflehnten und eine naturbezogene Lebensreform
anstrebten, sind ebenso zu sehen wie Arbeiten von VertreterInnen der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“, die
sich auf die Suche nach einer neuen Innerlichkeit in der Kunst begaben. Die Expressionisten hinterfragten und erweiterten
den tradierten Schönheitsbegriff, wobei den Farben eine entscheidende Rolle zukam. Bis heute haben ihre Werke
nichts an ihrer suggestiven Wirkung eingebüßt.
Auch die ImPulstanz-Kooperation mit Karl Regensburger und seinem Team wird 2019 fortgesetzt. Im Sommer 2019, von
Mitte Juli bis Mitte August, öffnet das Museum eine gesamte Etage für das ImPulsTanz – Vienna International
Dance Festival. Die Zusammenarbeit forciert die transdisziplinären Wechselwirkungen der darstellenden-performativen
und bildenden Kunstformen. Es wird eine inspirierende Mischung aus KünstlerInnen wie dem Kanadier Benoît
Lachambre oder Xavier Le Roy, die bereits auf ihren Site-specific Erfahrungen bauen können, bis hin zu KünstlerInnen,
die zum ersten Mal ins Leopold Museum kommen. Lachambre z. B. kommt nach seinem Solo Lifeguard als Beginn einer
Trilogie mit dem zweiten Teil, der Gruppenarbeit Fluid Grounds, zurück ins Leopold Museum.
Aktuell zeigt das Leopold Museum (noch bis 10. März 2019) „Egon Schiele. Die Jubiläumsschau“ in einer
Reloaded-Version mit zeitgenössischen Kunstpositionen von Louise Bourgeois über Jürgen Klauke bis
Sarah Lucas. Ebenso ist die Mode/Fotografie-Installation „Eine Wiener Garderobe“ von Arthur Arbesser und Elfie
Semotan wieder zu sehen.
Gestern eröffnet wurde die von Ivan Ristic kuratierte Ausstellung „Wege ins Freie. Von Waldmüller bis
Schindler“, die Einblicke in die Sammlungsbestände des Leopold Museum zum Thema Plein-air-Malerei gewährt,
u.a. mit Werken von Friedrich Gauermann, Ferdinand Georg Waldmüller, Emil Jakob Schindler, Tina Blau, Theodor
Hörmann, Anton Romako oder August von Pettenkofen.
Ebenfalls eröffnet wurde die von Heike Eipeldauer zusammengestellte Präsentation „Verborgene Schätze
II. Kunstwerke suchen Paten“. Das von Leopold Museum-Direktor Hans-Peter Wipplinger vor drei Jahren initiierte
Projekt findet in dieser Ausstellung seine Fortsetzung und rückt zentrale Werke der Sammlung des Leopold Museum
ins Scheinwerferlicht, die aufgrund ihres prekären Erhaltungszustandes lange nicht ausgestellt werden konnten.
Die Präsentation gibt spannende Einblicke in Restaurierungsprozesse bei Gemälden, Grafiken, kunsthandwerklichen
Objekten oder etwa Möbeln, die Restaurierungs-Patinnen und Paten suchen bzw. bereits gefunden haben.
Die Ausstellungseröffnungen: „Wege ins Freie“ und „Verborgene Schätze“
Am ersten Tag nach der einmonatigen Schließung des Museums konnten bereits mehr als 1500 BesucherInnen gezählt
werden. Zu den Eröffnungsfeierlichkeiten von „Wege ins Freie“ und den „Verborgenen Schätzen“ kamen darüber
hinaus hunderte Gäste. Hans-Peter Wipplinger begrüßte unter anderem die KünstlerInnen Elke
Krystufek, Julia Avramidis oder etwa Walter Vopava, Secessions-Präsident Herwig Kempinger, ImPulsTanz-Intendant
Karl Regensburger, die Sammler Diethard und Waltraud Leopold, Philipp Otto Breicha, Galeristin Susanne Bauer (Bel
Etage), Architekt Markus Spiegelfeld, die Verleger Christian und Nikolaus Brandstätter, Silvia Eisenburger
(Gesellschaft der Freunde der bildenden Künste) oder Belvedere-Kurator Franz Smola. Ebenfalls unter den Gästen
waren Restaurator Manfred Siems, Hans Raumauf (Vienna Insurance Group, Präsident der Freunde Des Leopold Museum),
Leopold Birstinger, Felizitas Schreier (Leopold Museum-Freundeverein) u.v.m.
Egon Schiele. Die Jubiläumsschau – Reloaded
06.12.2018–10.03.2019
Klimt – Moser – Gerstl
06.12.2018–10.03.2019
Wege ins Freie. Von Waldmüller bis Schindler
06.12.2018–18.04.2019
Verborgene Schätze II. Kunstwerke suchen Paten
06.12.2018–28.04.2019
Wien um 1900. Urquell der Moderne
Ab 16.03.2019
Oskar Kokoschka. Expressionist, Migrant, Europäer
06.04.2019–08.07.2019
Edmund Kalb
24.05.2019–18.08.2019
Olga Wisinger-Florian
24.05.2019–21.10.2019
Richard Gerstl. Inspiration – Vermächtnis
27.09.2019–20.01.2020
Deutscher Expressionismus. Die Sammlungen Braglia und Johenning
15.11.2019–20.04.2020
Kooperation ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival
11.07.2019–11.08.2019
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