Das Jüdische Museum Wien eröffnete die neue Ausstellung „Das Auge Brasiliens. Kurt
Klagsbrunn“
Wien (rk) - Direktorin Danielle Spera begrüßte am Abend des 4. Dezember die Gäste im Palais
Eskeles in der Dorotheergasse: „Heute feiern wir 30 Jahre Jüdisches Museum Wien. Viele Protagonisten von damals
sind heute hier und begehen dieses Jubiläum mit uns.“ Weiters sprach Direktorin Spera zur neuen Ausstellung:
„Hier im Jüdischen Museum ist es uns wichtig, Geschichten von durchschnittlichen Wiener Familien zu erzählen,
von Wiener jüdischen Familien, die ein unbeschwertes, erfülltes Leben geführt haben, bis zum brutalen
Bruch des Jahres 1938. Eine dieser Familie waren die Klagsbrunns, deren Schicksal stellvertretend für tausende
Wiener Jüdinnen und Juden steht.“
Kuratorin Andrea Winklbauer gab den Eröffnungsgästen einen Einblick in das Schaffen des fotografischen
Chronisten Kurt Klagsbrunn, der 1938 als 20jähriger Wiener Jude mit seinen Eltern und seinem Bruder nach Brasilien
flüchten konnte und das dortige Leben jahrzehntelang abbildete. Einen Teil seines Nachlasses bekam das Jüdische
Museum Wien 2017 geschenkt. Dieser ist bis 19. Mai in der Ausstellung „Das Auge Brasiliens. Kurt Klagsbrunn“ zu
sehen ist. Schriftsteller Erich Hackl und Victor Klagsbrunn, Neffe von Kurt Klagsbrunn, sprachen zur Familien-
und zur Fluchtgeschichte der Klagsbrunns.
WegbegleiterInnen und GratulantInnen anwesend
Kurt Gollowitzer, Geschäftsführer der Wien Holding betonte: „Das Jüdische Museum Wien ist seit mittlerweile
30 Jahren ein Ort der Begegnung und der Verständigung. Es war das erste Museum im Wien Holding-Konzern und
nimmt daher einen ganz besonderen Platz unter unseren vier Museen ein. Mit seinen Wechselausstellungen überrascht
das Museum immer wieder mit neuen Sichtweisen auf das Judentum wie derzeit mit ‚Das Auge Brasiliens. Kurt Klagsbrunn‘.
Natürlich ist es aber auch ein Ort der Auseinandersetzung mit jüdischer Geschichte. Auch in diesem Bereich
leistet das Museum Aufklärungsarbeit, sei es durch Ausstellungen oder durch Projekte wie ‚OT‘.“
Der Gründungsgeschäftsführer des Jüdischen Museums Wien, Christian Cap, berichtete von den
Anfangsjahren des Jüdischen Museums vor 30 Jahren und zog einen aktuellen Vergleich: „Heute ist dieses Museum
fester Bestandteil der Museumslandschaft, ausgestattet mit makelloser Glaubwürdigkeit, perfekter Akzeptanz
und schon lange ein besonderer Ort.“ Die Festrede zum 30-jährigen Jubiläum hielt der Wiener Bürgermeister
Michael Ludwig: „Im Jüdischen Museum Wien sehe ich ein Licht in schwierigen Zeiten. Von Beginn an war es ein
Zentrum der jüdischen Kultur und hat in Wien ein Bewusstsein für die Schicksale und Bedeutung der Wiener
Jüdinnen und Juden geschaffen. Das Jüdische Museum Wien ist heute ein sichtbares und lebendiges Zeichen
des Judentums in Wien“.
Gäste wie Dagmar Koller, Renate Brauner, Andreas Mailath-Pokorny, Markus Wölbitsch, Bettina Leidl, Robert
Menasse und Elke Krystufek feierten mit dem Museum seinen 30. Geburtstag.
30 Jahre Jüdisches Museum Wien
Vor 30 Jahren hat die Stadt Wien das Jüdische Museum Wien auf Betreiben des damaligen Bürgermeisters
Helmut Zilk (wieder-) gegründet. Anfangs ohne Gebäude, fanden die Ausstellungen im Jüdischen Gemeindezentrum
statt. Fünf Jahre später zog das Museum in das Palais Eskeles ein, das am 18. November 1993 von Helmut
Zilk und dem aus Wien stammenden Bürgermeisters von Jerusalem, Teddy Kollek, eröffnet wurde. Das Jüdische
Museum Wien ist seither ein Ort, an dem Bewusstsein für die jüdische Geschichte, Religion und Kultur
geschaffen wird.
Die vielfältigen Ausstellungen zur Wiener jüdischen Geschichte erzählen Narrative der Stadt Wien
aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen, u.a. persönliche Schicksale, Migration, Immigration, Film, Fotografie,
sozialökonomische Wirklichkeiten, populärkulturelle Phänomene, bis hin zu zeitgenössischer
Kunst und ziehen das Publikum in ihren Bann. 2017 wurde mit 130.000 BesucherInnen ein Rekord aufgestellt.
Projekt OT
Seit 2016 ist das Projekt OT („OT“, hebräisch „Symbol oder Zeichen“) an der Nahtstelle von Wissenschaft,
Kunst und Vermittlung sowie zwischen Museum, Universität und privater Initiative entstanden. Die fünf
Meter hohe „Sternstele“ des Künstlers Lukas Kaufmann aus der Klasse Transmediale Kunst an der Universität
für angewandte Kunst, trägt einen ineinander verflochtenen leuchtenden Davidstern. Eine in den Masten
eingravierte Inschrift verweist auf den Namen der jeweiligen Synagoge und ihre gewaltsame Zerstörung durch
die Nationalsozialisten, über einen QR-Code auf der Stele können Visualisierungen der rekonstruierten
Synagoge abgerufen werden. Die Informationen sind auch über die Website www.lichtzeichen.wien abrufbar.
Das Auge Brasiliens – von Floridsdorf nach Rio de Janeiro
Der Fotograf Kurt Klagsbrunn, geboren 1918 in Wien, hielt von 1939 bis in die 1970er-Jahre das moderne Leben
Brasiliens fest. Er fotografierte die Partys der Wohlhabenden ebenso wie die Vergnügungen der kleinen Leute.
Seine Modelle waren Prominente wie Orson Welles oder Evita Perón, aber auch Brautstrauß werfende Frischvermählte,
Schuhputzer auf den Boulevards oder verträumte Kaffeegenießer. Dabei wollte der Sohn eines Floridsdorfer
Kohlenhändlers und Fußballfunktionärs eigentlich Arzt werden, musste jedoch nach der Flucht aus
Österreich 1938 den Beruf wechseln, um sich im Exil eine neue Existenz aufzubauen. Er wählte das Hobby
seiner Jugend und stieg rasch vom Autodidakten zum Pionier der Gesellschaftsfotografie auf. Er dokumentierte neben
seinen Mode-, Lifestyle und Industriefotografien die Entwicklung Brasiliens und begleitete die Entstehung der neuen
Hauptstadt Brasilia. 2005 starb Kurt Klagsbrunn in Rio de Janeiro.
Sein Neffe Victor Klagsbrunn betreut seither den Nachlass mit mehr als 250.000 Negativen. 2017 schenkte er dem
Jüdischen Museum Wien einen Teilnachlass mit Briefen, Notizen, Fotos und anderen Erinnerungen an das Leben
der Familie Klagsbrunn in Floridsdorf und ihrer Flucht nach Rio. Die Ausstellung „Das Auge Brasiliens. Kurt Klagsbrunn“
präsentiert diese Schenkung sowie eine Auswahl seiner Werke aus dem brasilianischen Exil.
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